Auletta

Auletta © EMI

Der Sommer nähert sich allmählich seinem Ende, aber auf heiße Rhythmen muss deswegen noch lange nicht verzichtet werden. Das neue Album von 2 Times Wasted beweist das deutlich. Auletta schwanken auf ihrem Debüt ganz herzerfrischend zwischen "Pöbelei und Poesie", während uns Jarvis Cocker auf seinem zweiten Soloalbum von "Further Complications" berichtet und eine Zäsur vollzieht. Danny Fresh wiederum beschließt mit "Vici" eine Triologie, die sich kurzfristigen Hypes widersetzt. Gerade erst zu ihrer Reise aufgebrochen sind The Lovedrunks.

2 Times Wasted * Auletta * Jarvis Cocker * Danny Fresh * The Lovedrunks

2 Times WastedThe Wake | SPH

{image}Der Sommer nähert sich allmählich seinem Ende, aber auf heiße Rhythmen muss deswegen noch lange nicht verzichtet werden. 2 Times Wasted neuestes Album The Wake lässt jeden aufwachen und aufhorchen. Die sechs Jungs aus dem Westerwald spielen alles, was irgendwie zwischen klassischem Ska-Punk und Skacore liegt. 2 Times Wasted erweisen sich als sehr spielfreudig und haben ihre Instrumente perfekt im Griff, und zwar so perfekt, dass man unweigerlich lostanzen und feiern möchte, sobald man nur den ersten Titel Resist Convenience gehört hat. Eingängige Bläsermelodien wechseln sich mit melodiösem Gesang und harten Shouts ab. Trotz der stimmungsvollen Musik und der Einladung, damit den Sommer noch einmal in vollen Zügen genießen, erweisen sich die Texte doch als tiefgängig und zeigen den Anspruch der Band, sich als ernsthafte Künstler zu etablieren. So fordert der Song Open your Eyes dazu auf, sich mit offenen Augen darüber im Klaren zu werden, was in unserer Welt falsch läuft und dagegen anzukämpfen. Trotzdem gelingt ihnen der Spagat zwischen Unterhaltung und künstlerischem Anspruch auf ganzer Linie und auch die Ska-Neuinterptretation des Schlagers Mexico kann voll überzeugen. 2 Times Wasted sind einfach erfrischend anders, bleiben ihrem Musikstil aber treu und ziehen konsequent ihr Ding durch. Davon kann ihre Musik nur profitieren, und das macht aus The Wake ein wirklich hörenswertes Album.

Wertung: ++++ (Alexander Hein)

 

AulettaPöbelei & Poesie | EMI

{image}Eigentlich hätten sie eine Besprechung des Albums ja schon früher verdient, ebenso wie generell mehr Beachtung für dieses Werk. Doch da hat Jacko Auletta wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn wenn der King of Pop stirbt, dann ist kein Platz mehr für nationalen Indiepop. Pöbelei & Poesie heißt das Album der Mainzer Alex, Dan, Martin und Jush. Die 12 Songs überzeugen durch viel Liebe zum Detail. So sind z.B. Meine Stadt, Ein Engel kein König und Pöbelei & Poesie drei absolut Party- und tanztaugliche Lieder, bei denen man automatisch mitwippt, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Romantisch wird’s dann auch noch, und das in Ost-Berlin, mit dem Lied Herz von Herz oder dem sehr herzigen Blaue Blume. Als richtig großartig entpuppt sich Im Westen, das definitiv in alle Playlisten gehört und mit einer sehr schönen, musikalischen Leichtigkeit ein bißchen an der Seele der westlichen Partyjugend kratzt. Im Ganzen ist die Platte recht weich geworden und trägt eindeutige die Handschrift des Labels. Um Auletta richtig genießen und verstehen zu können, muss man sie live sehen. Dennoch ist die Platte ein gekonntes Debüt. Diese Scheibe braucht definitiv jeder, der auf deutsche Musik steht, auf Indiepop, auf Beides. Außerdem ist das Werk ein ideales Geschenk für jedes Mädchen zwischen 14 und 44, denn wenn Auletta erstmal groß draußen sind, kann man immer sagen: Ich war von Anfang an dabei!

Wertung: ++++ (Jasmin Weidner)

 

Jarvis CockerFurther Complications | Rough Trade

{image}Das zweite Soloalbum des Popdandys Jarvis Cocker während der Schaffenspause von Pulp ist da. Zuerst einmal ist Further Complications eine Zäsur, weil diese Platte deutlich mit dem Sound von Pulp bricht. Erinnerte auf Jarvis noch viel an eine der besseren Bands der 90er, so dominiert auf dem neuen Album zumeist ein trockener, rockiger Sound. Beispiele hierfür sind besonders Lieder wie Angela und Caucasian Blues. Verantwortlich zeigt sich dabei wohl auch Steve Albini als Produzent. Die Abkehr von Popkultiviertheit und –Elaboriertheit aus vergangenen Tagen war also durchaus geplant. Doch genug der melancholischen Rückblicke Vergangenheit. Further Complications hat schließlich auch etwas vorzuweisen. Die erste Single Angela schlägt direkt ein. Sehr trocken wird da das Riff gespielt und der Chor säuselt "Angela". Zauberhaft! Diese Lied kann nur ruiniert werden, falls es zur neuen CDU-Wahlkampfhymne umfunktioniert wird. Danach folgt mit Pilchard ein eher überflüssiges Instrumental. In Leftovers und I never said I was deep scheint viel Ironie, Witz und Cocker’sche Selbstdistanz durch. Schön ist auch der Big Band Sound. Leider eine Enttäuschung: Fuckingsong erinnert deutlich zu stark an das Cockersche Nebenprojekt Relaxed Muscle und kommt insgesamt etwas zu plump und wumsmäßig daher. Dagegen wird bei You’re in my eyes (Discosong) der Schmalz etwas übertrieben. Vielleicht eher was für Bee Gees Fans. Ingesamt liegt der "Pulpschatten" schwer auf den Solobemühungen von Jarvis Cocker. Doch selbst ohne diese Vergleichsgröße ist das Album nicht durchgängig auf hohem Level. Manche Lieder wirken leider etwas einfallslos, oder zumindest wenig überraschend. Der neue Stil jedenfalls ist sehr gelungen. Angela und Caucasian Blues zählen zu den Höhepunkten. Vielleicht wird das nächste Album noch konsequenter neu ausgerichtet.

Wertung: +++ (Thomas Laux)

 

Danny FreshVici | Groove Attack

{image}Mit Veni betrat 2006 Danny Fresh die HipHop-Szene in Deutschland. Mit dem Nachfolger Vidi und seiner neuesten Platte Vici macht er die Triologie vollständig. Eines zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk: Kein übliches HipHop-Geprotze, sondern Texte, die durch Cleverness und Verstand bestechen. Dieses Bestreben merkt man beim Durchhören der gesamten Platte an, besonders der deutsche HipHop und seine Oberflächlichkeit werden von Danny Fresh offen und ehrlich angesprochen. Statt dem üblichen Imponiergehabe verarbeitet Danny Fresh bewusst sozialkritische Themen. In Deutschland spricht er diese Probleme schonungslos an. Hier ist das Wort "Ghetto" keine Floskel aus dem Mund eines Möchtegern MCs mehr, der damit seine Coolness unterstreichen möchte, sondern Beweis für die Realität in unserem Land, wo mancher Jugendliche bereits mit 15 Jahren jegliche Perspektive verloren hat. Fresh zeigt auf seine Art und Weise, was wirklich zählt. In Kannst du sehen werden Verkaufszahlen der Platten nur noch zu Banalitäten. Sein eigenes Ding durchziehen und konsequent seinen Weg gehen, ohne sich von anderen dazwischenreden zu lassen, das ist das Ziel von Danny Fresh. Aber auch musikalisch macht die Platte einiges her. Manche Töne passen weniger zu dem, was man eigentlich so für HipHop hält, dafür aber umso mehr zu den Texten von Danny Fresh. Ein bisschen Soul und etwas Clubsound reichen völlig aus, um seine Lyrics auf eindrucksvolle Weise zu untermalen, ohne vollkommen von HipHop-Roots abzuweichen. Frisch und abwechslungsreich thematisiert Danny die Belanglosigkeit und die Themenarmut im deutschen Rap – höchst ironisch gelingt ihm dies in Zahl nix dafür. Dass es genug Themen gibt, die Menschen berühren und auch im Rap eindrucksvoll musikalisch aufgearbeitet werden können, das beweist der Song Was kann dieser Tag ändern, der auf den Amoklauf in Winnenden eingeht. Danny Fresh überzeugt hier auf ganzer Linie, so sehr, dass der Song sogar zum Mottosong des Aktionsbündnisses der Hinterbliebenen des Amoklaufs auserkoren wurde. Vici ist ein hörenswerter Zeugnis von Rap, der mehr sein will: Kunst satt zeitweiliger Musiktrend.

Wertung: ++++ (Alexander Hein)

 

The Lovedrunks – "Light Bulbs Explode" | Mainshore Music

{image}Nicht selten übertreiben Pressetexte, besonders im Musikgewerbe, aber bei diesen vier Jungs stimmt es dann doch: Auf ihrem ersten vollwertigen Album Light Bulbs Explode klingen The Lovedrunks mal "wie eine Folktruppe, beim nächsten Lied aber schon wieder wie Brit-Popper". Insgesamt wirkt das aber nicht überanstrengt, wie man vielleicht denken könnte, sondern in sich schlüssig und (beinahe) nahtlos ineinander übergehend. Dieser Eindruck mag auch davon kommen, dass man der Band deutlich anhört, wo ihre musikalischen Vorbilder zu verorten sind. Die Einflüsse reichen von Conor Oberst über Jimmy Eat World hin zu My Morning Jacket und weit darüber hinaus, wobei man die Rüsselsheimer Band auch hier wieder nicht zu vorschnell vorverurteilen darf. Eigene Ideen sind reichlich vorhanden, für deren Entwicklung die Band seit ihrer Gründung 2004 auch reichlich Zeit hatte. Wohl auch um diese Entwicklung deutlich zu machen, finden sich ein paar ältere Songs einer früheren EP mit dem immer passenden Titel Let's Focus on the Present auf dem neuen Album. Leider sind diese Stücke aber auch die weniger Gelungenen, 16bit Analog Love markiert sogar den Tiefpunkt der Platte und schwächt den ansonsten guten Eindruck etwas. Dafür ist beispielsweise Monsters viel stärker und schafft einen wirklich guten Abschluss des Albums, der den Hörer sanft aus dem Klangraum der Lovedrunks entlässt. Das alles würde jetzt ganz locker für drei Punkte oder mehr reichen, hätte die Platte nicht einen großen und entscheidenden Makel, der der ganzen Geschichte leicht den Spaß nimmt: So sacken die Lovedrunks mit ihren Texten leider in schlimmstes Schlager-Englisch ab, das mit dem Holzhammer auf Reimschema getrimmt wurde. Hier bitte beim nächsten Mal entweder nachbessern, oder vielleicht doch auf die Muttersprache wechseln. Zurück bleibt am Ende aber ein gutes Album, das einige kleine Baustellen vorzuweisen hat. Wir glauben aber auch, dass diese Band noch eine spannende Reise vor sich hat, deren Anfang man sich mit Light Bulbs Explode anhören kann und sollte.

Wertung: ++ (Stefan Berndt)

 

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"