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Gelungenes Generationen-Event

"Eine gute Idee lohnt sich": Reinhard Köhler über die Erstausgabe des Festivals Young Wild, Wild Old

Interview von Bernd Wagner
veröffentlicht am 28.08.2015

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"Eine gute Idee lohnt sich": Reinhard Köhler über die Erstausgabe des Festivals Young Wild, Wild Old

Lonely Trip traten als Vertreter der jungen Generation an. © Bernd Wagner 2015

"Young Wild / Wild Old" – mit diesem Slogan hatte die Ulmer Band Banana Republic auf Backstage PRO Bands für ihr gleichnamiges Zwei-Tages-Festival gesucht. Voraussetzung: ein Altersdurchschnitt unter 19 oder über 42 Jahre. Ob die Idee funktioniert hat und was so ein "Konzept-Konzert" überhaupt bringt, darüber sprach unser Autor Bernd Wagner mit Organisator Reinhard Köhler.

Backstage PRO: Reinhard, die Idee hinter dem "YWWO" hast du uns ja schon letztes Jahr vorgestellt – warum hat es mit dem Festival erst im zweiten Anlauf geklappt?

Reinhard Köhler: Wir hatten 2014 viel zu wenige Bewerbungen. Vielleicht lag das an dem geplanten Termin in den Sommerferien, vielleicht aber auch daran, dass sich die Bands als Tandem Alt/Jung bewerben sollten. Deswegen haben wir diesmal einen früheren Termin gewählt und die Fixierung auf Tandems aufgegeben. Es konnten sich also alle Bands unter 19 und über 42 bewerben, und wir haben dann daraus Paare gebildet – ohne eine Verpflichtung, sich irgendwie zusammenzutun, es sollte ja alles ganz locker und easy sein. Bei manchen Tandems lief das leider ins Leere, bei den meisten hat es aber gut geklappt, dass sich da was entwickelt.

Backstage PRO: Wieviele Bewerbungen waren es in diesem Jahr und wie habt ihr ausgewählt?

Reinhard Köhler: Anfangs waren es fast 300 Bands, die sich auf unsere Ausschreibung gemeldet hatten. Wegen dieser Masse haben wir die Kandidaten gebeten, uns noch eine Email zu schreiben und einen Fragebogen auszufüllen – sonst wären wir mit der Verwaltung verrückt geworden. Dadurch hat sich die Zahl schon deutlich reduziert. Die Formulare haben außerdem gezeigt, dass viele Bands die Bedingungen gar nicht erfüllen. Einige haben sogar offensichtlich versucht zu tricksen, indem sie jüngere Bandmitglieder nicht angaben, die aber auf dem Bandfoto zu sehen waren. Aus den "gültigen" Bewerbungen haben wir dann Bands ausgesucht, die stilistisch gut zusammenpassen, vielleicht aus einer ähnlichen Region kommen und natürlich insgesamt musikalisch eine interessante Mischung ergeben. Witzigerweise kam dabei ein Tandem zustande, bei dem sich die Bands schon kannten und nicht auf die Idee gekommen waren, sich zusammen zu bewerben.

Backstage PRO: Ihr habt mit den Bewerbern eine Kaution vereinbart – was hat dich dazu veranlasst?

Reinhard Köhler: Ich hatte das eigentlich nicht vor, und es gab deswegen auch ein paar blöde Kommentare. Aber ich mache schon lange Veranstaltungen und habe dabei einige idiotische Absagen bekommen, manche sogar erst am letzten Tag – einmal zum Beispiel mit der Begründung, die Bahncard des Künstlers sei abgelaufen. Das muss ich mir nicht geben. Und mit zwölf Bands auf einen Schlag steigt natürlich das Risiko. Wir haben so viel Arbeit reingesteckt, ein Programmheft und Plakate gedruckt, da sichert man sich lieber ab.

"Man darf sich nicht von der Bürokratie abschrecken lassen"

Backstage PRO: Der Eintritt für das Festival war frei, trotzdem konntet ihr den Bands ordentlich Gage und Catering bieten. Wie habt ihr das hinbekommen?

Reinhard Köhler: Mit Fördergeldern der Stadt Ulm und der Jugendstiftung Baden-Württemberg.

Backstage PRO: Da schreibt man eine Email und dann rollt der Rubel?

Reinhard Köhler: Nein, so ein Förderantrag ist schon etwas komplizierter – man muss einen Berg Formulare ausfüllen, ein Konzept schreiben und einen detaillierten Kostenplan aufstellen. Aber das lohnt sich, wenn man eine gute Idee hat. Es muss halt etwas Ausgefallenes sein – für ganz normale Konzerte an Fördermittel zu kommen ist ganz schwierig. Ich bin ja auch Vorstand in einem Verein, der Konzerte veranstaltet, und da gibt es für den laufenden Konzertbetrieb immer zu wenig Mittel, während bei geförderten Projekten die Ausstattung meist gut ist.

Backstage PRO: Was rätst du Bands oder Veranstaltern, die auch solche Töpfe anzapfen wollen?

Reinhard Köhler: Erstmal darf man sich nicht von der Bürokratie abschrecken lassen. Und dann sollte man sich informieren: Was wollen die Geldgeber? Fördereinrichtungen haben Richtlinien, die man kennen und im Hinterkopf haben sollte, wenn man seinen Antrag schreibt. Schließlich braucht man noch einen Aufhänger, etwas, was das Projekt ungewöhnlich und förderwürdig macht. Beim "YWWO" stand übrigens die Idee am Anfang – nicht etwa der Gedanke, wie wir an Kohle kommen könnten. Ich habe dann beim Schreiben des Antrags die Aspekte in den Vordergrund gestellt, auf die es den Förderern ankommt, zum Beispiel, dass wir hier die Generationen zusammenbringen.

Backstage PRO: Was hat es noch gebracht, das Festival mit diesem Konzept zu veranstalten?

Reinhard Köhler: Überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit. Es gab im Vorfeld große Artikel in der lokalen Presse und ein Interview im Radio. Klar – auch gegenüber den Medien ist so eine Veranstaltung leichter zu vermarkten, wenn etwas Originelles dahinter steckt. Zeitungen verkaufen Geschichten, und die muss man ihnen liefern, wenn man in die Presse will.

"Auch als alter Hase in Sachen Veranstaltungen lernt man noch dazu"

Backstage PRO: Wie ist das Festival selbst dann gelaufen?

Reinhard Köhler: Sehr gut, was das Künstlerische und den Ablauf angeht. Natürlich gab es schon große Unterschiede bei der Professionalität – nicht nur zwischen den Jungen und den Alten. Aber es war ja Sinn der Sache, dass die Bands sich voneinander was abschauen können. Nachmittags hätte ich mir mehr Besucher gewünscht. Aber die lokalen Verhältnisse in Ulm sind eben so, dass es schwer ist, zu einer frühen Uhrzeit Publikum zu ziehen – zumal es eine Konkurrenzveranstaltung gab, von der wir zu spät erfahren haben, um terminlich ausweichen zu können. Eine kleine Panne gab es auch mit der Location. Das YWWO sollte eigentlich an beiden Tagen im Club Action stattfinden. Der war aber wegen eines Missverständnisses am Freitag doppelt belegt. Zum Glück hat uns der Club Schilli aus der Patsche geholfen. Schließlich mussten wir die Running Order ändern. Es gibt nämlich nicht nur ein Jugendschutz-, sondern auch ein Jugendarbeitsschutzgesetz. Nach diesem war einer der Musiker noch zu jung, um nach 22 Uhr auf die Bühne zu dürfen. Solche Dinge zeigen, dass man auch als alter Hase in Sachen Veranstaltungen immer was dazu lernt. Unter dem Strich bin ich trotzdem sehr zufrieden.

Backstage PRO: Plant ihr eine zweite Auflage des Festivals?

Reinhard Köhler: Wir schnaufen jetzt erstmal durch, denn das war schon ein echter Brocken Arbeit. Aber nach den positiven Reaktionen des Publikums, der Bands und der Medien wäre ich sehr glücklich, wenn wir etwas Ähnliches wieder machen könnten. Das Konzept ist so gut angekommen, dass es schade wäre, wenn man es bei einer einmaligen Sache belassen würde. Vielleicht greifen ja auch andere die Idee auf?

Backstage PRO: Vielen Dank für deine Zeit und Engagement, Reinhard!

Euer Feedback

Was haltet ihr von Events, die mit einem ganz eigenwilligen Konzept an den Start gehen? Cool und interessant oder irre und gewagt? Hast du eventuell eine zündende Idee? Wir freuen uns auf euer Kommentare!

Personen

Reinhard Köhler

Bassist, Musiker, Bandleader aus Ulm Bassist, Komponist bei BLACK FROG FRIDAY, Bassist, Komponist, Bandleader, Musiker bei Gruppe Sound Espace und Bassist, Musiker bei Mein langsamer Ferrari, Geschäftsführer bei Label Lehle

Artists

BANANA REPUBLIC (alternative rock)

alternative rock aus Ulm

Locations

Club Action

Club Action

Beim Alten Fritz 3, 89075 Ulm

Club Schilli

Club Schilli

Schillerstraße 1/9, 89077 Ulm

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