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"Business Seat + Bande funktioniert in der Musik nicht"

Emotionen verkaufen: Lars-Oliver Vogt (The Sponsor People) über die Mechanismen beim Musiksponsoring

Interview von Michaela-Susan Pollok
veröffentlicht am 20.04.2016

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Emotionen verkaufen: Lars-Oliver Vogt (The Sponsor People) über die Mechanismen beim Musiksponsoring

Lars-Oliver Vogt kooperiert mit The Sponsor People unter anderem mit dem Southside Festival (24.-26.6.16, 60.000 Besucher werden erwartet). © Julius Keller, Quelle: FKP

Wie komme ich an mögliche Sponsoren heran und was kann ich ihnen wie anbieten? Unsere Live-Entertainment-Expertin Michaela-Susan Pollok sprach mit Lars-Oliver Vogt, dem Geschäftsführer der Agentur "The Sponsor People", welche die Top-3-Promoter und Top-15-Musikevents in Deutschland berät.

Lars-Oliver Vogt (Foto: David Ulrich)

Lars-Oliver Vogt (Foto: David Ulrich)

Lars-Oliver Vogt begann seine Karriere im Musikbusiness bereits 1987. Nach Tätigkeiten als Agent, Promoter und Festival Booker bei der Konzertagentur Marek Lieberberg sowie als Label Manager bei Sony Music startete er 1999 in die Selbständigkeit.

The Sponsor People füllte die Lücke einer fehlenden professionellen Marketing- und Rechte-Agentur im Musikbereich.

Unsere Autorin Michaela-Susan Pollok begann Ihre Laufbahn beim Branchen-Primus Mama Concerts & Rau und ist seit 2002 freiberuflich im Bereich Event- & PR-Management (inkl. Sponsoring) zuständig.

Das Interesse an Musiksponsoring müsse viel größer sein, denn "die meisten 14- bis 34-Jährigen interessieren sich für Musik – noch mehr als für Sport," so ihr Gesprächspartner, der auch an der Erstellung des "Live Music Sponsorship Report 2015" mitgewirkt hat.

"Am Anfang gab es sogar richtige Berührungsängste"

Backstage PRO: Warum ist es so schwer als Veranstalter, Location oder gar Band Partner fürs Sponsoring zu finden?

Lars-Oliver Vogt: Ich denke es liegt vor allem daran, dass die Musikindustrie das Sponsoring als ernst zu nehmenden Revenue-Stream erst sehr spät entdeckt hat. Ich habe Mitte der 1990er Jahre begonnen, die ersten Partnerschaften für unser Topevent Rock am Ring zu etablieren und sehr schnell festgestellt, dass in den meisten Unternehmen kaum Wissen darüber existiert, wie man sich im Musikumfeld positionieren könnte.

Am Anfang gab es sogar richtige Berührungsängste, weil Rock’n’Roll auch immer etwas wild sein kann. Diese Ängste haben unsere langjährigen Partner komplett verloren, aber es gibt immer noch Branchen mit Berührungsängsten. Unsere Topkunden engagieren sich aber bereits seit zehn bis fünfzehn Jahren kontinuierlich im Musikbereich – das würden sie nicht machen, wenn das Engagement erfolglos und die Partner unberechenbar wären.

"Partnerschaften müssen kontinuierlich aufgebaut werden"

Backstage PRO: Liegt so manches Zögern eventuell auch daran, dass es deutlich weniger reichweitenstarke Plattformen im Musikbusiness gibt als in anderen Segmenten, beispielsweise im Sport?

Lars-Oliver Vogt: Natürlich! Fußball, Olympia, Formel 1 – das sind alles mächtige Plattformen, mit großen TV-Reichweiten, die global funktionieren. Die Anzahl der Musikstars, die große Stadien füllen können, ist dagegen sehr überschaubar. Bei den Events und vor allem Festivals sind es die Traditionsmarken wie Rock am Ring, Glastonbury oder Lollapalooza, die die größten Reichweiten erzielen und der Markt ist nicht beliebig skalierbar – solche Spitzenevents werden nicht über Nacht geboren, sondern müssen über Jahre oder vielmehr Jahrzehnte kontinuierlich aufgebaut werden. Ein Sponsor ist mehr ein Partner, der die Vision der Veranstaltung mit aufbaut und auch lebt.

Backstage PRO: Musiksponsoring lebt unter anderem von Cross-Promotion und innovativem Storytelling, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Welche Erkenntnisse liefert denn der diesjährige Live Music Sponsoring Report? [Den Report kann man hier anfordern; Anm.d.Red.]

Lars-Oliver Vogt: Für die Einsteiger ins Musiksponsoring liefert der Report vor allem die Basics: Was sind die wichtigsten Plattformen im Musikbereich weltweit? Wer sind die erfolgreichsten Sponsoren? Wie wird man ein erfolgreicher Sponsor im Musikbereich und welche Regeln muss man dabei beachten?

Die Mechaniken aus dem Sportbereich sind nicht eins zu eins adaptierbar, da das Basismodell "Business Seat + Bande" in der Musik nie funktioniert hätte. Marken müssen verstehen, wie der Musikfan tickt und wie man die Touchpoints über einen längeren Kampagnenzeitraum für sich nutzen kann, um eine Geschichte zu erzählen.

"Die Künstlerebene hat das größte Entwicklungspotenzial"

Backstage PRO: Ich habe schon öfter einmal Befragungen unter den Konzertbesuchern nach dem Event gemacht, an welche Sponsoren sie sich erinnern. Und die Tendenz war eindeutig: Der Sponsor, der etwas gibt, seien es auch nur ein paar Lollis, der liegt in der Erinnerung der Fans weit vorne. Es ist also nicht alleine das finanzielle Engagement, das zählt, sondern eher Witz und direkter Kontakt zu den Konzertbesuchern. Welche Arten des Sponsorings im Musikbusiness sind denn deiner Meinung nach besonders erfolgversprechend?

Lars-Oliver Vogt: Es gibt drei gelernte, wesentliche Optionen im Musikbereich, in denen sich Marken aktuell engagieren: Eine Zusammenarbeit auf Künstlerebene (Brand Ambassadors), ein werblicher Auftritt in Spielstätten und bei großen Events (insbesondere Festivals). Jede dieser Optionen bietet völlig unterschiedliche Möglichkeiten für die Ausgestaltung der Zusammenarbeit, aber es zeigt sich auch, dass man auf allen drei Ebenen aktiv sein muss, um zu den Topsponsoren im Musikbereich zu gehören.

Ich denke, dass die Events und Spielstätten bzw. ihre Vermarktungsabteilungen in der Zusammenarbeit mit Werbepartnern bereits sehr professionell aufgestellt agieren, da sehe ich kaum Unterschiede zum Sport. Die Künstlerebene muss sich meines Erachtens zumindest in Deutschland noch weiter entwickeln, aber da sehe ich gleichzeitig das größte Entwicklungspotenzial. Ein internationaler Megastar liegt bei seinen Einnahmen auf Augenhöhe mit den absoluten Spitzenathleten dieser Welt. Dementsprechend hoch ist auch die finanzielle Erwartungshaltung, wenn es um werbliche Kooperationen geht – da sollte man sich als Marke keine Illusionen machen.

"Wir legen Wert darauf, dass jeder Sponsor den Fans einen Mehrwert bietet"

Backstage PRO: Welche Aktivierungsplattformen sind besonders beliebt?

Lars-Oliver Vogt: Im Festivalbereich geht es für Marken ganz klar um zwei Dinge: Mehrwerte schaffen und gutes Storytelling. Sponsoring lebt davon, für die Marke eine Geschichte zu erzählen. Die Möglichkeiten sind gerade bei Festivals sehr vielschichtig, da die mehrtägige Verweildauer eine ganz andere Kontaktqualität ermöglicht als z.B. im Fußballstadion.

Wie im Sportbereich auch haben Sponsoren einen Zugriff auf Leistungen, die man nicht kaufen kann und die ein echtes Erlebnis für die Fans bedeuten. Manchmal sind es aber eben auch kleine Dinge, an denen es bei Festivals mangelt – angefangen bei der Stromversorgung für Smartphone, dessen Akku ein Festivalwochenende lang halten muss. Wir haben von Anfang an Wert darauf gelegt, dass jeder Sponsor den Fans einen Mehrwert bietet. Das ist sicher auch einer der Gründe, warum die Akzeptanz von Sponsoring bei unseren Festivals so hoch ist und Sponsoren im Musikbereich so positiv antizipiert werden.

"Ihr müsst Emotionen verkaufen, die zum Image eures Sponsors passen"

Backstage PRO: Wie überzeuge ich meinen Sponsor? Und vor allem: wo finde ich meinen Sponsor?

Lars-Oliver Vogt: Generell liegt der Beginn immer in einer Konzeption und Konzentration. Ihr müsst ein "Drehbuch" erarbeiten, das aufzeigt, was ihr erreichen wollt und was ihr anbieten könnt. Es geht nicht darum, was der Sponsor für euch tun soll, sondern was ihr für den Sponsor tun könnt. Welche Ziele kann er durch eine Kooperation mit euch erreichen, wo könnt ihr der Marke helfen?

Mit dieser Aufstellung müsst ihr Emotionen verkaufen, die zum Image eures Sponsors passen und dies muss durch ein durchgängiges Storytelling-Konzept mit Inhalten gefüllt werden, denn letztendlich entscheidet die Leidenschaft des Konsumenten, was er kauft.

Backstage PRO: Wenn ich das ergänzen darf: Zu Beginn sollte man bei der Sponsorensuche zunächst in der näheren Umgebung tätig werden, da gerade die lokale, regionale Anbindung für viele potentielle Partner ein wichtiges Argument sein kann. Es gäbe aber natürlich auch Agenturen oder Networking Events, z.B. den Kulturinvest Kongress von Causales. Hilfe gibt es auch bei regionalen Förderinstitutionen wie z.B. Popbüros.

Lars-Oliver Vogt: Generell ist es wichtig, dass man sich überlegt, wen kennt man, denn der könnte dann wieder jemand kennen, der jemanden kennt, der ein Sponsor für einen ist. Also ganz wichtig: verlasst euer Kämmerlein, begebt euch unter die Leute und zwar auch richtig, nicht nur via Facebook, und tauscht euch aus.

"Glaubwürdigkeit wird immer wichtiger"

Backstage PRO: Welchen Herausforderungen müssen sich Bands, Veranstalter und Locations in Zukunft stellen, um im Sponsoring erfolgreich zu sein?

Lars-Oliver Vogt: Man muss wissen, wie die jeweilige Zielgruppe tickt und auf Nachhaltigkeit und Networking bauen. Erfolgreiches Sponsoring lebt von der Mittel- bis Langfristigkeit und einer gut aufgebauten Marketing- und Medien-Konzeption, zu der natürlich insbesondere auch Social Media gehört. Musik erreicht auch mit einer großen TV-Übertragung kein Millionenpublikum. Der Sponsor muss daher auf vielen Ebenen integriert werden, um Reichweite aufzubauen. Heutzutage muss viel subtiler kommuniziert werden und Glaubwürdigkeit – d.h. warum engagiert sich eine Marke in einem Umfeld – wird dabei immer wichtiger.

Backstage PRO: Das stimmt! Der Auftritt und die Verbindung zum Künstler muss authentisch und durchgängig gestaltet sein. Früher, zu Beginn meiner Karriere, reichte es rechts und links von der Bühne ein Banner aufzuhängen und dafür Millionenbeträge zu kassieren. Da würde heutzutage jede Marke nur mit den Schultern zucken. Vielen Dank Lars-Oliver für deine Zeit und die Einblicke, wie Sponsoring heute funktionieren kann!

Eure Tipps

Ein gutes Sponsoring-Konzept lebt vom unerwarteten Aha-Effekt und der Chemie zwischen den Partnern. Habt ihr bereits eigene Erfahrungen gesammelt?

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