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Silent Dance Mob, initiiert von der Halle02 © 2012

Mehrere Heidelberger Kulturstätten sind zur Zeit vom Wohlwollen des Gemeinderates abhängig. Die Lage ist verheerend, denn viele der Clubs kämpfen ums Überleben. Was ist los in der schönen Stadt am Neckar? Wie geht es weiter mit der Kreativszene?

"Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren" – Touristen genießen Kaffe trinkend die letzten Sonnenstrahlen auf dem Heidelberger Marktplatz. Mittendrin: Die Verantwortlichen der Halle02 und rund 200 Anhänger, die tanzend und friedlich für den Erhalt des Heidelberger Kult-Clubs demonstrieren. Der "Silent Dance Mob", bei dem die Demonstranten mit Funk-Kopfhörern wahlweise zu Elektronik- oder Reggaebeats tanzen können, ist ein voller Erfolg.

Wahrscheinlich würden auch die Gemeinderäte lieber mitmachen, als heute in den dunklen Räumen des Rathauses Entscheidungen zu treffen. Doch nicht nur die Zukunft der Halle02 ist ungewiss – auch andere Heidelberger Kulturstätten fühlen sich, als lasse man sie einfach im Regen stehen.

Die Rolle der Kreativwirtschaft

Im Bericht "Die Kultur- und Kreativwirtschaft als Motor für Wachstum und Beschäftigung in der EU unterstützen" der EU-Komission wird deutlich, dass die Kreativwirtschaft "schon jetzt bis zu 4,5% des BIP erwirtschaftet und bis zu 8,5 Millionen Menschen beschäftigt." Eine weitere Förderung der lokalen und nationalen Kulturwirtschaft wird deshalb dringend empfohlen (Quelle: kreativwirtschaft-hd.de).

Der Wert der Kultur

Trotz dieser Erkenntnisse ist die Lage für die Heidelberger Kulturstätten derzeit dramatisch. So wartet die Halle02 nach wie vor auf eine langfristige Lösung (Backstage PRO berichtete).

Und in der Liegenschaft "Dischingerstraße 5" der Stadt Heidelberg sollen die ehrenamtlich betriebene, nicht-kommerzielle Veranstaltungshalle Kosmodrom des Spielraum e.V. und das freie Jugendkulturzentrum des Vereins für kulturellen Freiraum e.V. endlich eine langfristige, nachhaltige Heimat finden. Mitte Dezember entscheidet der Gemeinderat in diesem Fall. 

Doch wie realistisch ist es, dass alle Unterstützung durch den Gemeinderat finden? Erkennen die Gemeinderäte den Wert der jungen Kultur als Wirtschaftsfaktor für das häufig antiquiert geltende Heidelberg?

Der Mob ist los

Mit dem "Silent Dance Mob", einer Online-Petition, die knapp 3200 Unterzeichner schaffte, und niedlichen Postkarten, die jeder Unterstützer an die Gemeinderatsmitglieder senden kann, führen die Betreiber der Halle02 den wohl offensivsten Kampf für den Erhalt ihrer Stätte, die drei Veranstaltungs-Hallen sowie einen Gartenbereich umfasst.

Seit 2002 verzeichnet die "Halle" immense Erfolge und ist weit über die Grenzen Heidelbergs als innovatives und kreatives Zentrum von Popkultur bekannt.

Durch den Bau der so prestigeträchtigen Bahnstadt müssen an den Gebäuden der Halle02 umfassende Umbauarbeiten den Lärmschutz betreffend vorgenommen werden, damit der Mietvertrag von Seiten der Stadt verlängert werden kann.

Selbst der Karlstorbahnhof ist nicht sicher

Auch der etablierte Karlstorbahnhof kämpft für den Erhalt des Standortes. Dort müssen aufgrund neuer EU-Normen einige Umbauten durchgeführt werden. Doch da die Kulturstätte über eine große – auch internationale – Reputation verfügt und Unterstützung seitens Eckart Würzners (Oberbürgermeister von Heidelberg) herrscht, dürfte hier jedoch das ganz große Bibbern ausbleiben.

Deutlich schwieriger wird es für die kleineren Kulturstätten, die meist durch gemeinnützige Vereine betrieben werden. Neben den bereits genannten ist dies nicht zuletzt auch die Villa Nachttanz, die nun bereits seit 2001 im Wieblinger Gewerbegebiet zu Hause ist und deren Mietvertrag ins Unbekannte hinein ausläuft.

Übrigens nicht zum ersten Mal: Bereits 2008 berichteten wir von der damaligen Situation, als die Stadtverwaltung den Vertrag schon nicht verlängern wollte, da dies ihrem Interesse zuwiderliefe, dort ein Gewerbegebiet anzusiedeln.

Bürokratie, Kosten, fehlende eindeutige Unterstützung

…sind ein unheilvoller Mix. So könnten die Kosten des Ausbaus des Gebäudekomplexes "Dischingerstraße 5" ein Stolperstein für das junge Spielraum-Team sein.

Dies hat bereits in der Siemensstraße hervorragende Arbeit geleistet, indem man die regionale Musikszene besonders gefördert hatte, Kreativität generell keine Grenzen setzte und einen Raum zur Ausübung stellte. Mit Konzepten zur Barrierefreiheit und Inklusion könnte man als Vorreiter in Heidelberg gelten.

Doch es sind auch die langsamen Mühlen der Bürokratie und das Fehlen eindeutiger Bekenntnisse und Handlungen von Seiten der Entscheider, die die Heidelberger Szene mit der Zeit zermürben. Die Geduld ist strapaziert, ein "Tag der Entscheidung" wird u.a. vom Spielraum e.V. eingefordert.

Vereint in Frust und Hoffnung

Jede dieser Kulturstätten ist einzigartig und spricht ein individuelles Publikum an. Sie können nicht miteinander verglichen werden.

Und doch werden sie Ende dieses Jahres alle in den Kulturtopf geworfen, einmal durch den Gemeinderatswolf gedreht und bekommen vielleicht ein Stück vom Kulturetatkuchen ab.

Bleibt zu hoffen, dass die Gemeinderäte ihr Herz für Heidelberg und für kulturelle Vielfalt beweisen und diese tollen Projekte unterstützen.