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Leidenschaft vs. Geldverdienen?

Gehe durchs Feuer! Welche Kompromisse man als Berufsmusiker machen muss

Tipps für Musiker und Bands von Denis Busch
veröffentlicht am 25.05.2016

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Gehe durchs Feuer! Welche Kompromisse man als Berufsmusiker machen muss

Welche Kompromisse man als Berufsmusiker machen muss. © Nora Tabel (www.braetalon.net)

Um dich Berufsmusiker nennen zu können, ist eine absolut grundsätzliche Voraussetzung unumgänglich. Damit dein Business nämlich ein Business und kein Hobby ist, musst du vor allem eins: Geld verdienen. Wie in jedem anderen Beruf ist es manchmal (oder oft) erforderlich, Dinge zu tun, auf die du nicht wirklich Lust hast. Dafür darfst du deiner Leidenschaft folgen und von dem leben, was du (im Großen und Ganzen trotz allem imernoch) liebst.

Berufsmusiker zu sein, heißt eine Dienstleistung anzubieten, für die dich Leute gerne bezahlen. Das sind nicht unbedingt immer die Gigs mit deiner eigenen Band. Vielmehr musst du dich am – achtung jetzt kommt ein gruseliges Wort – Markt orientieren, was gefragt ist.

Helene Fischer läuft zur Zeit echt gut. Sie tourt mit einer ganzen Palette guter Musiker durch die Gegend, deren Lieblingsmusik nicht unbedingt deutscher Schlager ist.

Warum tun sie es trotzdem? Sie sind Berufsmusiker. Sie bieten eine Dienstleistung an, die man buchen kann. Nicht selten entscheidet da (wie in jedem anderen Geschäft) der Preis. Ein Bassist, der die Option hat, für gutes Geld eine Künstlerin zu begleiten, die er sich nicht unbedingt im Radio anhören würde, statt an seinem Rockalbum zu schreiben, muss abwägen. Geld oder Liebe.

Folge der Liebe

Was passiert, wenn du uneingeschränkt dem folgst, worauf du Bock hast? Wenn du ausschließlich die Musik spielst, die du geil findest? Wenn du nur in den Clubs spielst, die du magst? Wenn du dich nur mit Mitmusikern umgibst, die du auch privat treffen würdest? Wenn du nur spielst, wenn dir danach ist?

  • Punkt eins: Du hast wahrscheinlich unheimlich viel Spaß.
  • Punkt zwei: Du hast wahrscheinlich unheimlich wenig Geld.

Logisch, du brauchst Leute, die dich bezahlen. Wenn du komplett dein eigenes Ding machst, ist es Glückssache, solche Menschen zu finden. Du gehst deinen eigenen Weg und nur durch Zufall triffst du auf jemanden, der mit dir mitschwingt, der dein Ding feiert und dich gerne dafür bezahlen will. Du schießt komplett ins Blaue und hoffst, dass es den Leuten gefällt, weißt es aber nicht.

Ich will kein Missverständniss aufkommen lassen: Das kann schon funktionieren! Es gibt in der Musikindustrie eine ganze Menge Bands, die einen ähnlichen Weg gegangen sind. Beispiele sind da überflüssig, jedem fallen sofort einige Menge Bands ein, die ihr Ding erfolgreich machen.

Grundsätzlich kannst du erstmal davon ausgehen, dass es keine Rolle spielt, was du selbst geil findest. Wenn du eine Selbständigkeit, ein Geschäft, was auch immer aufziehen willst, musst du deine Kunden mit dem bedienen, was sie geil finden. Dann kannst du auch Geld damit verdienen.

Folge dem Geld

Ich kenne keinen Musiker, der von sich sagen würde, dass er Musiker geworden ist, um Geld zu verdienen. Tatsächlich gibt es Millionen bessere Wege zum Geld verdienen. Du willst es aber mit Musik tun – nun gut!

Was ist, wenn du in jeder Band spielst, die dich anfragt? Wenn du jeden Gig mitnimmst, der dir angeboten wird? Wenn du jedes unangenehme Gefühl runter schluckst, in Erwartung deiner Gage? Wenn du zu jeder Zeit an jedem Ort bereit bist zu spielen und jeden Mitmusiker akzeptierst, auch wenn er dir noch so unsympathisch ist? Wenn du versuchst als seelenlose Spielmaschine zu funktionieren?

  • Punkt eins: Du kannst ganz gut verdienen auf die Art.
  • Punkt zwei: Du wirst wahrscheinlich kreuzunglücklich.

Wenn du alles machst, nur um Geld zu verdienen, ist es völlig egal ob du Musiker, Klempner oder Industriekauffrau bist. Wenn es dich nicht persönlich erfüllt, fehlt der Sinn. Klar, du brauchst schon Geld, aber nicht ausschließlich! Du brauchst auch Begeisterung in dem was du tust. Ansonsten wirst du depressiv, mittel- und langfristig wird auch deine Gesundheit drunter leiden.

Wenn du leidenschaftlicher Punkrocker bist aber nur für Heino im Studio sitzt, wenn du von Herzen Jazzdrummer bist aber ausschließlich für Helene Fischer trommelst, machst du dich unglücklich. Das kann kein Geld der Welt aufwiegen.

Was also tun? Entweder arm sein oder unglücklich?

Egal welchem Extrem du folgst, es schadet dir. Als Berufsmusiker wirst du also im Laufe der Zeit (lieber früh als spät) lernen die richtigen Kompromisse zu machen, denn davon gibt es mehr als genug.

Welche Kompromisse sollte ich eingehen?

Als ich 2015 von einer gut beschäftigten Coverband das Angebot bekommen habe, für ein paar Wochen als Sub einzusteigen, wusste ich, dass ich Kompromisse machen musste. Dabei habe ich ein paar angenehme Vorteile für mich gesehen.

  • Ich hatte die Möglichkeit neue Leute kennenzulernen, und eventuell nette und nützliche Kontakte zu knüpfen.
  • Ich würde meine musikalische Entwicklung ankurbeln, weil ich in kurzer Zeit viele neue Songs lernen musste.
  • Ich bekam Einblick in die Arbeitsweise einer anderen Band, konnte Erfahrungen sammeln und meinen Horizont erweitern.
  • Ich würde eine, für meine damaligen Verhältnisse, gute Gage bekommen.

Es gab aber auch Nachteile.

  • Ich hatte einen hohen Qualitätsanspruch an meine Arbeit und musste ziemlichen Stress in Kauf nehmen, wegen der Menge an Songs, die ich in kurzer Zeit lernen musste.
  • Weil die Band einzelne Events in in einem ziemlich weiten Radius bespielte, waren die Arbeitszeiten brutal. Um elf Uhr morgens losfahren und um acht Uhr am nächsten morgen zurückkommen war nichts ungewöhnliches.
  • Es war eine Coverband, die sich für Hochzeiten, Stadtfeste u.ä. buchen ließ, die Musik war entsprechend. Das Repertoire reichte tatsächlich bis Helene Fischer, wofür mich mein früheres Ich mit Bierdosen beworfen hätte.

Ich habe mich damals dazu entschieden die Gigs zu spielen, weil die Vorteile die Nachteile überwogen haben. Es war nicht die geilste Band der Welt, es war auch keine besonders tolle Musik, meine kreative Entfaltung musste ich mir also für ein andermal aufheben. Ich wollte aber andere Musiker kennenlernen, Erfahrungen sammeln und konnte das Geld gut gebrauchen. Daher war die Sache für mich ein guter Kompromiss.

In der Zeit habe ich erkannt, dass man sich nicht immer die Rosinen rauspicken kann. Um Erfolg zu haben (womit auch immer), muss man manchmal auch echt unangenehme Aufgaben annehmen. Man muss Kompromisse machen. Das wird dir als Berufsmusiker immer wieder begegnen.

  • Spiele ich den schlecht bezahlten Gig und knüpfe vielleicht ein paar echt wertvolle Kontakte?
  • Kaufe ich mir den Amp, der so megageil klingt oder den, an dem ich mir nicht den Rücken kaputt mache?
  • Spielen wir im Vorprogramm einer riesigen Band für eine winzige Gage?
  • Gründe ich endlich meine Progressive Rock Band, von der ich schon so lange träume oder gebe ich lieber mehr Bassunterricht?
  • Zeuge ich mit meinem/r Partner/in jetzt ein Kind oder geh ich nächstes Jahr auf Tour?
  • Will ich überhaupt auf Tour gehen und bin bereit die ganzen Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen?
  • Steige ich in der gut gebuchten Top 40-Band oder in der extrem geilen Crossoverband ein?

Woran erkenne ich gute und schlechte Kompromisse?

"Das Problem bei Kompromissen ist, dass man meistens erst hinterher erkennt, ob sie sich gelohnt haben oder nicht."

Manches kann man aber im Vorhinein schon erahnen…

Wenn du herausfinden willst, ob du einen Kompromiss eingehen solltest, musst du zuerst wissen, was es überhaupt für ein Kompromiss ist. Je genauer du dir bewusst machen kannst, was die Vor- und Nachteile sind, desto fundierter und objektiver kannst du deine Entscheidung treffen.

Bringt der Kompromiss dich deinem Ziel näher?

Es muss (und wird) nicht immer alles zu 100% passen. Wichtig ist nur, dass für dich die Vorteile die Nachteile überwiegen.

Was das bedeutet kann sehr unterschiedlich ausfallen und hängt von deinem persönlichen Ziel ab.

  • Wenn du hauptsächlich einfach nur Geld brauchst, macht es für dich vielleicht Sinn Gigs zu spielen, die nicht besonders viel Spaß machen, aber gut bezahlt sind.
  • Wenn du dir einen Namen machen und in der Szene Fuß fassen willst, ist es für dich vielleicht das Beste vor allem viel zu spielen und dabei hervorragende Qualität abzuliefern. Auch, wenn die Gage mies ist.
  • Wenn du dich musikalisch entfalten und "dein Ding" machen willst, ist vielleicht deine eigene Band die erste Wahl. Auch wenn das heißt, dass du in weit entfernten, leeren Clubs für wenig Geld spielen und dir dementsprechend den Arsch aufreißen musst.

Kompromisse sind eine sehr persönliche Sache und jeder kann nur für sich selbst entscheiden, welche gut sind oder nicht. Die einzige Grundregel für einen guten Kompromiss ist, dass er dich näher an dein Ziel heranbringt, ohne dir zu viele Nachteile zu bringen. Was hier zu viel ist, ist auch wieder subjektiv.

Wie aus schlechten Kompromissen Glücksgriffe werden

"Im Nachhinein wünsche ich mir, ich hätte gleich nein gesagt."

Wir alle kennen Situationen, in denen wir uns darüber ärgern, einen schlechten Kompromiss eingegangen zu sein. Vielleicht haben wir einen Gig angenommen, der sich nicht wirklich bezahlt macht, weil zu viele neue Songs zu lernen sind und so der Stundenlohn in den Keller geht. Vielleicht haben wir in einem Club gespielt, der weit weg, leer und schlecht bezahlt war.

Jeder kennt das Gefühl sich über seine Entscheidung zu ärgern und das Gefühl zu haben einen faulen Kompromiss eingegangen zu sein. Wann aber ist ein fauler Kompromiss tatsächlich ein fauler Kompromiss und wann ist er eigentlich ein versteckter Glücksgriff?

Zu meiner Tätigkeit als Sub im letzten Jahr hatten wir einen absoluten Horrorgig, der für die Kategorie "faule Kompromisse" wie geschaffen ist. Der Gig fand in Mitteldeutschland statt und wir stellten die komplette Technik, was zusätzlichen (unbezahlten) Aufwand bedeutete.  Mit An- und Abreise, Auf- und Abbau und dem Konzert selbst dauerte das Ganze gut und gerne 12 Stunden und war dafür absolut unterbezahlt.

Der Abend selbst stand völlig unter Wasser, ebenso wie wir und unser Equipment. Nur mit viel Mühe und noch mehr trockenen Handtüchern konnten wir den Gig retten.

Die Musik war Top 40, musikalische Selbstverwirklichung fand also auch nicht statt. Alles in allem war der Tag ein totaler Reinfall. Ewig lang, nass, anstrengend, schlecht bezahlt, mit viel Fahrerei.

Trotzdem bin ich froh den Gig gespielt zu haben. Warum?

  • Auf diesem speziellen Gig habe ich gelernt mit Widrigkeiten professionell umzugehen und auch schwierige Situationen zu meistern, komme was da wolle.
  • Darüber hinaus habe ich mich speziell mit dem Schlagzeuger unheimlich gut verstanden. Not schweißt zusammen. Daher haben wir noch heute Kontakt und helfen uns gegenseitig wie wir können. Ich bin sicher, dass wir noch lange Zeit gut zusammenarbeiten werden. Das wiegt den katastrophalen Gig mehr als auf.

Du kannst noch aus den miesesten Kompromissen Vorteile für dich ziehen.

  • Vielleicht lernst du jemanden kennen, mit dem du in Zukunft mehr zusammenarbeiten willst.
  • Vielleicht lernst du den professionellen Umgang mit schwierigen Situationen oder eine diplomatische Art mit unsympathischen Bandmitgliedern/Veranstaltern/Tontechnikern umzugehen.
  • Im allerschlimmsten Fall hast du immer noch eine witzige Story zu erzählen und die Erfahrung, dass du dich auf so einen Kompromiss nie wieder einlässt.

"Gehe durchs Feuer"

Besonders am Anfang deiner Karriere macht es Sinn vermeintlich schlechte Kompromisse einzugehen, um weiter zu kommen, Erfahrung zu sammeln und Leute kennenzulernen. Später, wenn du fest im Sattel sitzt, kannst du bessere Kompromisse machen.

Bis dahin: gehe durchs Feuer. Spiele zu beschissenen Zeiten in leeren Clubs, für viel zu wenig Gage, mit richtig furchtbaren Bands. Wenn du deine beste Leistung bringst und offen dafür bist, was sich daraus entwickeln kann, stellen sich viele "faule" Kompromisse als gar nicht so schlecht heraus.

Am Ende wirst du es mehr bereuen eine Gelegenheit verpasst, als einen Fehler gemacht zu haben.

Welchen scheinbar faulen Kompromiss hat sich bei dir schon als echter Glücksgriff herausgestellt? Was war der mieseste Kompromiss auf den du jemals eingegangen bist? Lass es uns wissen, unten in den Kommentaren!

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