Siegfried Dittler vor der Alten Feuerwache in Mannheim.

Siegfried Dittler vor der Alten Feuerwache in Mannheim. © Daniel Nagel

Vor wenigen Tagen überraschte Siegfried Dittler, der Geschäftsführer der Alten Feuerwache Mannheim, mit seiner Ankündigung seinen Vertrag aufzulösen und als Leiter des Waschhauses nach Potsdam zu wechseln. Wir trafen ihn beim Tag der offenen Tür anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Gebäudes und sprachen mit ihm über die Gründe seines Abschieds, die finanzielle Sanierung der Feuerwache und seine Lust an der Herausforderung als Krisenmanager.

{image}regioactive.de: Herr Dittler, letzte Woche haben sie die Mannheimer Öffentlichkeit damit überrascht, dass sie die Alte Feuerwache im Herbst verlassen werden. Warum dieser Schritt?

Siegfried Dittler: Als ich meine damalige Stelle in Freiburg nach drei Jahren verließ, haben mich auch alle gefragt, warum ich weggehe. Es gibt im Leben eben diese Momente, wo man sich entscheiden muss. Und jetzt, nach zwei tollen Jahren mit einem tollen Team, habe ich mich entschlossen nach Potsdam zu gehen. Keiner kann mich verstehen, aber so ist das manchmal.

Welche Gründe haben sie bewogen?

Ich habe wirklich Lust auf eine neue Herausforderung, so banal das klingen mag. Die Stelle als Leiter des Waschhauses in Potsdam war ausgeschrieben. Daraufhin habe ich mir das Haus angesehen. Neben dem großen Saal, der etwas größer ist als der in der Feuerwache, gibt es noch zwei kleinere Säle, einen Kunstraum und ein Studio für zeitgenössischen Tanz. Die räumlichen Möglichkeiten sind also etwas vielfältiger. Die Aufgabe wird aber vor allem dadurch spannend, dass das Waschhaus programmatisch völlig am Boden ist. Man kann es nicht anders ausdrücken. Das Haus ist tatsächlich ein unbeschriebenes Blatt, das nun vor mir liegt. Im Augenblick gibt es dort Party, Party, Party, ein wenig Comedy, ein paar Konzerte und das war es. Sich mit 50 dieser Herausforderung zu stellen, finde ich außerordentlich spannend. Besonders vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die ich durch die Leitung zweier großer Kulturzentren gesammelt habe.

Als sie die Leitung der Alten Feuerwache vor zwei Jahren übernahmen, war das Haus in einer Krise. Wie war die damalige Lage?

Vor allem war die Feuerwache in einer großen finanziellen Krise. Wir standen kurz vor der Insolvenz. Es ist mir gelungen, das zu drehen…

Wie denn?

Mit ganz viel Arbeit. Ich habe mir zunächst alle Zahlen angesehen, wie man das auch in einem Privathaushalt machen würde: ich habe die Ausgaben und die Einnahmen gegenübergestellt, die Ausgaben reduziert, die Einnahmen erhöht und ich konnte die Stadt überzeugen, uns einen höheren Zuschuss zu zahlen. Dadurch führte ich eine Wende herbei, mit dem Ergebnis, dass das Haus heute gut dasteht. Programmatisch war das Haus nicht in der Krise, sondern auch damals schon gut aufgestellt. Allerdings habe ich noch andere Facetten reingebracht.

{image}War die Alte Feuerwache aus ihrer Sicht aufgrund steigender Personal- und Energiekosten unterfinanziert?

Ja, war sie.

An welcher Schraube haben sie denn gedreht, um die finanzielle Situation zu verbessern?

Es sind viele kleine Schrauben: Von Verhandlungen mit Zeitschriften, in denen man Anzeigen schaltet, bis hin zu Verhandlungen mit Agenturen über Gagen. Außerdem habe ich im Jazzsegment die Eintrittspreise durchaus um zwei bis vier Euro erhöht, während die Jugendveranstaltungen und Partys preislich unverändert blieben.

Es gab also nicht einen großen Posten, den man kürzen konnte.

Genau. Wir haben auch niemanden entlassen. Im Gegenteil wir haben noch eine Stelle geschaffen. Es war einfach wichtig, aufzuräumen, um den Überblick wiederzugewinnen.

Ist es vielleicht so, dass sie nach der Sanierung der Alten Feuerwache Blut geleckt haben und sich nochmals an eine größere, schwierigere Aufgabe heranwagen wollen?

Das ist eine interessante Interpretation. Die neue Herausforderung bezieht sich nicht nur auf die Aufgabe im Waschhaus, sondern auf mein ganzes Leben. Ich habe in den vier größten Städten in Baden-Württemberg gearbeitet, Brandenburg kenne ich hingegen gar nicht. Vielleicht habe ich es mir zur Spezialität gemacht, in Häuser zu gehen, in denen es nicht ganz rund läuft.

Haben sie sich eigentlich in Mannheim wohlgefühlt? Es gibt ja durchaus verschiedene Ansichten über die Stadt – nicht alle mögen sie.

Ich fühle mich hier sehr wohl, lebe ja auch in der Neckarstadt West, knapp drei Minuten zu Fuß von der Feuerwache. Die Neckarstadt West ist ja ein Multi-Kulti-Stadtteil mit 42% Anteil ausländischer Mitbürger, stark türkisch geprägt, viele Läden sind bis Mitternacht offen. Mannheim macht es einem nicht leicht, man muss vieles erkunden und lernen, sich in den Quadraten zurechtzufinden. Aber Mannheim ist eine tolle Stadt – auf den zweiten Blick: man kann an den Rhein oder den Neckar gehen, auf der Rheininsel in Ludwigshafen spazieren, mit dem Fahrrad nach Heidelberg fahren und Ausflüge in die Pfalz und den Odenwald machen.

Sie haben die multikulturelle Lebenswirklichkeit der Stadt angesprochen. Auf den Veranstaltungen sieht man immer das gleiche bildungsbürgerliche Publikum. Wie erreicht man Gruppen aus Milieus, denen man nicht angehört, beispielsweise Migranten?

Zunächst muss man es wollen. Wenn man es will, macht man Erfahrungen, die wir auch gemacht haben: Ich habe eine türkische Rockband eingeladen, die in der Türkei tausende Zuschauer zieht. Bei uns kamen vierhundert, das war ok, aber nicht optimal. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man mit den üblichen Mitteln, mit den üblichen Methoden der Werbung nicht vorankommt. Man muss Leute aus der entsprechenden Community kennen und noch wichtiger: man muss sie in die Arbeit einbinden. Nur mit dem gut gemeinten Angebot allein funktioniert es nicht.

{image}Das Angebot allein reicht nicht, man muss die Kommunikationswege kennen.

Genau: Man muss die Radiosender, die Vermarktungswege und die Orte kennen, an denen Kommunikation stattfindet. Warum sollten Leute, die seit vielen Jahren hier leben, aber inhaltlich nie angesprochen wurden, auf einmal nur deshalb kommen, weil bei Enjoy Jazz eine türkische Band spielt? Es ist eine wichtige Aufgabe, Wertschätzung zu vermitteln.

Wenn sie jetzt gehen, hinterlassen sie ein gefestigtes Haus. Was muss ihr Nachfolger als erstes angehen?

Zunächst muss er oder sie natürlich ein neues Programm zusammenstellen, wobei mein Nachfolger seinen eigenen Weg finden muss. Ich fände spannend, wenn er oder sie in den Dreißigern wäre und damit ein Generationswechsel herbeigeführt würde. Viele Häuser werden von Leuten in meinem Alter und älter geleitet. Ich fände sehr interessant zu erleben, wie eine neue Generation vorgeht.

Vor welchen Herausforderungen steht die Alte Feuerwache?

Unsere Raumsituation ist nicht ideal, da wir leider keinen zweiten Saal haben. Allerdings gibt es diesbezüglich Pläne für Veränderungen. Wir werden die dieses Jahr gestartete und durchaus erfolgreiche Reihe "Club Feuerwache" fortsetzen. Dafür müssen wir in eine zusätzliche Anlage investieren, um andauerndes Umbauen zu vermeiden. Das Ziel besteht darin, jungen, nicht so bekannten Bands eine Chance zu geben und sie auch ordentlich zu präsentieren. Das ist eine Herausforderung.

Also mehr Newcomer – das ist ja etwas, was in der Feuerwache bislang wenig stattfindet. Das liegt natürlich auch an der Größe. Eine eher unbekannte Band käme sich in der großen Halle ja sehr verloren vor.

Wenn ich länger hier geblieben wäre, hätte ich mich auch um mehr Kooperation mit der Popakademie bemüht, um die dortigen Bands auch verstärkt auf die Bühne der Feuerwache zu holen.

Wie ist die finanzielle Lage im Augenblick?

Sie ist immer noch eine Herausforderung. Wir stehen ordentlich da, erhalten aber keine Landesmittel, weil wir dafür eine andere Rechtsform benötigten. Die Stadt müsste sich aus dem Unternehmen zurückziehen und es in einen freien Träger umwandeln. Das hätte finanzielle Vorteile, weil man Landesförderung beantragen könnte. Und dann muss man sich programmatisch immer weiter erneuern, da will ich meinem Nachfolger aber nicht reinreden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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