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Rette den Groove

10 Tipps, wie eure Beats und Loops aus der Drum-Maschine musikalischer klingen

Tipps für Musiker und Bands von Julian Schmauch
veröffentlicht am 29.05.2018

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10 Tipps, wie eure Beats und Loops aus der Drum-Maschine musikalischer klingen

Korg Volca Beats Analoge Drum-Maschine. © KORG

Eins, zwei, drei, vier. Zack, Techno. Verlässt man die zarten Gefilde von Folk, Jazz und Klassik, wird mittlerweile ein Großteil der Rhythmen im Bereich Drums programmiert. Im EDM und HipHop ist es offensichtlich, im Metal und Rock wird oft noch versucht, sie möglichst natürlich klingen zu lassen. Wagt man selbst den Schritt ins Rhythmusprogrammieren, kommt schnell der Punkt, dass alles zu gerade, zu maschinell klingt. Es fehlt der Groove, das Mitwippen/-moschen/-tanzen, obwohl doch alles stimmt, alle Schläge sitzen – besser als jeder Schlagzeuger das je könnte. Eben!

Musik lebt von Bewegung, vom rhythmischen und harmonischen Zusammenspiel verschiedener Instrumente. Bei einer Band sind es viele kleine "Ungenauigkeiten", die die Musiker teilweise bewusst, teilweise unbewusst beim Spielen machen, die die Bewegung, das Schieben und Ziehen, auf eine Art unterstreichen und verstärken, wie es kein MIDI-Clip kann.

Was aber, wenn der Schlagzeuger noch braucht, um seinen Groove zu finden? Man vielleicht keinen zu Hand hat und eh alles selbst macht? Man wie bei viele Home-Producing-Einsteiger vielleicht gar keine musikalische Vorbildung hat? Viertelnoten, C-Dur und Swing in etwa so bekannt klingen, wie die Nordkoreanische Nationalhymne?

Man programmiert die Beats. Klickt MIDI-Noten in ein Raster. Resultat: ernüchternd.

"Holt es aus eurem Körper"

Diesen Groove, die Bewegung zwischen den Schlägen, die treibt oder bremst, bei programmierten, eingeklickten Rhythmen aufrecht zu erhalten, gehört zu den großen Herausforderungen des elektronischen Musikproduzierens.

Musik kommt aus dem Körper in den Körper. Ist alles programmiert, ist sie einen indirekten, einmal durch Denkmuster geprägten Weg gegangen, der ihr schnell die Seele nimmt. Bei schlecht gemachter Musik spüren wir das alle. Eben, dass wir nichts oder zu wenig spüren, dort wo wir es sollten. Deswegen gilt als oberste Regel: Holt es aus eurem Körper. Klingt esoterischer, als es ist.

Tipp I: Fingerakrobatik

Besorgt euch einen Controller. Nach einem Rechner, auf dem ihr die Musik macht, sollte das das Allererste sein. Eine Möglichkeit, auf Klaviertasten oder Pads MIDI-Noten zu spielen, ist unumgänglich. Es gibt einige DAWs, die die Möglichkeit bieten, auch per Rechnertastatur Instrumente zu spielen. Zwar ist das eine erste Möglichkeit, die Noten nicht mehr einzuklicken, durch die mangelnde Anschlagsdynamik auf Dauer aber in etwa so musikalisch wie ein Jamba-Monatsabo.

Tipp II: Quantisieren in Maßen

Ja "Maßen", nicht "Massen". Man ist schnell dazu verleitet, der Maschine zu vertrauen, sie alle Noten gerade rücken zu lassen. Wie bei allem (in der Musik, im Leben, überhaupt) gilt: Die Dosis macht den Groove. Ist es zu verstolpert, wird es Free-Jazz, der sich den MCs, denen der Beat geschrieben wird, schwer verkaufen lässt. Ist es zu gerade, wird es ein Klingelton.

Tipp III: Die Mischung macht’s

Gerade im Techno, wo die Bassdrum der Viertel-Herzschlag ist und die Snare oft den Mitklatscher macht, ist man meist schon sehr ans gerade Raster gebunden. Aber spielt man beispielsweise die HiHat per "Hand" (auf einem Pad) ein und quantisiert das nur wenig, oder findet sogar ein echt aufgenommenes Stück (Loop) einer Hihat oder eines Tambourines, ist es die Mischung des elektronisch Programmierten und des Echten, die oft die besten Resultate bringt.

Tipp IV: Swing

Ist man nun aber so am Anfang, so frustriert, dass der Controller im hohen Bogen aus dem Kellerfenster gepfeffert und dem Selbstspielen auf alle Ewigkeit abgeschworen wird, gibt es immer noch genug Möglichkeiten, einem steifen Stück Rhythmus etwas Tanzbarkeit aufzudrücken. Meistens unter dem Stichwort Swing in eurer DAW zu finden, ist das eine Rhythmusvariation, die vor allem bei zu gerade programmierten Hihats (wieder, die Dosis macht’s!) einen großen und vor allem sehr tanzbaren Unterschied machen kann.

Tipp V: Velocity/Anschlagsstärke

Die rhythmische Geraderückung oder Einklickung ist das eine Problem, das Drumloops die Seele nimmt. Gerade bei letzterem ist aber ganz oft auch das Problem, dass ALLE. SCHLÄGE. GLEICH. LAUT. sind.

Auch wenn die Arbeit, die man dann an jeder MIDI-Note verbringt, sehr kleinteilig und aufreibend ist, sie lohnt sich. Vor allem Schläge, die nicht auf den Zählzeiten liegen, in ihrer Dynamik zu variieren, sie leiser zu machen, bringt viel Natürlichkeit in einen Beat.

Tipp VI: Timing

Als Schlagzeuger hat man durch minimale Timing-Variationen starke Einfluss-Möglichkeiten, einen Song zu bremsen oder anzutreiben. Hier geht es aber vor allem das leichte Vorziehen oder Verzögern der Hauptschläge, die auf den Zählzeiten liegen.

Um diese Wirkung auszuprobieren, programmiert einen Beat und kopiert ihn zwei Mal. Am deutlichsten wird es, wenn ihr da zu Noch eine Melodie oder eine Basslinie habt. Verschiebt nun in der ersten Variation des Beats alle Bassdrum- und Snaredrum schläge, die auf den vier Zählzeiten liegen, leicht davor. Und in der zweiten leicht hinter das Raster.

Tipp sieben: VII

Über Fills und Übergänge hatten wir an anderer Stelle bereits geschrieben. Auch hier kann man sehr, sehr viel Zeit investieren (= verschwenden) in den perfekten Fill. Falls euch partout kein "In-The-Air-Tonight"-Gedächtnis-Fill einfallen will, reicht es manchmal schon, die Drums einfach kurz einen Takt lang aussetzen zu lassen. Auch eine Pause kann ein Füller sein.

Tipp VIII: Echte Loops choppen

Egal, wie viel Zeit man in das Programmieren von MIDI-Grooves steckt, ganz echt werden sie nie klingen. Müssen sie auch nicht. Warum nicht, um auf die alte Tradition des Sampling zurück zu greifen, die machen lassen, die es eh können? Der gesamte Hiphop ist daraus entstanden, dass man Breaks, also die Stellen in einem Song, wo der Drummer kurz solieren durfte, ausgeschnitten und geloopt hat. Und mit den Möglichkeiten der aktuellen Generation der DAWs, jeden Loop so zu zerschneiden und zu verfremden, wie nur eben geht, kann man sich die Musikalität und das Spielgefühl echter Drummer zu nutze machen.

Tipp IX: Groove klauen

DAWs wie Ableton und Logic bieten in ihren aktuellen Ausführungen die Möglichkeit, den Groove eines Audio-Drumloops zu extrahieren und als Timing- und Velocity-Muster auf programmierte MIDI-Regionen zu legen. In Logic nennt sich das Groove-Quantisierung, in Ableton der Groove-Pool. Man kann davon ausgehen, dass es in Cubase, Studio One oder anderen aktuellen DAWs ähnliche Funktionen gibt.

Tipp X: Sound, Sound, Sound

Genauso wichtig wie alle rhythmischen Variationen ist die Auswahl der richtigen Sounds. Viele Beats klingen zu dünn, zu steril zu unausgeglichen. Manchmal macht auch die subtilste Variation im Timing und in der Lautstärke einen Beat nicht zu einem Tanzgaranten. Dann heißt es für euch, sich mit den Sounds der einzelnen Drums auseinander zu setzen. Entweder ihr müsst sie austauschen, oder gerade bei Kick- und Snaredrum-Samples durch Layering mit zusätzlichen Samples verändern.

Probiert es aus!

Bei all den genannten Tipps geht es nicht darum, das Rhythmusrad neu zu erfinden. Sondern viel mehr darum, dass ihr euren eigenen Sound und Groove findet, die Musik zwischen den MIDI-Noten. Wir wünschen euch viel Spaß dabei!

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