Soul-On (Jazz & Joy, Worms, 13.8.2011)

Soul-On (Jazz & Joy, Worms, 13.8.2011) © Daniel Nagel

Bei warmem Sommerwetter strömten am 13. August Zuschauer-Massen zum diesjährigen Jazz & Joy-Festivalsamstag nach Worms und genossen die große musikalische Bandbreite zwischen Rock, Pop und Jazz.

{image}Jazz & Joy war schon immer eine Mischung aus Volksfest mit Musikbegleitung und Musikfestival, daher durfte man erwarten, dass die Verlegung in den August vom Publikum akzeptiert werden würde. Und in der Tat: Die Veranstalter dürften mit dem gestrigen Samstag vollauf zufrieden sein, denn bereits am Nachmittag hatten sich eine große Zahl von Zuschauern auf den fünf Plätzen rund um den Wormser Dom und das Andreasstift versammelt, die sich bis zum Abend noch deutlich steigerte. Sie erleben an der Jugendherberge zunächst den Auftritt der Wormser Band Soul-On, die mit souligen Grooves und einem dynamischen Bandsound perfekt zur sommerlichen Atmosphäre passt. Luxuriös ausgestattet mit drei Leadsängern, Rapper Steven Neuhaus und den souligen Stimmen der beiden Amerikaner James Cooper und Kevin Jones, gelingt es der Band mit einer Mischung aus Rock, Hip-Hop und Soul-Elementen positive Stimmung zu verbreiten, die über manchen klischeebeladenen Text hinwegsehen lässt.

{image}Im Gegensatz dazu verfügt die Mannheimer Band Reich & Schön über griffige Texte, die mal bissig oder giftig, mal pessimistisch oder desillusioniert daherkommen. Sänger Julius Reich ist ein durchaus charismatischer Frontmann mit einer hervorragenden Soul-Stimme, allein die riesige Bühne auf dem Platz der Partnerschaft scheint für die Band etwas zu groß zu sein. Ihr funkiger Rocksound überzeugt durchaus, auch wenn man sich manchmal etwas mehr musikalische Variation wünschen würde.

{image}Teleidoscope spielen ruhigen, verträumten Indie-Rock, dessen Problem es ist, dass er nicht so recht zur sommerlichen Stimmung von Jazz & Joy passen will. Sängerin Sissi Plückhan und ihre Mitstreiter kombinieren gekonnt Elemente aus Dream-Pop, Shoegazing und Post-Rock, es fehlt ihnen aber auf der Bühne an Präsenz. Da die Band erst seit wenigen Monaten existiert, ist es durchaus möglich, dass es sich um bald überwundene Anfangsschwierigkeiten handelt.

{image}Bühnenpräsenz en masse besitzt hingegen Alexander Zwick, der Sänger der Mainzer Band Auletta. Wild und ausgelassen tobt er über die Bühne, steht oft vorne, ganz am Rand, ganz nah am Publikum, das den Auftritt begeistert bejubelt. Auletta spielen nicht nur leidenschaftlichen, melodiösen Pop-Rock, sie haben auch  einprägsame Lieder geschrieben, wie beispielsweise Schrei Und Tanz. Kein Wunder, dass sie inzwischen mehr jugendliche Fans haben als Ronan Keating.

Es ist ein andauerndes Rätsel, warum die Organisatoren von Jazz & Joy nicht den Mut haben, die Bühne im Andreasstift ausschließlich klassischen und modernen Spielarten des Jazz zu widmen, obwohl sich das stets bewährt hat. Anstatt diese beklagenswerte Halbheit endlich zu unterlassen, beleidigt man die angeblichen "Jazz-Puristen", nur weil man sich offensichtlich nicht vorstellen kann, dass es zahlreiche Besucher gibt, die sich wünschen, dass auf einem Jazz-Festival auch Jazz gespielt wird.

{image}Eindeutig Jazz bietet fraglos Emil Mangelsdorff, der ältere Bruder des 2005 verstorbenen Albert Mangelsdorff. Trotz seines hohen Alters von 86 Jahren verfügt der Saxophonist immer noch über einen klaren Ton, der mal lyrisch-sanft, mal leidenschaftlich daherkommt, immer zugänglich bleibt, aber nie nur gefällig wirkt. Mangelsdorff und seine hervorragende Band, unter der Thilo Wagner am Klavier herausragt, spielt vornehmlich echte Klassiker der Jazz-Geschichte, beispielsweise Thelonious Monks Straight No Chaser, Oliver Nelsons Stolen Moments und Clifford Browns Daahoud. Als Mangelsdorff erwähnt, dass Fats Wallers Ain't Misbehaving zu den Kompositionen gehört, die er bereits im (2. Welt)-Krieg gerne gespielt hat, realisiert man, dass er ein Stück deutsche Jazzgeschichte verkörpert und wünscht ihm, dass er sich noch viele Jahre bester Gesundheit erfreuen wird. Das Publikum dankt ihm jedenfalls seinen Auftritt mit großem Zuspruch und Applaus.

{image}Zum Abschluss des Abends im Andreasstift tritt Brian Auger auf, ein weiterer Veteran, der auf eine bis in die 1960er Jahren zurückreichende Karriere zurückblicken kann. Sein Oblivion Express besteht u.a. aus seinem Sohn (Schlagzeug) und seiner Tochter (Gesang). Auger ist auch immer noch ein energetischer Virtuose an der Orgel (eine Hammond B-3 hat er natürlich nicht dabei). Man muss aber schon ein veritabler Orgelfetischist sein oder tiefe Wurzeln in der Musik der 1960er haben, um seine Musik ernsthaft gut zu finden. Glücklicherweise sind im Publikum zahlreiche Leute vertreten, auf die genau das zutrifft. Alle anderen verabschieden sich in die laue Sommernacht.

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