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Kunst für Kleingeld, Teil 2

Straßenmusik in und um Deutschland: Wie du erfolgreich bist und Geld verdienst

Tipps für Musiker und Bands von Enrico Hiller
veröffentlicht am 05.05.2017

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Straßenmusik in und um Deutschland: Wie du erfolgreich bist und Geld verdienst

Kunst für Kleingeld: Welche Faktoren bestimmen erfolgreiche Performances?. © Paul Traeger Photography

Was macht eine erfolgreiche Straßenmusik-Performance aus? Wie findet man die besten Spots und wann sind die besten Spielzeiten? Gibt es weitere Erfolgsfaktoren neben der eigentlichen Darbietung? Im zweiten Teil von "Kunst für Kleingeld" stellen wir einige Faktoren erfolgreicher Straßendarbietungen vor und geben dir ein paar nützliche Praxistipps, mit denen du nicht nur deine Einnahmen, sondern auch Ausdauer und Spaßfaktor beim Busken erhöhen kannst.

→ Teil 1 verpasst? Kein Problem, lies hier alles über Regeln, Genehmigungen, Auflagen und Besonderheiten bei Straßenmusik in und um Deutschland.

Erfolgreiche Performances

Die passende Stadt ist gefunden, das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und die Leute tummeln sich nur so in Fußgängerzonen und Einkaufsmeilen. Trotz bester Bedingungen ist es bei weitem kein Kinderspiel, dem flanierenden Publikum mehr als nur ein paar Euro zu entlocken. Wie bei so vielen Dingen, hängt Erfolg auch hier von Erfahrungen ab, die viele Straßenmusiker erst im Laufe der Zeit sammeln konnten.

Straßenmusik ist ein Geschäft, das von Aufmerksamkeit und Sympathie lebt:

  • Je mehr Menschen du erreichen und unterhalten kannst, desto üppiger fallen Applaus und Einnahmen aus!

Allein hieraus lassen sich schon einige, wichtige Kriterien für deine Darbietung ableiten. Erfolgreiche Straßen-Performances sind in aller Regel:

  • gut hörbar
  • (visuell) auffällig   
  • positiv, originell und unterhaltsam
  • in regem Kontakt mit dem Publikum

Wer sich an diesen vier Punkten orientiert, kann mit ein wenig Selbstkritik vielleicht schon die ein- oder andere Stellschraube bei sich ausfindig machen. Aber gehen wir doch hier ein bisschen mehr ins Detail…

Lautstärke

Die Lautstärke ist wohl der entscheidendste Punkt, wenn es darum geht Passanten im öffentlichen Raum auf sich aufmerksam zu machen. So musst du dir schon etwas einfallen lassen, um im Tumult einer Großstadt am Samstagnachmittag Gehör zu finden.

  • Da auch im Freien die Gesetze der Akustik gelten, sind hohe Töne bei gleicher Lautstärke wahrnehmbarer als tiefe, da sie weniger Energie benötigen, um sich auszubreiten. Mach dir diesen Effekt zu Nutze, solange es Instrument und Stimmbänder hergeben.
  • Nicht immer ist die Originaltonart eines Songs auch die beste für deine Stimme. Als Sänger solltest du daher mit unterschiedlichen Tonarten experimentieren, um das lauteste Register deiner Stimme nutzen zu können.
  • Auch für nicht singende Instrumentalisten hat die Tonhöhe einen Einfluss darauf, wie weit ihre Musik hörbar ist.

Laut zu sein, bedeutet nicht immer einen guten Sound zu haben. Die unmittelbare Umgebung in der du spielst, trägt entscheidend dazu bei, wie gut sich deine Songs inmitten der Stadtgeräusche durchsetzen und wie sich der Klang entfalten kann:

  • Weitläufige Plätze bieten zwar viel Publikum, sie sind jedoch wesentlich schwerer zu beschallen als Orte, die räumlich begrenzt sind.
  • Schallreflektionen sorgen für warmen Klang und Sustain. Arkaden und andere überdachte Bereiche sind deshalb Ideale Orte, wenn du auf der Suche nach einem guten Sound ohne elektrische Hilfsmittel bist.

Sichtbarkeit

Auch die visuelle Komponente solltest du bei deiner Performance im Blick haben. Wer den Mut hat auffällig zu sein oder seinen Spielort sinnvoll zu gestalten, wird Blicke ernten und Interesse generieren, mitunter bevor die Musik überhaupt hörbar ist.

Auch dein Koffer, Hut oder sonstiger Kleingeldbehälter sollte auffällig genug und leicht erreichbar sein, um vom Publikum wahrgenommen und genutzt zu werden. Mit ein bisschen Deko kannst du deinen Spot einladender gestalten und deine Zuhörer zum Bleiben ermuntern.  

Set-List

Hast du die Aufmerksamkeit erst einmal gewonnen, gilt es, deinen Zuhörern ein positives Gefühl zu vermitteln und sie mit der Begeisterung für deine Musik anzustecken. Abhängig von deinem Repertoire hast du die Möglichkeit verschiedene Emotionen bei deinen Zuhörern auszulösen.

Eine Pauschalantwort auf die Frage nach der perfekten Set-List für die Straße, getreu nach dem Motto "Ein bisschen 'Wonderwall' hier, ein wenig 'Country Roads' dort und schon rollt der Rubel" gibt es leider nicht.

  • Positive Vibes verkaufen im Allgemeinen sich besser als ein Trauerspiel. Versuche deshalb die Stimmung des Publikums bei der Auswahl deiner Stücke im Hinterkopf zu behalten.
  • Das heißt natürlich nicht, dass ein sentimentaler Love Song generell schlechter funktioniert als eine Uptempo-Partynummer. Die eigenen Erfahrungen sind hier Gold wert und mit der Zeit wirst du herausfinden, welcher Song zu welcher Situation am ehesten passt.
  • Coverversionen bekannter Klassiker oder aktuellen Charthits sind geradezu ein Erfolgsgarant, denn wer Musik für die breite Masse spielt, wird in selbiger auch Anklang finden. Wenn du darüber hinaus noch deine eigene Note mit einfließen lässt und die Zuhörer mit bekannten Stücken in originellem Gewand zu überraschen weißt, wirst du mit Sicherheit auf offene Ohren und amüsierte Gesichter stoßen.   
  • Nicht jedem Musiker liegt jeder Song gleichermaßen gut, zumal sich auch nicht jeder mit fremden Federn schmücken möchte. Dennoch sind Coversongs (wie sollte es auch anders sein) der leichtere Weg, um schnelle Erfolge bei der Straßenmusik zu erzielen.

Wenn du selbst schreibst und komponierst, hast du in der Fußgängerzone eine super Gelegenheit dich von der Wirkung deiner Songs zu überzeugen und Echtzeit-Feedback von unbeteiligten einzuholen.

Animation und Dialog

Egal ob du nun Cover- oder deine eigenen Songs spielst, ohne Kontakt zum Publikum lässt du dir eine Menge des Potentials der Straßenmusik entgehen: Wer es versteht, die Menschen um sich in die Performance einzubinden, sie zum Tanzen und Mitsingen anzuregen oder sogar die ein oder andere Songtextzeile auf sie zu beziehen, wird massenhaft Sympathiepunkte sammeln und ekstatische Gruppenerfahrungen machen, was sich auch in Sachen Zahlungsmoral bemerkbar macht.

Moderationen, Witze und andere humoristische Einlagen sind Wege, um mit deinen Zuhörern in einen Dialog zu treten. Die eigene Scham über Bord zu werfen kann mitunter etwas Überwindung kosten, zahlt sich aber aus. Fremde Städte, in denen du nicht von Freunden, Familie oder Kollegen erkannt wirst, sind deshalb eine gute Wahl zur Erprobung deiner Entertainer-Skills.      

Der perfekte Spot

Geeignete Spots zum Musizieren zu finden ist nicht immer einfach. Städte sind laut, nicht selten dreckig und die besten Plätze sind meistens schon besetzt. Nicht immer aber sind es die größten Locations und längsten Einkaufspassagen, an denen Straßenmusik richtig gut funktioniert. Die Anzahl vorbeiziehender Menschen ist zwar wichtig, ohne eine geeignete Akustik, gute Sichtbarkeit und eine einladende Atmosphäre jedoch nicht viel wert.

Oft sind es gerade die Nebenstraßen der Flaniermeilen oder angrenzende Grünflächen, an denen dein Publikum bereit ist, länger zu bleiben und deine Kunst zu bewundern. Eine große Stadt ist auch nicht immer die beste Wahl für Straßenmusiker, da hier strengere Regeln (hierzu mehr in Teil I) herrschen und das Publikum mitunter etwas verwöhnt.

Der perfekte Spot für Straßenmusik wäre demnach ein Platz, der für Publikum und Künstler gleichermaßen einladend ist. Leider findet man selten einen Ort, an dem einfach alles stimmt. Trotzdem kannst du bei deiner Suche auf folgende Merkmale achten:

  • Wie bereits erwähnt, findest du die beste Akustik für unverstärktes Musizieren überall dort, wo Häuserwände und (teil-) Überdachungen für Reflektionen des Schalls sorgen.
  • Erhöhungen wie Treppen oder Bordsteine bieten Gelegenheit, schon von weitem sichtbar zu sein und die Schallquelle deines Instruments näher an den Ohren der Passanten zu positionieren.
  • Der Lärmpegel am Platz deiner Wahl sollte so gering wie möglich ausfallen, denn angrenzende Baustellen und spontane Soli von Presslufthämmern haben schon so manchem die Show versaut.
  • Neben den akustischen Vorteilen, sollte es auch was fürs Auge geben, zum Beispiel eine Grünanlage oder eine sehenswerte Altstadtkulisse.
  • Müll und Gestank sind absolute Performance Killer und im Zweifelsfall solltest du, soweit möglich, selbst Hand anlegen, um Unschönes aus der Wahrnehmung deines Publikums zu entfernen.
  • Bänke und andere Sitzgelegenheiten sind hervorragende Minibühnen. Der Nachteil ist allerdings, dass du deinen Zuhörern damit ein gemütliches Plätzchen nimmst, an dem sie deinem Schaffen entspannt folgen können.
  • Stellen, an denen sich Straßen verjüngen, führen Passanten unweigerlich an dir vorbei. Selbiges gilt auch für Kreuzungen und Unterführungen.

Abgesehen von diesen Merkmalen sind manche Spots zu bestimmten Tageszeiten ein echter Bringer:

  • Der Außenbereich von Straßencafés ist um die Nachmittagszeit und am Abend immer einen Versuch wert.
  • Nicht weniger lukrativ kann es dort sein, wo Menschen Wartezeit verbringen müssen oder für etwas Schlange stehen. Einer Gruppe von Touristen, die auf den Beginn ihrer Stadtführung wartet, wirst du sicherlich ebenso gelegen kommen, wie einer Traube Menschen, die an einem heißen Sommertag für ein Eis ansteht.

Oft ist es hier nur eine Frage des richtigen Timings:

  • Viele Straßenmusiker nutzen besonders die Vor- und Nachmittage sowie die frühen Abendstunden und berichten von den besten Einnahmen in diesem Zeitraum.
  • An Wochenenden sind die Menschen besonders spendabel, die Konkurrenz durch andere Straßenkünstler aber gleichermaßen hoch.
  • Eine weit verbreitete Faustregel ist, dass der Rubel am Monatsanfang besser rollt als am Ende.
Astra Van Nelle & der lorbeerstorch (Straßenmusikfestival 2016)

Astra Van Nelle & der lorbeerstorch (Straßenmusikfestival 2016), © Felix Huth

Straßenmusiker Voodoo

So manche Erfahrung, von der passionierte Straßenmusiker berichten, wird gern mal als "Voodoo" oder "Ammenmärchen" abgetan. Wie viel Wahrheitsgehalt hinter solchen Phänomenen steckt, wirst du dir jedenfalls nur herausfinden, wenn du es selbst probierst. Hier sind einige Beispiele:    

Der "Karma Coin":

Ein leerer Koffer bleibt länger leer. Vielleicht ist die Message "ich spiele für Kleingeld!" ohne den Blick auf ein paar Münzen einfach nicht direkt genug, um die Menschen zur Spende zu ermutigen. Schmeiß also immer etwas eigenes Kleingeld in den Koffer bevor du anfängst – es hilft.

Der "Antanzer-Effekt":

Die Session beginnt und schon nach wenigen Sekunden ist klar, ob es eine gute oder eher schlechte Runde werden wird. Man spürt, ob sich die Leute für die Darbietung interessieren. Zunächst sieht es nicht so aus. Plötzlich kommt ein ambitionierter Passant vorbei, der sich dazu hinreißen lässt zu tanzen. Keinen halben Song später sind ihm einige andere gefolgt und man befindet sich umgeben eines ausgesprochen ausgelassenen Publikums wieder.

Den Effekt musst du natürlich nicht dem Zufall überlassen. Wenn du Freunde, die für die nötige Stimmung sorgen, in deine Sessions integrierst, lassen sich ziemlich sicher auch unbekannte dazu hinreißen.     

Die "Traube":

Hat man einmal einen Kreis aus 10 Zuhörern oder mehr um sich formatiert, ist es durchaus möglich, dass schon bald eine weitaus größere Traube von musikaffinen Passanten heranreift. Das Ganze hat Ähnlichkeit mit dem Phänomen, wenn man auf öffentlichen Plätzen auf ein nicht vorhandenes Objekt in der Luft zeigt. Die grundlegende Neugier scheint dafür zu sorgen, dass immer mehr Menschen herbei strömen, um sich ein Bild vom so vielzählig bewunderten Ereignis zu machen.

Der Knackpunkt dabei ist allerdings, dass bereits kurze Unterbrechungen dafür sorgen könne, dass sich die Traube wieder auflöst. Wichtig ist deshalb, dass du auf mögliche Unterbrechungen vorbereitet bist und auch etwas im Petto hast, um Zwangspausen zu überbrücken (eine á Capella Nummer, eine skurrile Geschichte etc.).

…to be continued

Derartig authentische Erlebnisse gehören wohl zu den schönsten Erfahrungen, die man als Musiker machen kann und erklären, warum Kleinkunst im Bild deutscher Städte fast schon nicht mehr wegzudenken ist. Auch in den Nachbarländern wird fleißig musiziert und nicht wenige Künstler touren, ob allein oder im Kollektiv, durch die Metropolen Europas. Selbstorganisiert und oftmals ohne üppiges Reisebudget.

Ein solches Künstler-Kollektiv wird euch in dieser Artikelserie von ihren Erlebnissen und Erfahrungen beim Busken im angrenzenden Ausland berichten. Zudem geben wir euch noch einige Tipps zum Equipment.

Bleibt dran und lest auch über Regeln, Genehmigungen, Auflagen und Besonderheiten bei Straßenmusik in und um Deutschland!

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