The Astronaut's Eye (live in Darmstadt, 2011)

The Astronaut's Eye (live in Darmstadt, 2011) © Susann Heinrich

Das Schlossgrabenfest erwies sich 2011 erneut als großer Erfolg: Bei wechselhaftem Wetter besuchten unzählige Besucher aus Darmstadt und dem Umland Hessens größtes Musikfestival. Ein vielfältiges Rahmenprogramm und die historische Kulisse rund um den namensgebenden Schlossgraben sorgten für die perfekte Atmosphäre, um das reichhaltige Musikprogramm genießen zu können. Mit dabei war neben den bekannten Namen auch der über regioactive.de ausgelobte RegioAct 2011, The Astronaut’s Eye.

{image}Samstag Nachmittag, anfangs noch vor einer überschaubaren Besucherzahl, standen die Kleinstadthelden aus Bremen auf der Bühne. Ihr Auftritt ist beispielhaft dafür, was das Schlossgrabenfest ausmacht: Beim inoffiziellen Darmstädter Stadtfest wird durch das Booking darauf geachtet, dass das musikalische Programm vielfältig ist, von den Genres der Acts bis hin zu deren Bekanntheitsgrad, und das Publikum nimmt dieses Konzept mit großer Umarmung an. So konnten die Bremer Emo-Rocker mit ihrem norddeutschen Charme schnell überzeugen und schafften es, eine beachtliche Menge Zuhörer vor der Bühne zu versammeln. Fünf Stunden Anreise hatten sie auf sich genommen. Das Publikum dankte es mit toller Stimmung und rückte an die Bühne vor. Motivation für die Band, die alles gab, während das Publikum noch eine weitere Schippe auflegte und Laola-Wellen zelebrierte. Unter diesen positiven Umständen musste es selbst Schlagzeuger Uli nicht peinlich sein, dass er sich mit dem eigenen Stick die Nase blutig schlug. Mit Gucken was kommt wünschten sich die Kleinstadthelden zum Schluss ihres Auftritts eine Fernsehzeitung für das Leben, um zu schauen, was in der Zukunft passiert. Dass das 14. Schlossgrabenfest da aufgeführt sein muss, dessen darf man sich sicher sein.

{image}Die meisten Zuschauer wussten jedoch schon ganz genau, was in der ganz nahen Zukunft gleich geschehen sollte: Auletta mit ihrer tanzbaren Musik waren nun angesagt. Die Indie-Rocker spielten einige Lieder ihres neuesten Albums beim Schlossgrabenfest zum ersten Mal live. Sänger Alexander erklärte den Auftritt kurzerhand zur offiziellen Aufstiegsfeier des SV Darmstadt 98, genannt die "Lilien", der sich wenige Stunden zuvor für die dritte Liga qualifizierte. Einige Fußballfans waren offensichtlich längst auf den Platz geströmt, jedenfalls war dieser endgültig deutlich voll und zu den Klängen von Make love work wurde ausgelassen getanzt. Mit Sommerdiebe kam noch ein wirklicher Hit hinzu und zu guter Letzt kündigten Auletta in Meine Stadt an, selbige abbrennen zu wollen.

{image}Es folgte eine Band, die als Sieger der Soundwave Discovery Tour 2009 bereits Millionen von Menschen vor dem Brandenburger Tor zum Einheitsfest begeistert hatte: The Rising Rocket. Sie hatten sich für ihren Auftritt ordentlich rausgeputzt. So trugen der Bassist und der Drummer der Britrock-Band Krawatte und der Gitarrist sowie Sänger Benni karierte Pullunder auf. Die Feststellung, dass der Platz so kurz vor dem Hauptact des Abends proppenvoll war kam weniger überraschend, als die plötzliche Angst vor einem Sonnenbrand auf der Bühne. Die Sonne hatte sich nämlich doch noch heraus getraut und so wurde der charmante Aufruf zum Tanzen ("damit ihr nicht die Achseln vom Nachbarn im Gesicht habt") gerne angenommen. Es folgten Songs wie Bright Lights vom gleichnamigen Album, mit dem die Band bereits Razorlight auf ihrer Tour unterstützen durfte. Ein Lob hatten sie sich auch für ihre Ehrlichkeit verdient, als sie eingestanden, dass sie am Vortag in Bern "total verkackt" hatten, aber nun wieder alles gut lief, was man nur bestätigen konnte.

{image}Bereits einige Zeit vor dem Auftritt der Rockgruppe Sunrise Avenue hatte die Polizei das gesamte Festivalgelände gesperrt, da kaum noch ein Durchkommen möglich war. Es wurde schnell klar, dass die lauernde Menge vor der Merck-Bühne den Finnen teilweise schon seit Stunden heftig entgegen fieberte. Aktuell sind sie sowohl mit ihrer Single, wie auch mit ihrem dritten Studioalbum Out of Style in den Top10 vertreten und werden bei den Radiostationen rauf und runter gespielt. Bei Forever Yours schwang sich Sänger Samu auf die Absperrung, um näher beim Publikum sein zu können, was die Fans sichtlich begeisterte. Wenig später erklang die aktuelle Single Hollywood Hills, auf die sich wohl viele am meisten gefreut hatten. In den Song Destiny integrierten Sunrise Avenue kurzerhand noch ein Medley aus Coversongs wie Forever Young, Take On Me und Pokerface, um dann wieder mit Destiny zu enden. Gegen Ende musste natürlich auch noch ihr großer Durchbruchssong Fairytale Gone Bad aus dem Jahr 2006 kommen, der standesgemäß vom Publikum fast alleine gesungen wurde, bevor mit Nasty der neunzigminütige Auftritt beendet wurde.

{image}Der Geheimtipp des Abends – The Astronaut's Eye – spielte zur gleichen Zeit auf der Echo-Bühne. Das Alternative/Independent-Quintett hatte sich gegen fast 1.300 andere Bands durchgesetzt und wurde von den Schlossgraben-Machern und regioactive.de gemeinsam zum RegioAct 2011 gekürt, was ihnen den Auftritt auf dem Schlossgrabenfest einbrachte. Mit viel Engagement und einer durchgehend kraftvollen Performance zeigten sie auch, warum sie dies redlich verdient hatten. Das Konzept des Abends wurde schon vorab erläutert: "Wir möchten euch Lieder von Liebe, Mord sowie Totschlag und dessen Versuch vorsingen", verkündete Julian. Diese und andere philosophische Liedumschreibungen vor jedem Song des "Auge des Astronauten" gaben dem Ganzen einen besonderen Charme. So bei We Fall, Satellite, She Loves Him (hier etwa die Liebe einer 45-jährigen zu einem 17-jährigen) oder A Play That Moves. Der Einsatz einer Nebelmaschine tat sein Übriges, um eine mystische Aura zu kreieren, die zum abwechslungsreichen Sound der Mannheimer passte. Mit dem finalen Bon Vivant wurde dieser Sound durch treibende Schlagzeugrhythmen und elektronische Beats auf die Spitze getrieben und so tanzten viele Zuschauer fast schon paralysiert vor sich hin.

{image}Mit Jupiter Jones hatte sich der Veranstalter des Schlossgrabenfests eine weitere aktuell sehr erfolgreiche Band ins Programm geholt: Ihre Single Still ist zurzeit das höchst platzierteste deutschsprachige Lied in den hiesigen Charts. Wie die Punkrocker auch gleich angesichts der Massenveranstaltungs-Atmosphäre bekundeten, war und bleibt dies ihr größtes Konzert in diesem Jahr. Ihr Programm war eine Mischung aus mehr oder weniger punkigen Songs wie Hey! Menetekel, Das War Das Jahr In Dem Ich Schlief sowie ImmerFürImmer und ruhigen wie Auf das Leben!. Ebenfalls in die letzte Kategorie fällt das mit Banjo untermahlte Berlin, dass laut Sänger Nicholas "in einer lauen Eifelnacht" geschrieben worden sei. Die Eifel, aus der die vier Jungs kommen, machten sie auch offensiv zum Thema, als sie Eine Landjugend mit den Worten ankündigten, sie wären "dort sozialisiert worden, wo andere resozialisiert werden". Hier wie auch sonst galt das gern beherzigte Motto "der dicke Junge singt vor und ihr singt mit". Es folgte ein Gruß an den Vatikan mit Alter Mann Wo Willst Du Hin und ein kurzes Murren wegen des dreistündigen Zusammenbruchs des Handynetzes in Darmstadt. Für den Erfolg ihrer Single Still, die laut Nicholas bereits vier Millionen Klicks auf Youtube erreichte, bedankten sie sich vorab beim Publikum, um anschließend unter einer Widmung für die eigene Mutter das wohl am sehnsüchtigsten erwartete Lied der Band zu spielen. Als Zugabe gab es dann abschließend Stück Vom Weg, womit ein mehr als gelungener Abend in der überfüllten Darmstädter Innenstadt endete.

⇒ alle Fotos von Auletta, The Rising Rocket, Sunrise Avenue, The Astronaut's Eye und Jupiter Jones gibt's hier in unserer Galerie.

Insgesamt waren in Darmstadt bei der dreizehnten Auflage des Schlossgrabenfestes über neunzig Bands zu erleben. Mit den Auftritten der DJs zusammengenommen waren es mehr als hundert Acts. Am 1. Juni wird es noch einen Nachschlag geben: Seit Jahren gehören regionale Newcomer-Bands zum Schlossgrabenfest. Und seit Beginn des Festivals treten sie traditionell auf der Sparkassen-Bühne auf (ehemals Local-Talent-Bühne). Im vergangenen Jahr wurde nun erstmal "die offizielle Schlossgraben Newcomer-Band" gesucht. Der Preis (eine CD-Produktion und ein Auftritt im Folgejahr) ging an die Gruppe Anny. Diese Finalisten des Newcomer-Wettbewerbs 2011 spielen am kommenden Mittwoch von 21 bis 23:30 Uhr im Club 603qm um Annys Nachfolge: Shereliha, Heavy Pleasure, Cavebeats, und Malcom.