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"Man muss sich fragen, ob der Job für immer finanziell trägt"

"Mein Plan B": Interview mit Frank Dapper, Drummer bei PUR und Business-Coach für Musiker

Interview von Martell Beigang
veröffentlicht am 17.10.2017

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"Mein Plan B": Interview mit Frank Dapper, Drummer bei PUR und Business-Coach für Musiker

Frank Dapper. © Carsten Klick

Nur wenige Musiker leben davon, ausschließlich mit ihrer eigenen Musik auf der Bühne zu stehen. Für die meisten Profis besteht ihr Job aus ganz unterschiedlichen Facetten. In unserer Serie "Plan B" stellen wir euch Kollegen vor, die interessante Nischen besetzen. Heute: Frank Dapper (41), Drummer bei PUR und Business-Coach für Musiker.

Ein Termin mit ihm zu bekommen war nicht ganz leicht, aber jetzt sitzt mir ein gutgelaunter Gesprächspartner gegenüber. Die Aufwärmphase entfällt komplett und wir gehen gleich mitten rein ins Gespräch.

Backstage PRO: Frank, viele kennen dich als Drummer von PUR. Wie bist du zur Band gekommen?

Frank: Alles ging relativ schnell. Ich habe Martin Ansel, den Gitarristen, Produzenten und Songschreiber von PUR vor kurzem kennengelernt. Wir haben zusammen gearbeitet und saßen irgendwann hinterher auch mal auf ein Bier zusammen. Wir waren uns sehr sympathisch. Als PUR dann irgendwann mit der Albumproduktion von "Achtung" begann, bekam ich einen Anruf, ob ich relativ zeitnah mal im Studio vorbeikommen könnte. Vier Tage später bin ich dann mit zwei Drumsets, ein paar Snares und Becken hingefahren.

Die Jungs von der Band meinten: Frank, wir haben noch nie zusammen gearbeitet, aber lass doch einfach mal zwei Songs ausprobieren. Tatsächlich haben wir dann fünf Songs komplett eingespielt an dem Tag und kurz darauf noch mal zwei. Dann passierte erstmal einen Monat lang gar nichts und dann kam wieder ein Anruf, ob ich noch zwei Songs spielen könnte. Das hat auch wieder super funktioniert und als ich gerade einpacken wollte, fragte mich die Band dann, ob ich mir vorstellen könnte fest bei PUR mitzuspielen – und zwar als festes Mitglied. Mir ist dann erstmal die Kinnlade runtergefallen.

Ohne lange zu überlegen habe ich ja gesagt.

Mein nächster Gedanke war dann natürlich: Und was ist mit Stoeckie? (Martin Stoeck hatte vorher 20 Jahre lang in der Band gespielt; Anm.d.Red.) Ich mein, ich kannte ihn auch privat und war schon sehr überrascht. Es hieß, er sei nach Norddeutschland gezogen und sie hätten gerne jemand, der in der Nähe wohnt, damit sie auch mal relativ spontan arbeiten könnten, wenn sie etwas ausprobieren wollten. Diesen "Schülerband-Approach" bei so einer etablierten Band finde ich eigentlich sehr sympathisch.

Backstage PRO: Ist es ein tagesfüllender Job, Drummer einer so erfolgreichen Band zu sein?

Frank: Wir arbeiten in Phasen, aber manchmal gibt es auch relativ spontane Gigs oder Galas. Es ist schon ein relativ exklusiver Job.

Frank Dapper

Frank Dapper, © Carsten Klick

"Es wäre der größte Fehler, jetzt alles andere zu vernachlässigen"

Backstage PRO: Kannst du da überhaupt noch andere Musik machen?

Frank: Ich probiere es einfach. Und ich merke dann manchmal, wie sich das andere Leute schlecht vorstellen können, dass ich neben PUR noch andere Sachen mache. Aber ich glaube, es wäre der größte Fehler, jetzt alles andere zu vernachlässigen, was ich mir die letzten 15 Jahre aufgebaut habe. Wer weiß, wie lang PUR noch touren wird. Außerdem gibt es noch soviel zu machen und zu entdecken.

Backstage PRO: Zum Beispiel das, was du gerade machst: Du hast einen Kurs bei der IHK besucht.

Frank: Die Idee hatte ich schon länger. Eigentlich wollte ich den Kurs 2015 schon machen, aber dann kam PUR dazwischen und ich hatte schlagartig zu wenig Zeit. Ich fand es immer schon ein faszinierendes Thema, wie Bands miteinander umgehen, was für ein Groove unter den einzelnen Mitgliedern herrscht. Ich selbst habe mit unzähligen verschiedenen Bands gespielt und irgendwann drängte sich mir die Frage auf:

Warum funktioniert das bei bestimmten Bands und bei anderen nicht?

Und immer wieder kam ich auf das Thema zurück, wie die einzelnen Beteiligten miteinander umgehen. Für manche klingt das fast schon esoterisch, wenn man darüber nachdenkt, wie Bands gemeinsam fühlen und schwingen, aber am Ende geht es darum, dass man sich in der Band wohlfühlt. Wenn man zum Beispiel gerne miteinander abhängt, dann ist das schonmal ein Riesenvorteil und ich glaube, dass das Publikum genau so etwas voll mitbekommt:

Das Publikum checkt mehr als man denkt! Ein gutes Konzert ist soviel mehr als die Musik, die eine Band spielt. Viel wichtiger ist es, dass die Band ihre gemeinsame Freude rüberbringt.

Backstage PRO: Und das klappt nicht bei allen Bands?

Frank: Grundsätzlich sind wir als Musiker ja privilegiert, weil wir meist von netten Menschen umgeben sind. Trotzdem gibt es Bands, bei denen es ordentlich hakt und es starke Spannungen unter den Musikern gibt. Ich hab mich gefragt, an welchen Schrauben man drehen müsste, um solchen Bands zu helfen, um sie wieder in einen positive Richtung zu bekommen. Bands mit solchen Problemen wünschen sich womöglich einen Coach, mit dem sie darüber sprechen können, jemand der erkennt, was da los. Deshalb habe ich diese Ausbildung begonnen.

Backstage PRO: Also ein Coach, der eher für die Bandatmosphäre zuständig ist?

Frank: Absolut. Das was ich anbieten möchte geht stark in Richtung Mediation. Bei Bands ist manchmal gar nicht ganz klar, wer zwischenmenschlich welche Position innehat, vielleicht sogar unfreiwillig. So Sachen zu erkennen, fällt einem Außenstehenden viel leichter. Wenn man selbst aus dem Metier kommt, so wie ich, kann man dann bestimmte Konstellationen besser einordnen und die richtigen Tipps geben.

"Unter uns Musikern gibt es doch auch manchmal Sensibelchen, große und kleine Egos"

Backstage PRO: Darf ich fragen, wer dazu bereit ist deine Dienste in Anspruch zu nehmen und dafür Geld zu bezahlen? Bands haben doch sicher oft zu wenig, um sich so etwas zu leisten.

Frank: (Lacht) Dieses Angebot kann und will natürlich nicht jede Band in Anspruch nehmen. Es gibt aber auch viele staatliche Orchester, Rundfunkorchester oder auch Orchester aus dem Bereich Musical und Theater, die einen hohen Anspruch daran haben, dass das Team einen positiven, motivierten Umgang miteinander pflegt. Schlechte Laune überträgt sich umgehend auf die Leistung. Dauerhaft kann sich das ein subventioniertes Orchester nicht leisten. Bedarf gibt es da, wo viele unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichem Background und Ansprüchen aufeinandertreffen.

Sind wir ehrlich, unter uns Musikern gibt es doch auch manchmal Sensibelchen, große und kleine Egos, und Privates wird mit auf die Bühne geschleppt. So entstehen oft Spannungen aus ganz unmusikalischen Gründen. Aber ich möchte gerne unter Beweis stellen, dass so etwas bezahlbar ist ohne Dumpingpreise aufzurufen. Zudem ist bei vielen Bands Geld für alles Mögliche da, aber selten für Hilfe von Außen.

Kennst du den Dokumentar Film über Metallica "Some Kind of Monster"? Da sitzt bei denen auch die ganze Zeit ein Psychologe mit im Studio, damit die sich nicht die Köpfe einschlagen. Ich selbst hatte vor drei Jahren mal mit einer Band zu tun, bei der es kommerziell sehr gut lief. Sie hatten ausverkaufte Konzerte in Tausender-Hallen und viele Fans. Aber die Band stand kurz vor der Trennung. Es gab zwei Alphatiere, die einfach nicht klarkamen. Die haben sich dann auch Hilfe geholt und es hat funktioniert. Also ich sehe da einen großen Bedarf.

Bands sind manchmal wie kleine Kinder oder wie alternde Ehepaare.

Frank Dapper

Frank Dapper, © Carsten Klick

Backstage PRO: Hast du in deinem "neuen Job" schon viele Aufträge angenommen?

Frank: Nein, dafür ist das alles noch zu frisch. Wie gesagt waren wir gerade mit PUR wieder sehr busy. Ich hab die Ausbildung erst dieses Jahr absolviert und beginne gerade mich auf dem Markt zu zeigen. Als du anriefst, war ich gerade dabei mir ein Xing-Profil anzulegen.

Backstage PRO: Die Industrie- und Handelskammer ist ja eigentlich nicht gerade der Rahmen, den man sich für eine psychologische Ausbildung vorstellt. Wie genau heißt der Kurs, den du da belegt hast?

Frank: Business-Coach. Dabei geht es eigentlich mehr um geschäftliche Aspekte. Aber eben diese sind ja im Musikbusiness genau so wichtig.

Ich möchte da einen Bogen zwischen allen Aspekten schlagen und  mich mit allen relevanten Fragen des Musikerlebens befassen. Bei meiner Beratung wird es auch um das entsprechende Marketing gehen, um Businesspläne oder Hilfe bei Entscheidungsfindungen. Meine Abschlussprüfung zum Beispiel hatte ich mit einem Klienten, der kurz davor war seinen gut bezahlten Job in einer Werbeagentur zu kündigen, um hauptberuflich Musik zu machen. Ich konnte ihm Mut machen und so gut beraten, dass es für ihn gerade richtig gut läuft. Marketing spielt dabei natürlich eine große Rolle.

Um meinen Job am Ende gut zu machen, hilft mir neben meiner Ausbildung natürlich genauso meine Erfahrung als Musiker, aber so ein Schein stellt natürlich auch eine gewisse Legitimation dar.

Backstage PRO: Wie umfangreich war der Kurs?

Frank: Ich habe in einem Monat etwa 160 Stunden Unterricht gehabt und dazu noch einen hohen Selbstlernanteil absolviert. Während der Zeit war ich zudem nach den Kursen oft mit den Dozenten abgehangen, sodass ich da noch viel mitgenommen habe. Es war eine sehr interessante Zeit.

"Manchmal bin ich als Familienvater hin- und hergerissen"

Backstage PRO: Was war deine Motivation, neben deinem Job als Musiker noch etwas völlig anderes zu machen?

Frank: Ich genieße an meinem Job als Musiker sehr die Freiheit. Ich empfinde es als Privileg, mit meinen Kindern mittags zum Arzt gehen zu können – das kann nicht jeder mit einem 9 to 5 Job! Dafür bin ich dankbar.

Aber manchmal bin ich als Familienvater auch hin- und hergerissen und wünsche mir einen bodenständigeren Job. Eine gewisse Routine im Alltag wäre manchmal nicht verkehrt. Man wünscht sich wahrscheinlich immer genau das, was man gerade nicht hat. Inzwischen kann ich mir beide Lebensformen vorstellen. Mit einem "normalen" Job könnte ich ja am Wochenende immer noch Drums spielen.

Langfristig muss man sich als Musiker immer fragen, ob der Job für immer finanziell trägt. Selbst bekannte Drummer aus den USA, die ich kennengelernt habe, müssen manchmal schauen, wie sie ihr Geld zusammenkriegen. Es wird ja nichts günstiger: Der Wohnungsmarkt ist überteuert. Gerade ist bei mir ein neues Auto fällig,... Ich frage mich schon manchmal, ob es in 20 Jahren immer noch geil ist, jeden Job als Schlagzeuger annehmen zu müssen. Darum schaue ich immer nach links und rechts.

Backstage PRO: Ein Coach für Bands zu sein, das ist aber auch ein eher freiberuflicher Job?

Frank: Klar, aber man kann es immerhin tagsüber machen. Ich arbeite gerne mit Menschen. Mit Kindern Musik machen ist auch großartig. Das habe ich letztens im Kindergarten gemacht und jetzt, wo meine Kinder in die Schule kommen, werde ich das dort auf jeden Fall auch anbieten. Ich glaube das ist sehr wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben Instrumente und die Welt der Musik kennenzulernen.

Backstage PRO: Vielen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg mit all deinen Plänen!

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