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Freundschaftdienste nutzen vs. Profis bezahlen

Wie weit bringt dich DIY mit Support aus dem Bekanntenkreis und worauf musst du achten?

Tipps für Musiker und Bands von Tobias Görtzen
veröffentlicht am 29.06.2015

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Wie weit bringt dich DIY mit Support aus dem Bekanntenkreis und worauf musst du achten?

Aus Erfahrung: Versenker-Bassist Tobias Goertzen beantwortet die Frage "Was ist besser?": Freundschaftdienste oder Profis bezahlen?. © Die Versenker

Das Kölner Trio Die Versenker wollte der Welt ganz im DIY-Stile zeigen, dass es auch ohne ungesunde Abhängigkeiten von der Musikindustrie vowärts gehen kann. Bassist und Autor Tobias Görtzen, der Musik und Kunstmanagement studierte, gibt aus der Erfahrung heraus seine Antwort auf die Frage danach, was besser ist: Freundschaftsdienste oder Profis bezahlen?

Egal ob Solokünstler oder Bandmitglied, alle haben das gleiche Problem: So viele Ideen und so wenig Geld. Es braucht nicht einmal eine Umfrage, um festzustellen, dass das leider die Arbeitsgrundlage von fast allen Musikern ist, die nicht gerade von ihrer Plattenfirma zehren. Aber tolle Ideen kosten im besten Fall nicht immer viel Geld. Wenn man Glück hat, finden sich im Freundeskreis motivierte und talentierte Leute, die einen unterstützen können. Es fängt meist bei dem Kumpel an, der gerne Fotos macht, oder der Freundin, die sich mit Bildbearbeitung auskennt, und geht bis zu dem Bekannten, der ein kleines Heimstudio im Hobbyraum hat und für ein paar Kröten die erste Demo eurer Band aufnehmen kann.

Die Leute im eigenen Umfeld zu überzeugen, ist oft gar nicht so schwer, wie mancher vielleicht vermutet. Musik und Musiker haben immer noch eine große Strahlkraft und viele Menschen sind gerne Teil eines Entstehungsprozesses, wenn man am Ende ein tolles Ergebnis hat. Die Idealisten werden in diesem Bereich hoffentlich nie aussterben. Doch welche Probleme können hierbei auftreten? Gibt es vielleicht auch manchmal Aufgaben, die man eventuell doch lieber in die Hände von externen Experten geben sollte? Eine klare Definition oder ein „So macht ihr das richtig und so ist´s immer falsch“ gibt es wahrscheinlich nicht, aber entscheidende Erfahrungen wollen wir hier einmal festhalten.

Erwartungshaltungen

Jeder, der an einem Projekt mitarbeitet, hat seine eigenen Erwartungen an den Prozess und das Ergebnis. Es ist wichtig, dass jeder AM ANFANG DES PROJEKTES deutlich macht, was er für Vorstellungen hat. Bei Externen gibt es dieses Problem nicht. Denn ihr erteilt einen Auftrag, der als Dienstleistung ausgeführt wird und somit muss hier „nur“ die Höhe der Bezahlung geregelt werden. Hat man bei Freunden keine klaren Absprachen getroffen, kann es vorkommen, dass man plötzlich sehr überrascht von den Erwartungen des anderen ist. Dann kann so eine Zusammenarbeit manchmal echte Freundschaften auf eine harte Probe stellen. Folgende Probleme können auftreten:

  • Es kann passieren, dass einer ab dem ersten Auftrag von einer langfristigen Zusammenarbeit ausgeht, ohne dass das so abgestimmt war. Wird ein ähnlicher Auftrag in der Zukunft an einen Anderen vergeben, begeht man, in den Augen des Freundes, einen Vertrauensbruch.
  • Die Vorstellungen der Bezahlungen können von der Realität abweichen, obwohl man den finanziellen Spielraum der Band kennt, weil man künftig von höheren Einnahmen ausgeht. Viele haben hier auch falsche Erwartungen an den finanziellen Erfolg einer Newcomerband.
  • Plötzlich möchte der Freund auch Mitspracherecht bei den kreativen Prozessen der Band haben (Songwriting, Artworks etc.) und fühlt sich gleich wie ein fester Bestandteil der Band.
  • Man erwartet eine hohe Qualität von dem gesamten Projekt, um mit dem fertigen Produkt, unter dem der Name des Freundes stehen soll, Werbung zu machen. Werden von anderen Stellen die Ansprüche an die Qualität nicht erfüllt, führt dies vielleicht zu größeren Problemen.
  • Es wird eine ganz konkrete Unterstützung für ein eigenes Projekt erwartet (eine Hand wäscht die andere). Hier kann es passieren, dass Umfang und Umsetzung der Forderungen in keinem vernünftigen Verhältnis zu der versprochenen Unterstützung des Freundes stehen.

Um die genannten Probleme zu umgehen, ist es unumgänglich, dass einige Aspekte, die im Folgenden dargelegt werden, berücksichtigt werden. Sie betreffen die Kommunikation aller Beteiligten untereinander, das Zeitmanagement und die Qualität.

Kommunikation

Für einen produktiven Arbeitsprozess ist es unerlässlich, dass die Kommunikation gut funktioniert. Um dies zu gewährleisten, steht an erster Stelle, dass es von Beginn an klare Absprachen gibt, sowohl bezüglich des Umfangs des „Auftrags“ als auch was das erwartete Ergebnis betrifft. Es muss gesichert sein, dass alle relevanten Informationen immer an alle Beteiligten gelangen. Erhält man einen Zwischenstand oder gibt es eine zu klärende Frage in puncto Projekt ist es zwingend notwendig, dass alle zügig und konstruktiv antworten.

Schlechte Kommunikation führt schnell zu Missverständnissen, Missverständnisse zu persönlichen Differenzen, persönliche Differenzen im schlimmsten Fall zum Abbruch des Projektes. Am Ende kann sogar eine Freundschaft, die vielleicht schon ein ganzes Leben lang Bestand hatte, darunter leiden. Überlegt euch daher direkt zu Beginn des Schaffensprozesses, wie die Kommunikation gestaltet werden soll und bleibt gerade bei Freundschaftsdiensten am Ball.

Zeitmanagement

Neben finanziellem Spielraum gibt es meistens noch etwas anderes, wovon wir alle zu wenig haben: Zeit. Deswegen ist besonders heutzutage ein gutes Zeitmanagement gefragt. Immerhin habt ihr eure Freunde akquiriert, die für euer Projekt arbeiten sollen und nicht selten sind diese auch anderweitig berufstätig, im Studium oder in der Ausbildung und helfen euch ausschließlich in ihrer kostbaren Freizeit. Vereinbart daher realistische Deadlines und setzt Prioritäten.

Kleinigkeiten werden oft unterschätzt und können, je näher der Abschluss des Projektes rückt, ganz schön weh tun, insbesondere wenn der Job des Freundes nach Überstunden verlangt oder andere unvorhersehbare Ereignisse Zeit und Aufmerksamkeit erfordern. Die Prioritäten eines Freundes liegen nämlich immer etwas anders als die eines Profis. Schließlich haben beide auch verschiedene Erwartungshaltungen was die Bezahlung betrifft.

Externe Experten haben den Vorteil, dass sie von Anfang an realistisch einschätzen können, wann sie mit ihrer Arbeit fertig sein werden. Da dies schon vorher in der Absprache verankert worden sein sollte, kann man, falls Probleme auftauchen, auch besser auf diese Absprache hinweisen, als bei einem seiner Freunde. Daher ist in manchen Projekten auch ein Mix sinnvoll. Bestimmte Projekte werden abgegeben, andere Projekte bleiben in eigener bzw. in der Hand eines Freundes. Aber nicht vergessen: Vorher alles abklären ;)

Qualität

Nicht jede Band ist in sich eine eierlegende Wollmilchsau. Wer das Glück hat, Tontechniker, Fotograf, Designer und auch noch echte Musiker in der eigenen Band wiederzufinden, braucht sich weniger Sorgen um die Beurteilung der Qualität zu machen. Ist man aber selbst kein Experte, ist die etwaige Qualität des Endproduktes schwer einzuschätzen.

Es bleibt ein zweischneidiges Schwert: Freunde wachsen plötzlich über sich selbst hinaus und liefern Topergebnisse ab, während Experten manchmal etwas als Ergebnis präsentieren, das überhaupt nicht dem Geschmack der Band entspricht. Andersherum passiert das allerdings genauso oft. Daher sollte man hier immer zuerst auf sein Bauchgefühl und danach auf sein Budget achten.

Fazit

Wenn die glückliche Situation besteht eine Bandkasse zu führen, die ab und zu auch für gute externe Leute geplündert werden darf, sollte man diese in wichtigen Fällen nutzen. Manchmal gibt es auch Situationen, in denen man Leute benötigt, die nicht in einem direkten Umfeld von einer Person zu finden sind. Dann ist man gezwungen „Externe“ anzufragen.

Das eigene Netzwerk bleibt aber als Newcomerband ein unerlässlicher Faktor. Hier lohnt es sich von Anfang an zu schauen wer eine ähnliche Vorstellung der eigenen Band hat und mit wem man gerne zusammenarbeitet. Diese Leute sollten dann konsequent ins „Team“ integriert werden.

Euer Feedback

Jetzt sind wir auf eure Meinungen gespannt: Habt ihr schon schlechte oder gute Erfahrungen gemacht? Schreibt es in die Kommentare!

Personen

Tobias Görtzen

Musiker, Management aus Brühl Bassist, Sänger bei Die Versenker, Autor bei Backstage PRO

Artists

Die Versenker

Rockmusik mit deutschen Texten aus Köln

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