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Die Maßnahmen unter der Lupe

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung: Hilfe für Musiker und Kulturschaffende?

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 05.06.2020

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Das Konjunkturpaket der Bundesregierung: Hilfe für Musiker und Kulturschaffende?

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). © Bundesministerium der Finanzen / Photothek / Thomas Koehler

Das lange erwartete Konjunkturpaket der Bundesregierung zur Bewältigung der Coronakrise ist insgesamt auf bemerkenswert positive Resonanz gestoßen. Doch was bietet es Musikern und anderen Akteuren der Kulturbranche?

Finanzminister Olaf Scholz hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, Künstlerinnen und Künstler in der Coronakrise zu unterstützen: "Kunst und Kultur brauchen unbedingt ein eigenes Konjunkturprogramm, wir wollen den Kulturschaffenden massiv helfen."

Eckpunkte der Maßnahmen

Das am 3. Juni von der Bundesregierung vorgestellte Eckpunktepapier (Link zum PDF) des Konjunkturprogramms enthält neben vieldiskutierten Maßnahmen wie der temporären Senkung der Mehrwertsteuer auch Hilfen, die speziell Kunst und Kultur zugute kommen sollen.

Es handelt sich in diesem Eckpunktepapier noch nicht um die finalen gesetzlichen Regelungen, sondern um von der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD beschlossenen Grundsätze. Rechtliche Geltung erlangen sie erst, nachdem Bundestag und Bundesrat die entsprechenden Gesetze verabschiedet haben.

Eine Milliarde Euro für den Neustart

Punkt 16 des Eckpunktepapiers enthält ein "Programm zur Milderung der Auswirkungen der Corona- Pandemie im Kulturbereich" in Höhe von einer Milliarde Euro.

Wie Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, auf der Homepage der Bundesregierung mitteilt, soll das Geld zum "Erhalt und Sicherung der kulturellen Infrastruktur" eingesetzt werden. Das Programm "Neustart Kultur" dient außerdem "zur Unterstützung neuer Projekte und kreativer, innovativer Ideen". Es besteht aus folgenden Teilen:

1. Pandemiebedingte Investitionen in Kultureinrichtungen

250 Millionen Euro sollen Kultureinrichtungen erhalten, um sich auf die Wiedereröffnung vorzubereiten. Gefördert werden sollen vornehmlich privat finanzierte Einrichtungen.

Die Mittel sind beispielsweise "für die Umsetzung von Hygienekonzepten, Online-Ticketing-Systemen oder Modernisierungen von Belüftungssystemen gedacht".

2. Erhaltung und Stärkung der Kulturinfrastruktur und Nothilfen

"Mit 450 Millionen Euro sollen vor allem die vielen kleineren und mittleren, privatwirtschaftlich finanzierten Kulturstätten und Projekte darin unterstützt werden, ihre künstlerische Arbeit wiederaufzunehmen und neue Aufträge an freiberuflich Tätige und Soloselbständige zu vergeben."

Davon sind 150 Millionen für Livemusikclubs, Festivals und Veranstalter vorgesehen, weitere 150 Millionen für Theater und Tanz und 120 Millionen für den Filmbereich (Kinos, Produktion und Verleih). Mit 30 Millionen sollen Galerien, soziokulturelle Zentren sowie die Buch- und Verlagsszene gefördert werden.

3. Förderung alternativer, auch digitaler Angebote

150 Millionen Euro stehen für digitale Angebote bereit. "Davon profitieren Projekte im Kontext Museum 4.0 sowie viele neue Formate der Digitalisierungsoffensive des Bundes, die der Vermittlung, Vernetzung und Verständigung im Kulturbereich dienen."

4. Unterstützung bundesgeförderter Kultureinrichtungen und Projekte

Regelmäßig geförderte Kultureinrichtungen erhalten 100 Millionen Euro, um coronabedingte Einnahmeausfälle und Mehrausgaben auszugleichen. 

Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen

Von besonderer Wichtigkeit für Kulturschaffende sind zudem die Überbrückungshilfen in Punkt 13 des Eckpunktepapiers, die "zur Sicherung der Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen" dienen sollen. 

Für die Monate Juni, Juli und August 2020 können diese Unternehmen für "Corona-bedingten Umsatzausfall" staatliche Hilfen beantragen. 

Überbrückungshilfen beantragen können Unternehmen, "deren Umsätze Corona-bedingt in April und Mai 2020 um mindestens 60% gegenüber April und Mai 2019 rückgängig gewesen sind und deren  Umsatzrückgänge in den Monaten Juni bis August 2020 um mindestens 50% fortdauern."

Nicht nur für den Kulturbetrieb

Obwohl diese Hilfen explizit als "branchenübergreifend" definiert werden, soll den "Besonderheiten der besonders betroffenen Branchen angemessen Rechnung getragen werden". Dazu zählen:

  • Hotel- und Gaststättengewerbe,
  • Caterer, Kneipen, Clubs und Bars,
  • Jugendherbergen, Schullandheime, Träger von Jugendeinrichtungen des internationalen Jugendaustauschs,
  • Einrichtungen der Behindertenhilfe,
  • Reisebüros,
  • Profisportvereine der unteren Ligen,
  • Schausteller,
  • Unternehmen der Veranstaltungslogistik sowie Unternehmen im Bereich um Messeveranstaltungen

Wenngleich die Musikbranche nicht eigens erwähnt ist, so dürften Veranstalter, Booking-Agenturen, Tonstudios, Musikverlage, Plattenfirmen, Clubs und angeschlossene Unternehmen der Veranstaltungsbranche zu denjenigen zählen, die Hilfe beantragen können. 

Insgesamt stehen im Rahmen dieses Programms 25 Milliarden Euro zur Verfügung, womit die Überbrückungshilfen einen der größten Einzelposten des Konjunkturpakets bilden.

Erstattung der Betriebskosten

Der Staat erstattet diesen Unternehmen "bis zu 50% der fixen Betriebskosten bei einem Umsatzrückgang von mindestens 50% gegenüber dem Vorjahresmonat" und bis zu 80% bei einem Umstatzrückgang von mehr als 70%. "Der maximale Erstattungsbetrag beträgt 150.000 Euro für drei Monate."

Zu den fixen Betriebskosten zählen beispielsweise Löhne und Gehälter, aber auch Zinszahlungen, Mieten einschließlich Nebenkosten sowie Kosten für Versicherungen, Telefon und Internet. Das bedeutet allerdings auch, dass Musiker und andere Musikschaffende, die keine Betriebskosten haben, offenbar nicht von diesem Hilfsprogramm profitieren.

Sicherheitsmaßnahmen gegen Betrug

Nur in begründeten Ausnahmefällen können Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten Erstattungen von mehr als 9.000 Euro und Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigen von mehr als 15.000 Euro erhalten. Anträge können bis 31. August 2020 gestellt werden.

Um Betrug zu vermeiden sind Umsatzrückgänge und Fixkosten "durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in geeigneter Weise zu prüfen und zu bestätigen. Überzahlungen sind zu erstatten."

Weitere Maßnahmen

Institutionen des Kulturlebens profitieren auch von weiteren Maßnahmen des Konjunkturpakets, beispielsweise von der temporären Senkung des Mehrwehrtsteuersatzes, der Ermöglichung des steuerlichen Verlustrücktrags für die Jahre 2020 und 2021, der bei der Steuererklärung für die Jahre 2019 und 2020 geltend gemacht werden kann und des vereinfachten Zugangs zur Grundsicherung, der bis 30. September 2020 verlängert wird.

Viel Geld für die Kultur

Bevor es möglich ist, diese Programme endgültig zu beurteilen, muss erst die konkrete Umsetzung feststehen und praktische Erfahrungen vorliegen. 

Allerdings lässt sich schon jetzt sagen, dass der Bund, in dessen Aufgabenbereich die Kultur ja eigentlich nicht fällt, noch nie so viel Geld für Kulturprojekte in die Hand genommen hat. Der Deutsche Musikrat begrüßte das Konjunkturpaket auch in einer Stellungnahme.

Es bleibt zu hoffen, dass damit der Grundbestand des kulturellen Lebens in Deutschland für den Augenblick gesichert werden kann, so dass nach Überwindung der Coronavirus-Pandemie ein halbwegs normales kulturelles Leben wieder ermöglicht wird.

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