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Interview mit Thomas Roscheck und Sam Reinard von der Rockhal in Esch-sur-Alzette

Impulsgeber Luxemburg? Über die Kulturförderung in der Mitte Europas

Interview von Markus Biedermann
veröffentlicht am 27.05.2014

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Impulsgeber Luxemburg? Über die Kulturförderung in der Mitte Europas

Eine der geförderten Bands: Mutiny on the Bounty. © rockhal.lu

2007 war Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt. Damals fiel der Startschuss zu einer Reihe von Förderprogrammen für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen. Besonderes Augenmerk lag auf dem Bereich der populären Musik. Sichtbar wurden die Programme u.a. am Beispiel der Rockhal, wo sich heute nicht nur hochkarätige internationale Acts die Klinke in die Hand geben, sondern auch Newcomer eine Bühne und handfeste Unterstützung finden können. Einmal im Jahr pilgern Musikschaffende aus ganz Europa nach Esch/Alzette, um sich im Rahmen des Sonic Visions Festivals bei zahlreichen Workshops und Diskussionsforen auszutauschen. Wir sprachen mit zwei der verantwortlichen Rockhal-Köpfe, Thomas Roscheck (Marketing und PR der Rockhal) und Sam Reinard (Manager der Fördereinrichtung "Music & Resources"), über die Entwicklung der Kulturszene in Luxemburg und haben erfahren, was die Situation dort so speziell macht.

Backstage PRO: Hallo Thomas und Sam! Gerade ging die Europawahl über die Bühne, wobei mit Herrn Junker ja auch ein berühmter Luxemburger im Mittelpunkt stand. Er stellte sich im Wahlkampf vielen Interviews in unterschiedlichen Sprachen und auch wir tauschen uns jetzt problemlos auf Deutsch aus. Genauso gut könnten wir unser Gespräch auch auf Französisch oder Englisch führen. Ist damit schon eines der besonderen Merkmale Luxemburgs angesprochen?

Thomas Roscheck: Wir sind immer ein bisschen ein Mittler zwischen den Kulturen und es ist uns wichtig uns auch entsprechend zu positionieren. Im Übrigen ist das ist ja auch immer eine Triebfeder für das Sonic Visions gewesen. Wir stellen halt immer wieder fest, dass es mit dem übersetzen nicht getan ist. Ein Hamburger, der Französisch spricht, versteht trotzdem noch lange nicht, warum Frankreich so funktioniert wie es funktioniert.

"Wir sitzen zwischen drei großen Märkten"

Das Team hinter Sonic Visions, von links nach rechts: Trixi Hussong (Booking), Sandrine Rasquin (Hospitality), Thomas Roscheck (Marketing & Communication), Olivier Toth (General Manager), Sam Reinard (Music & Resources), Arnaud Velvelovich (Booking)

Das Team hinter Sonic Visions, von links nach rechts: Trixi Hussong (Booking), Sandrine Rasquin (Hospitality), Thomas Roscheck (Marketing & Communication), Olivier Toth (General Manager), Sam Reinard (Music & Resources), Arnaud Velvelovich (Booking), © rockhal.lu

Backstage PRO: Weshalb ist es euch so wichtig, diese Mittler-Position herauszustellen?

Thomas Roscheck: Für die Branche ist das Wissen um einen solchen kulturellen und ökonomischen Kontext extrem wichtig. Denn ein eigener Markt ist hier ja nicht wirklich vorhanden. Dafür sitzen wir aber genau zwischen den drei großen Märkten Deutschland, Frankreich und Belgien plus Niederlande. Einerseits sind unsere Musiker auf diesen Märkten aktiv und unterwegs, andererseits nutzen viele Musiker aus diesen Ländern Luxemburg als Brücke in die anderen Märkte hinein. Schließlich kannst du hierher Leute und Medien aus allen Ländern auf die Konzerte ziehen und damit eine Schnittmenge erreichen.

Backstage PRO: Aus diesem besonderen Blickwinkel heraus – welche Weichenstellungen auf europäischer Ebene wären für die Musikbranche wichtig?

Thomas Roscheck: Es wäre schon viel erreicht, wenn alle aktuell laufenden oder in der Planung befindlichen Programme wirklich weiter geführt würden. Aus der Sicht eines Künstlers fände ich es ganz persönlich wichtig, dass die Vereinheitlichung all jener Dinge vorangeht, die einen beim täglichen Arbeiten umgeben. Das reicht von Arbeitsrecht über Veranstaltungsstättenverordnungen bis hin zu den Regularien der Verwertungsgesellschaften.

Sam Reinard: Eine dahingehende Harmonisierung ist auf jeden Fall wünschenswert. Und eine Vereinfachung bei vielen administrativen Dingen, wobei das auch für die lokale Ebene gilt. Das ist für kreative Menschen immer eine gute Sache, würde ich mal ganz salopp sagen.

Thomas Roscheck: Viele Regelungen kommen halt aus ganz anderen künstlerischen Genres, nicht aus der Ecke Rock/Pop. Das bezieht sich eher auf Schauspiel, sehr viel auf Kino und Film und klassische Musik oder Jazz, die andere Strukturen haben.

"Das Kulturhauptstadtsjahr gab einen besonderen Boost"

Backstage PRO: Lasst uns darüber reden, was sich in Luxemburg konkret entwickelt hat. Was war die Ausgangslage?

Sam Reinard: Insgesamt ist das eine längere Geschichte, die bis in die siebziger und achtziger Jahre zurück reicht. Damals gab es verschiedene eingetragene Vereine, die sich zusammengetan hatten, um jeweils ihre Szene zu präsentieren, sowohl auf nationaler Ebene als auch innerhalb der Großregion. Die bestanden meist vor allen Dingen aus Bands und Künstlern, aber auch vereinzelt aus Veranstaltern, die einfach ein entsprechendes Interesse an ihrer Szene hatten.

Backstage PRO: Menschen, die eine bestimmte Szene auf eigene Faust fördern findet man ja durchaus an vielen Orten. Was geschah politisch und führte dazu, die öffentlichen Investitionen im Kulturbereich dramatisch zu erhöhen?

Sam Reinard: Grundsätzlich kann man sagen, dass alles eine Verbindung ist aus Initiativen von der Basis her, die sich mit privaten oder öffentlichen und politischen Interessen verbunden haben, um Ihr Anliegen auf die nächste Ebene zu bringen. So machten einige der Vereine starke Lobbyarbeit beim Staat beziehungsweise verschiedenen staatlichen und privaten Instanzen, den Medien zum Beispiel, und das über eine mehrere Jahre hinweg. Parallel gab's auch in der breiteren Gesellschaft schon immer die Idee einer luxemburgischen "Rockhal". Da trafen sich also mehrere Wünsche an einem Strang und am Ende stand tatsächlich das "Centre de Musiques Amplifiées", also die Rockhal mit ihren Live-Bühnen und andererseits dem "Music and Resources"-Centre, das für die Förderung und den Aufbau der Szene gedacht ist. Daneben gibt es heute noch weitere Initiativen, die in diesem Sinne gegründet wurden, zum Beispiel das Exportbüro.

Backstage PRO: So eine Entwickliung von der Basis her setzt natürlich voraus, dass man in der Politik wirklich konkrete Ansprechpartner findet, die dann auch mit an diesem Strang ziehen.

Thomas Roscheck: Dazu muss man natürlich sagen, dass man nicht vergessen darf, dass das Kulturhauptstadtsjahr 2007 einen besonderen Boost gegeben hat. In diesem Zusammenhang sind viele Dinge angegangen worden, teilweise solche, die längst schon geplant waren. Die Rockhal war schon auf, trotzdem hat auch uns das nochmal einen Schub gegeben. Ebenso wurden natürlich ganz neue Dinge angestoßen, von denen ich jetzt rückblickend sagen kann, dass sie in den letzten 2-3 Jahren erst ihre eigentliche Dynamik entwickeln. Vieles braucht einfach eine bestimmte Anlaufzeit und Phase zur Entwicklung.

"Die Infrastruktur ist wirklich fantastisch"

Die Außenbühne “Tent Stage” vor den Hochöfen Belvals beim Sonic Visions 2013

Die Außenbühne “Tent Stage” vor den Hochöfen Belvals beim Sonic Visions 2013, © rockhal.lu

Backstage PRO: An welche Beispiele denkst du? Was ist schon erreicht worden, was steht noch auf der Agenda?

Thomas Roscheck: Erreicht wurde vor allen Dingen eine gute Infrastruktur. Die ist wirklich fantastisch. Man sieht ja, was in Luxemburg bzgl. Konzerten abgeht. Das muss sich nicht einmal vor Paris oder London verstecken. Alleine das hat schon wieder seinen eigenen Effekt auf die gesamte nationale Szene. Denn die Dynamik geht natürlich gegen null, wenn du in einem Umfeld lebst, indem wenig bis gar keine Musik stattfindet. Das ist hier eben nicht so. Im Gegenteil, hier kann man Kultur erleben, viel ausgehen, viel sehen. Ein solches Kulturangebot ist aus unserem Blickwinkel natürlich auch eine tolle Inspirationsquelle und Motivation für Künstler.

Sam Reinard: Bei denen gab es übrigens einen Mentalitätswechsel. Man fühlt sich jetzt ernst genommen und benimmt sich professioneller, man verfolgt konkretere, teilweise andere Ziele. Das kann man als Künstler heutzutage, wenn man das will, denn es gibt dir hier eine Anlaufstelle, an die sie sich jederzeit wenden können, es gibt Begleitprogramme, wodurch ganz gezielt mit den Bands gearbeitet wird, und wir haben alle Möglichkeiten in der Region und dem Land, die Bands auch auf eine Bühne zu bringen. Für viele ist Musik zwar immer noch ein Hobby, aber das Bewusstsein ist da, dass man es noch ein ganzes Stück weiter treiben könnte. Man darf nun natürlich auch nicht den Irrglauben verfallen, dass man durch Musik wahnsinnig viel Geld verdienen könnte. Die Realität zeigt einfach, dass man Musik nicht deshalb machen sollte. Aber ausgehend von der veränderten Gefühlslage der Musiker hat sich natürlich auch die ganze Szene rund um die Bands verändert beziehungsweise professionalisiert, sprich die Industrie aus Studios, Agenturen und kleinen Labels. Viele sagen sich zum Beispiel mittlerweile: "Ich kann zwar kein Instrument spielen, singe auch nicht gut, habe keine Band, könnte mir aber vorstellen, dass ich mit einer Band, die ich super finde, arbeiten könnte – sie also mit aufbauen könnte." Genau dafür können wir Unterstützung bieten. Egal ob mit Büchern, Weiterbildungen oder anderen Maßnahmen.

Thomas Roscheck: Über das Vorgruppen-Booking bietet die Rockhal natürlich eine ganz direkte Schnittmenge zu diesen lokalen Acts. Und "Music and Resources" ist die Grundlage dafür, an all diesen Dingen weiter zu arbeiten und sie konsequent voranzubringen. Dabei ist das Ziel immer eine Eigendynamik, aus der heraus sich weitere neue Dinge selbst entwickeln. Insbesondere am Anfang schiebt man extrem viel selbst an, aber irgendwann verändert sich das. Dann schiebst du nur noch ein bisschen mit oder die Sachen laufen sogar schon ganz von alleine. Ein Punkt, an dem wir noch nicht so weit sind wie gewünscht, der in der Logik aber auch tatsächlich erst hinten anstellt, das sind die professionellen Strukturen im Hinblick auf eine gesamte Musikindustrie. Für mich ist das der nächste logische Schritt in dieser Entwicklung.

Sam Reinard: In ungefähr fünf Jahren sollte man in diesem Bereich des gesamten Umfelds rund um die Musiker auch mehr Früchte erwarten dürfen.

"Wir setzen schon bei Schülerbands an"

Music & Resources:

Music & Resources: "Guitar FX"-Workshop mit Dave Schmit, © rockhal.lu

Backstage PRO: Wie sieht die Förderung konkret aus, wenn es darum geht, Bands bei der Professionalisierung zu unterstützen?

Thomas Roscheck: Es gibt drei verschiedene Pfeiler. Den gesetzlichen Rahmen, der bestimmt was ein Künstler ist und welche Rechte und Pflichten er hat. Dann hast du die Infrastruktur, die durch den Luxemburger Staat, aber auch andere Strukturen, seien es Gemeinden, Verbände oder andere Dritte zur Verfügung gestellt werden. So finanziert die Gemeinde Esch/Alzette mit der Kulturfabrik zum Beispiel ein kleineres kulturelles Zentrum mit Konzertsaal und Proberäumen. Der dritte Pfeiler ist das zugehörige Programm, also die Frage, wie die konkrete Förderung dann aussieht.

Sam Reinard: Innerhalb dieses Programms gibt es wiederum drei Schwerpunkte. Weiterbildung und Fortbildung, wobei wir passiv viele Informationen zur Verfügung stellen, zum Beispiel über unsere Bibliothek, aber auch aktiv veranstalten, zum Beispiel unsere "Master classes". Dann bieten wir Projekt-Begleitung über sechs Monate oder ein Jahr, zum Beispiel um mit einer Band zusammen ein EP-Release zu bewerkstelligen mit den ganzen spezifischen Schritten von der Auswahl des Tonstudios bei uns im Land bis hin zur fertigen Presseerklärung. Bei solchen Geschichten sind wir oftmals auch der Seelenklempner der Bands, der x-te Mann. Last but not least haben wir hier ein eigenes Studio, wo wir zum Beispiel Demos machen, und die zwei Bühnen, die wir aktiv bespielen. So können wir zum Beispiel ein Releasepaket für Bands anbieten, wodurch sie ihre neuen Veröffentlichungen bei uns live vorstellen können, was auch ein komplettes Promo Paket beinhaltet. Mit solchen Initiativen setzen wir auch schon bei Schülerbands an.

Backstage PRO: Wie funktioniert die staatliche Unterstützung ab dem Moment, wenn man sich dazu entscheidet, Musik professionell zu machen?

Sam Reinard: Es gibt im wesentlichen zwei Möglichkeiten, auf die man zurückgreifen kann. Zum einen das Statut des freischaffenden Künstlers "L'artiste professionnel indépendant". Aber die meisten Musiker benutzen eher die Regelung für auf Produktionsdauer Beschäftigte, das sogenannte "intermittent du spectacle". Das ist ungefähr vergleichbar mit der Künstlersozialkasse in Deutschland, funktioniert aber doch ganz anders. Es regelt im Prinzip folgendes: Wenn du als freischaffender Künstler an der Umsetzung eines Projektes beteiligt bist und dafür eine gewisse Zeit im Jahr arbeitest, und wenn du während dieser Zeit einen bestimmten Mindestbetrag verdient hast, dann erwirbst du das Recht über einen bestimmten Zeitraum pro Jahr auch wieder Geld ausbezahlt zu bekommen, selbst wenn das Projekt bereits beendet ist. Ein sehr ähnliches Angebot existiert auch in Frankreich. Momentan wir diese Möglichkeit hierzulande noch von relativ wenigen Bands angenommen, aber es gibt immer mehr, die es anstreben. Natürlich gibt es dabei viel zu beachten.

Thomas Roscheck: Besonders wenn man an Thema Touren denkt, wird es kompliziert.

Sam Reinard: Weil du in der aktiven Zeit zu 51% in Luxemburg tätig sein musst. Eine professionelle Band spielt natürlich viel öfters außerhalb. Man kann dieses Problem aber umschiffen, indem man sich bei einem luxemburgischen Verein anstellen lässt.

Thomas Roscheck: Oder indem man einen solchen Verein oder ein kleines Gewerbe selbst gründet. Man geht dann für diesen Verein auf Tour, der aber natürlich seinen Sitz in Luxemburg hat.

Thomas Roscheck: Neben den genannten Dingen gibt's natürlich weitere private und staatliche Fördermöglichkeiten und Initiativen. Zum Beispiel kann man bei music:LX, dem Luxemburger Exportbüro, Tournee-Unterstützung beantragen. Außerdem gibt europäische Fundings, internationale Fundings über andere Strukturen des Staates Luxemburg etc. etc. – ich will es mal so sagen: Wenn du ein Projekt hast, das du wirklich voll angehen willst, dann findest du auch Möglichkeiten dafür die notwendige Unterstützung zu erhalten.

"Die Verbindung zur Basis darf man niemals verlieren"

Diskussionsrunde auf der Sonic Visions Konferenz 2013, von links nach rechts: Caroline Bottomley (Radar Music), Jan Clausen (Factory 92), Tim Renner (Motor Entertainment), Benji Rogers (Pledge Music)

Diskussionsrunde auf der Sonic Visions Konferenz 2013, von links nach rechts: Caroline Bottomley (Radar Music), Jan Clausen (Factory 92), Tim Renner (Motor Entertainment), Benji Rogers (Pledge Music), © rockhal.lu

Backstage PRO: Was sind aus eurer Erfahrung heraus die entscheidenden Stellschrauben, wenn man vergleichbare Förderprogramme auf die Beine stellen wollte?

Thomas Roscheck: Das wichtigste ist, dass man die Nachhaltigkeit denkt. Eine Tropfenförderung nach dem Motto "mal hier mal da" wird nicht funktionieren. Es sollte mindestens ein mittelfristiges Konzept vorhanden sein. Denn erst nach einiger Zeit kommt man an jenen Punkt, an dem man seine Anfangsinvestitionen argumentativ belegen kann. Die Zeitspanne, innerhalb derer man einzelne Maßnahmen validiert, muss einfach angemessen sein.

Sam Reinard: Das kann ich nur unterstreichen. Strategie und Geduld sind zwei ganz entscheidende Sachen. Durch die Strategie planst und schaust du voraus und mit der Geduld kommt die notwendige Ausdauer und Energie. Man darf ja auch nicht vergessen, dass man es mit Menschen zu tun hat – mit Musikern noch dazu! Da läuft nicht immer alles exakt nach Plan. Man muss flexibel genug sein, um von Zeit zu Zeit auch eine Korrektur vorzunehmen.

Backstage PRO: Seht ihr Luxemburg als einen Impuls- und Beispielgeber, was solche Maßnahmenpakete im Kulturbereich angeht?

Sam Reinard: Es ist immer so, dass eine Eins-zu-Eins-Übertragung solcher Modelle kaum funktionieren wird. Wir können hier zum Beispiel nicht einfach übernehmen, wie es in Mannheim funktioniert, genauso wäre das umgekehrt wahrscheinlich auch nicht möglich. Man darf nämlich niemals die Verbindung zur Basis vor der eigenen Haustür verlieren. Und da hat doch jede Region ihre eigenen Spezialitäten. Es geht deshalb eher darum, die natürlichen Prozesse vor Ort zu unterstützen, als künstlich etwas hinein zu pflanzen.

Thomas Roscheck: Richtig! Es ist keinesfalls Sinn und Zweck die ganzen Aufgaben selbst zu übernehmen. Da muss sich vieles einfach an der Basis entwickeln. Ein Stichwort hierbei ist "Generationen": Hier sind die jungen Bands zum Beispiel bereits die zweite oder dritte Generation, seit es die Rockhal gibt. Die ticken natürlich schon ganz anders, sind anders groß geworden. Man muss ein bisschen darauf setzen, dass die ganz Jungen all das anders rezipieren, was man da über Jahre aufgebaut. Tatsächlich gibt es ja dieses andere Selbstverständnis als Musiker, als Künstler – das ist eine veränderte Kultur: Die heutige Musikszene ist lebendiger und diversifizierter, so empfinde zumindest ich das. Es gibt mehr Bands als früher und gleichzeitig agieren diese auf einem höheren Level der Professionalität.

Sam Reinard: Die jungen Bands fangen auch viel früher mit allem an. Wir sind sehr gespannt was in Zukunft dann noch draus wird!

"Wir bringen Profis hierher"

Publikum beim Sonic Visions 2013

Publikum beim Sonic Visions 2013, © rockhal.lu

Backstage PRO: Das werden wir auch sehr gerne weiter beobachten! Die nahe Zukunft ruft am 21. und 22. November 2014 wieder zur Sonic Visions. Seit 2008 läuft dieses Event nun schon.

Thomas Roscheck: Wir sind mit der ganzen Entwicklung definitiv sehr zufrieden. Und die geht kontinuierlich weiter, sowohl auf der Seite des Festivals als auch auf Konferenz-Seite. Beim Festival konnten wir 2013 mit den Bands noch eine Schippe drauflegen. Das würden wir dieses Jahr gerne noch einmal schaffen, obwohl für beide Teile unser Ziel eher generisch ist, was heißt wir wollen nicht so sehr explosionsartig wachsen. Wir wollen eher alles in dem übersichtlichen Rahmen behalten, den wir jetzt haben. Von den Kapazitäten her sind wir ja etwas limitiert, aber vor allem war unser Eindruck immer, auch im Vergleich mit anderen Konferenzen, dass hier besonders wenige Synergien verloren gehen. Die Hauptsache ist schließlich, dass der Austausch zwischen den Teilnehmern gut funktioniert.

Backstage PRO: Was werden die diesjährigen Themen sein?

Sam Reinard: Der Fokus wird auf der Großregion liegen, um entsprechende Kontakte auszubauen. Über verschiedene Projekte sind wir auf europäischem Niveau sehr gut vernetzt. Ein Beispiel ist "Multipiste", worüber Bands durch alle Länder auf die Bühnen geschickt werden. Aber insgesamt kann man das alles noch ein gutes Stück weiter treiben, besonders mit Blick auf die zahlreichen internationalen Venues.

Backstage PRO: Wo sortiert ihr euch denn ein im Vergleich zu anderen Konferenzen, die man eventuell vergleichen könnte? Beispielsweise dem Reeperbahn Festival?

Thomas Roscheck: Wir sind definitiv kein Reeperbahn Festival oder Eurosonic. Und wir wollen auch keins sein. Zum einen sind wir nicht in Hamburg oder Paris oder einer anderen europäischen Metropole, sondern in Esch-sur-Alzette (lacht). Das spielt aus verschiedenen Gründen eine große Rolle! Wir sind nicht Teil eines urbanen Ballungszentrums oder eines Zentrums der Musikindustrie- Unser Ansatz kommt daher aus einer ganz anderen Ecke: Bedingt durch unsere Lage sehen wir das Sonic Visions, die Rockhal und "Music and Resources" immer im Verbund damit, was Luxemburg umgibt. Das Einzugsgebiet was Konzerte betrifft besteht zum Beispiel neben Luxemburg auch zu etwa gleichen Teilen aus Deutschland, Frankreich und Belgien. Das gilt auch für Sonic Visions, dort geht es sogar weit darüber hinaus. Und auch "Music & Resources" hat zwar den Fokus auf der Förderung der nationalen Musikszene, aber  – Gott sei Dank! – die Grenzen in Europa verlieren nach und nach an Bedeutung und so ist alleine die Definition, wer jetzt eine Luxemburger Band ist und wer nicht, auch nicht immer ganz eindeutig. Diese Internationalität, die auch unseren Alltag hier in der Region mitbestimmt, ist ein prägender Faktor nicht nur für die Rockhal sondern vor allem auch für Sonic Visions als Musikkonferenz und -Festival.

Sam Reinard: Unser Slogan ist ja "It's all about the artist". Die Konferenz hat immer international relevante Themen, nimmt dabei aber immer auch Bezug zu regionalen Problemstellungen und zur lokalen Künstlerszene. Wir bringen Profis hierher, die normalerweise nicht kommen würden und ermöglichen damit vielfältige Kontakte und Austausch für die hiesige Szene.

Backstage PRO: Hören wir da etwa eine Einladung heraus? Wir nehmen an und kommen gerne wieder. Vielen Dank für eure Zeit!

Liebe Community!

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Unternehmen

Rockhal

Veranstalter in 4361 Esch / Alzette

SONIC VISIONS

MUSIC CONFERENCE & FESTIVAL

Veranstalter in 4361 Esch / Alzette

Personen

Thomas Roscheck

Marketing & Comm at Rockhal / Luxembourg aus Esch / Alzette Marketing bei SONIC VISIONS und bei Rockhal

Locations

ROCKHAL

ROCKHAL

5 Avenue du Rock'n'Roll, 4083 Esch-sur-Alzette

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