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Mit ihrem 'Alpencore' wurden sie unter Vertrag genommen

"Wir müssen abliefern": tuXedoo über das veränderte Musikerleben nach dem Deal

Interview von Michael Erle
veröffentlicht am 25.07.2016

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"Wir müssen abliefern": tuXedoo über das veränderte Musikerleben nach dem Deal

Die Alpencorler tuXedoo unterzeichneten Mitte 2015 bei Global Concerts. © Michael Erle

Sie konnten einen großen Bandcontest für sich entscheiden und wussten den Erfolg für sich zu nutzen: Die Österreicher tuXedo berichten von ihrem kleinen und unerwarteten Durchbruch und den Überraschungen, die das professionalisiertere Musikerleben jetzt mit sich bringt.

Es ist Freitagabend in den Katakomben der Münchner Olympiahalle. Durch die Decke dringt gedämpft der Subwoofer des Headliners Eskimo Callboy. Im kargen Umkleideraum legen tuXedoo ihre Trachtenjanker ab und nehmen ein warmes Bier aus dem Kühlschrank. Christoph (Vocals, Samples), Patrick (Bass) und Johannes (Percussions, Vocals) stehen uns Rede und Antwort.

"Mit einem Label im Hintergrund geht es leichter"

Backstage PRO: Wie habt ihr als Band angefangen?

Christoph: Wir haben 2005 angefangen, damals als Crossover/Alternative-Coverband. Das war unser Einstieg in die Rock-Metal-Szene, das haben wir bis 2009 durchgezogen. So richtig in die Richtung, die wir jetzt spielen, ist es 2010 los gegangen. Zuerst waren wir eine Drei-Mann-Combo, mittlerweile sind wir sechs, das hat sich auch über die Jahre aufgebaut. Wir waren bis 2012 eigentlich nur in Österreich unterwegs, vielleicht noch Südbayern. Weiter fort ging es ab 2012, da haben wir wirklich in Deutschland und Italien gespielt, in Kroatien Tschechien, der Slowakei. Da ist es etwas größer geworden.

Johannes: Der erste richtige Schritt war, als wir 2013 das erste Album heraus gebracht haben über Massacre Records. Es ist als österreichische Band sehr schwierig, dass man…

Christoph: ...das Tal verlässt...

Johannes: …genau! Mit einem starken Label im Hintergrund geht es eben ein bisschen leichter. Die müssen überhaupt nichts für dich tun, aber wenn du das bei Bewerbungen gut verkaufst dann hast du viel mehr Chancen, als wenn da nichts drin steht. So haben wir den ersten Schritt nach Deutschland geschafft, noch alleine, da haben wir zwei Jahre gespielt. Wir haben uns gesagt wir wollen viel im Ausland spielen, viel in Deutschland spielen, und dann kam mit dem Rockavaria-Contest und -Festival der nächste Step.

"Wir wollten eigentlich keine Contests mehr machen"

Backstage PRO: Wir kam es, dass ihr an diesem Wettbewerb teilgenommen habt?

Patrick: Das war eigentlich – das ist zwar eine Floskel – aber man ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir wollten sowas eigentlich gar nicht mehr machen, weil jede Band am Anfang Bandcontests spielt, und es ist nicht immer fair muss man sagen – vor allem in Österreich. Dann haben wir entschieden: Wir machen noch einmal das Ding und bewerben uns trotz zwei Möglichkeiten nur in München. Dass wir uns nicht parallel noch für Wien beworben haben, war genau die gute, richtige Entscheidung, denn so fokussierte sich alles darauf.

Backstage PRO: Warum München?

Christoph: Eigentlich kann man sagen die Entscheidung ist gefallen, weil die Jury schon feststand. Das war der Grund. Wir haben gelesen, dass da ziemlich viel Hochkaräter aus der Musikbranche sind: Ossy Hoppe, Carl Carlton. Leute, die in der Szene was zu sagen haben.

Patrick: Ein großer Punkt war, dass es nur die Jury-Wertung gab und keine Publikums-Wertung. Das war die Feuertaufe: Schaffen wir es auf einer großen Bühne vor großem Publikum mit viel Presse? Können wir da bestehen? Da haben einige zugeschaut und gesagt: Ja, wir nehmen euch unter Vertrag und bauen euch langsam auf.

"Das Musikerleben hat sich verändert"

Backstage PRO: Was hat sich seitdem verändert? War es der große Durchbruch, ein großer Schritt?

Christoph: Durchbruch kann man nicht sagen. Aber es war schon ein extrem wichtiger Schritt. Das Musikerleben hat sich verändert. Wir haben immer alles alleine gemacht von Gig organisieren über das Bewerben bis hin zur Technik…

Patrick: ...Marketingtätigkeiten, Technik, alles. Das ist uns jetzt alles abgenommen, da machen wir gar nichts mehr selber. Das Management, die Bookingagentur, die Presse, auch die Technik – jeder Part, den man als Musiker eigentlich nicht so gerne macht, ist uns abgenommen worden.

Backstage PRO: Wie kam das? Davor wart ihr die Band aus dem Tal, und dann kam jemand mit dem großen Geldkoffer und alle arbeiten jetzt für euch?

Patrick: Es hat eigentlich nichts mit dem Geldkoffer zu tun. Global Concerts (Veranstalter des Festivalcontests; Anm.d.Red.) haben viel bessere Connections. Wir können dadurch auf viel größeren Events spielen. Als Band ohne Management und ohne starkes Label hast du keine Chance, dass du auf diesen Events spielst.

Johannes: Wir sind musikalisch oder technisch nicht viel besser als Anfang 2015, aber es hat sich halt alles geändert, weil jetzt einfach wer hinter der Band steht.

Patrick: Du brauchst einen großen Namen.

"Jeder muss seine Leistung bringen. Wir müssen abliefern."

Backstage PRO: Haben sich die Anforderungen verändert?

Christoph: Ja natürlich. Jeder muss seine Leistung bringen. Es ist ein sehr familiäres Verhältnis zwischen uns und der Agentur, ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Ich sag jetzt nicht Druck, wir wollen das auch zurück geben, aber da bei uns das Hauptaugenmerk als Band sowieso darauf liegt, dass wir Spaß auf der Bühne haben, Spaß an der Show, und dass unser Zentrum ist, wo wir uns austoben können, erfüllen wir die Anforderungen eh so gut wie möglich. Aber die Anforderung ist halt, dass die Show passt.

Johannes: Wir müssen abliefern. Das ist das, was passieren muss. Wenn mal eine Show nicht passt, dann wird uns das gesagt. Das hat einem vorher niemand gesagt. Man wird also schon an vielen Stellen kritisiert; Dinge von denen man vorher nicht wusste, dass es noch Verbesserungspotential gibt. Und das ist dann auch so umzusetzen.

Backstage PRO: Ist das gut oder ist das Stress?

Patrick: Ich find das ist sehr gut, denn als Musiker sieht man die Dinge rein von der musikalischen Seite. Wenn wir nach dem Konzert reden, dann geht's uns grundsätzlich darum: haben wir fehlerfrei gespielt? Wie hat das Publikum auf uns reagiert? Aber was so nebenbei läuft, die Show an sich, was das Publikum sieht, darauf achtest du als Musiker eher weniger. Jetzt haben wir einen Außenstehenden, der bemerkt, was wir übersehen.

Christoph: Ich glaube es ist unglaublich schwierig, dass du als Musiker auf der Bühne das Visuelle beobachtest: wie bewegt sich die Band auf der Bühne? Das muss ein Dritter machen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, dass uns ein geschultes Auge hilft. Das hatten wir vorher nicht, dass uns einer sagt: "He, Moment mal – so geil ist das gar nicht, wo du da hin steigst – schau mal selber." Dann fällt es dir auf: Ja, ok! Es ist schon gut, das ist jetzt solche Kritik kommt.

Backstage PRO: Gilt das auch fürs musikalische oder nur bezogen auf die Show?

Johannes: Musikalisch erhalten wir eigentlich sehr wenig Kritik. Da sind wir selbst viel kritischer als unser Management. Da hapert's meistens daran, dass wir uns mal nach der Show fetzen wegen Dingen, die dem Management gar nicht so auffallen. Kleinigkeiten, die man als Zuschauer nicht heraushört.

"Wir sind nicht in der Liga, in der es Geld zu verdienen gibt"

Backstage PRO: Wie ist es mit der Wahrnehmung von Außen. Wie hat sich das verändert seit 2015?

Christoph: Du spielst vor einer größeren Crowd und daher hast du viel mehr Kontakt zum Publikum. Wenn du zum Merchstand gehst, dann ist da viel mehr los als früher.

Patrick: Man erhält viel Feedback von Freunden und Kollegen. Die meinen teilweise schon, dass wir richtig groß sind und auf dem Weg zur Profiband, die damit wirklich Geld verdient. Das ist natürlich ganz anders, logisch. Das ist ein reines Hobby und wird sind nicht in der Liga, in der es Geld zu verdienen gibt.

Johannes: So wirkt es aber auf Leute, die diese Musik nicht hören, in unserem Heimatort oder die Kollegen, die Presseberichte lesen und sehen: Da spielen tuXedoo wieder auf dem Festival, wo 40.000 Leute sind! Aber sie kennen eben die weiteren Hintergründe nicht.

Backstage PRO: Dieses letzte Jahr im Rückblick: Was hat euch überrascht, was hat euch Probleme bereitet, was war unerwartet gut?

Christoph: Wir haben immer auf den Moment gewartet, dass jemand sagt: Genau diese Band wollen wir unterstützen. Das ist so eines der geilsten Dinge, die uns passieren konnten. Wenn mir vor drei oder vier Jahren jemand gesagt hätte, was wir 2016 mit Full Metal Mountain, Rockavaria, Rock in Vienna und Wacken alles machen, dann hätte ich gesagt: “Jaja, kloar”. Das war vor ein paar Jahren nicht realistisch und 2016 machen wir das halt. Unglaublich!

Patrick: Ich habe mir den langen harten Weg erspart, weil ich erst seit einem halben Jahr dabei bin. Ich habe davor aber in anderen Bands ähnliches durchgemacht. Es ist wirklich schwer und man kommt an einen Punkt, an dem man nicht mehr glaubt, dass es noch Sinn ergibt weiter zu machen. Es steckt einfach wirklich extrem viel Arbeit dahinter und der kleinste Teil ist eigentlich das Songwriting. Deswegen macht man es ja, das macht Spaß. Nicht das ganze Trara, das noch dazu gehört. Von daher ist es echt cool, dass wir jemanden haben, der uns dabei unterstützt.

Christoph: Was mich positiv überrascht hat: Dass es im professionellen Management so menschlich zugehen kann. Man hat ganz andere Sachen gehört: Dass man als Band eine Nummer ist und dass man ausgenommen wird. Doch es ist eben ganz anders. Vom ersten Moment an war es immer ein beiderseitig gutes Verhältnis. Wir arbeiten miteinander, sind eine Familie. Da bin eines Besseren belehrt worden.

"Wir haben vollkommen künstlerische Freiheit"

Backstage PRO: Gab es etwas, an dem ihr zu knabbern hattet?

Christoph: Jeder von uns hat schon zehn Jahre Musik gemacht und wenn du für dich selbst verantwortlich bist, dann machst du halt, was du willst. Du spielst deine Musik und danach machst du was du willst, davor machst du was du willst – du bist halt ungezwungen, ungebunden. Wenn du eine Partnerschaft eingehst, gibt es Sachen, die du auf einmal nicht mehr darfst. So geht es allen Bands, die irgendwie ein bisschen größer werden. Da gibt‘s Punkte wo du dir sagst ok, dass überrascht mich schon, das hätte ich jetzt nicht gedacht.

Johannes: So richtig negative Seiten haben wir aber noch nicht kennengelernt. Es sind ein paar kleine Einschränkungen, die uns nicht weh tun. Es gibt sicher Musiker, die damit nicht einverstanden wären, weil sie nur musizieren wollen und einfach nur für sich spielen. Aber das Verhältnis ist so offen und locker von beiden Seiten, dass es nicht wirklich negativ ins Gewicht fällt. Ich verstehe das meistens als konstruktive Kritik. Wir haben vollkommen künstlerische Freiheit. Wir dürfen musikalisch schreiben was wir wollen und machen was wir wollen. Es sind nur organisatorische Sachen, bei denen man ein wenig eingegrenzt wird, aber nicht im schlimmen Ausmaß. Das darf man nicht falsch auffassen. Wir sind es halt nicht gewohnt, dass man Vorgaben kriegt.

Backstage PRO: Was kommt als nächstes?

Christoph: Es ist einiges in Planung. Eine ziemlich geile Veröffentlichung, weitere Festivaltermine… In Planung sind kleine Touren, so Week-Ender, dazu können wir definitiv aber noch nichts sagen. Und es kommt noch einiges diesen Winter und Frühling nächsten Jahres auf uns zu.

tuXedoo - Official Album Teaser 2016

Backstage PRO: Wir wünschen euch weiter viel Erfolg und danken für eure Zeit!

Artists

tuXedoo

Original Austrian Alpencore aus Mattighofen

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