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Markus Graf (BV Pop) über das neue Pop Stipendium und die Newcomer-Förderung in Deutschland

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 31.05.2022

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Markus Graf (BV Pop) über das neue Pop Stipendium und die Newcomer-Förderung in Deutschland

Markus Graf, stellvertretender Vorsitzender des BV POP. © pop:rlp

Im Juni 2022 startet die Bewerbungsphase für das neue Pop Stipendium für Newcomer. Wir sprachen mit Markus Graf, dem stellvertretenden Vorsitzenden des ausschreibenden Bundesverbandes Popularmusik, über Hintergründe und Ziele.

Backstage PRO: Welche Stärken siehst du in Deutschland in der Förderung von Newcomern im Bereich der populären Musik?

Markus Graf: Eine Stärke der Newcomer-Förderung ist zunächst, dass es sie gibt. Sie wird im Wesentlichen von regionalen und lokalen Popförder-Einrichtungen und Initiativen getragen, die jeweils gute und wichtige Arbeit in den jeweiligen Regionen leisten. Der größte Teil dieser Einrichtungen versammelt sich unter dem Dach des Bundesverbandes Popularmusik (BV POP e.V.).

Backstage PRO: Wo siehst du die Schwächen?

Markus Graf: Eine Schwäche der Newcomer-Förderung ist die oftmals prekäre monetäre Ausstattung der Fördereinrichtungen. Aktuell besteht in diesem Segment eine große Vielfalt und Heterogenität der Popförder-Einrichtungen: Es gibt professionell arbeitende Akteure, aber auch Einrichtungen, die sich über jährliche Projektförderungen über Wasser halten oder gar durch reines Ehrenamt getragen werden.

Backstage PRO: Welche Folgen hat das?

Markus Graf: Diese Situation hat natürlich Auswirkungen auf die Zielgruppe, die Newcomer/innen. Bedauerlicherweise macht es durchaus einen Unterschied, in welcher Region Künstler/innen und Bands beheimatet sind und ob dort eine gute Förderstruktur existiert. Hier wollen wir als Bundesverband Popularmusik beraten, verändern und verbessern.

Bessere Unterstützung der Künstler

Backstage PRO: Was ist eigentlich der Bundesverband Popularmusik genau?

Markus Graf: Der Bundesverband Popularmusik ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der mit seiner Mitgliedschaft ein Kompetenznetzwerk für Popmusik und Popkultur bildet. Uns verbindet das gemeinsame Interesse, die Popförderung in Deutschland weiterzuentwickeln und zukunftsfähig aufzustellen. Unser besonderer Fokus liegt auf der besseren Unterstützung der Künstler/innen, vom Nachwuchs über die vielfältigen Musiknetzwerke bis hin zu Soloselbständigen.

Backstage PRO: Wie lässt sich der Bundesverband Popularmusik im Bereich der Newcomerförderung verorten?

Markus Graf: Die Bundesregierung fördert Newcomer derzeit durch die Initiative Musik, die in diesem Bereich gute und wichtige Arbeit leistet. Allerdings fördert die Initiative Musik Künstler und Künstlerinnen, die bereits in einem wirtschaftlichen Umfeld agieren, also musikwirtschaftliche Partnerschaften mit einem Label oder einem Verlag eingegangen sind.

Als Bundesverband Popularmusik setzen wir bei unserer Förderung des Nachwuchses ein wenig früher an. Zum einen durch unser Förderprogramm "Pop to Go", das im Bereich der kulturellen Bildung angesiedelt ist und sich an die ganz junge Zielgruppe wendet, zum anderen durch unser Kompetenznetzwerk als Anlauf- und Beratungsstelle und nun natürlich mit unserem neuen Pop-Stipendium.

Gewaltige Kraftanstrengung

Backstage PRO: Wie entstand die Idee, ein bundesweites Stipendium für Newcomer in der populären Musik ins Leben zu rufen?

Markus Graf: Im Verlauf der Corona-Pandemie ist uns sehr früh klar geworden, welch verheerende Auswirkungen der Lockdown für den gesamten Newcomer-Sektor haben wird. Lange Zeit waren ja nicht nur öffentliche Auftritte verboten, sondern in einigen Bundesländern im Amateur- und semi-professionellen Bereich sogar der Probebetrieb. Um die Szene wiederzubeleben, bedarf es einer gewaltigen, auch finanziellen Kraftanstrengung. Wir haben dann in Gesprächen mit der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien die Situation der Newcomer deutlich gemacht und konnten letztlich dieses Programm ins Leben rufen.

Backstage PRO: Welche Ziele verfolgt das Pop Stipendium?

Markus Graf: Das Stipendium soll es den Stipendiat/innen ermöglichen, sich den Rücken für kreatives Arbeiten und kreative Konzepte frei zu halten. Darüber hinaus haben wir eine enge Einbindung der regionalen Popförder-Einrichtungen in das Stipendien-Programm implementiert. Alle Stipendiaten erhalten im Rahmen des Pop-Stipendiums die Möglichkeit auf kostenfreie Beratungsleistungen der Popförder-Einrichtungen zurückzugreifen. Das gilt sowohl in der Antragsberatung als auch in der Umsetzungs- und Abwicklungsphase. Die Szene weiter zu vernetzen, war uns von Anfang an ein wichtiges Anliegen.

Große Erfahrung

Backstage PRO: Wie kam es dazu, dass der Bundesverband Popularmusik die Gelder des neuen Newcomerstipendiums verwaltet und verteilt?

Markus Graf: Das hat mehrere Gründe. Wir haben zum einen die Expertise in diesem Bereich. Das Newcomer-Segment ist das Spielfeld, auf dem wir uns sicher bewegen und auf dem wir uns auskennen. Unsere Mitgliedschaft besteht zu einem großen Teil aus den regionalen Popförder-Einrichtungen. Daher erreichen wir geografisch gesehen die gesamte Bundesrepublik.

Zum anderen betreuen wir mit "Pop To Go" bereits ein sehr großes Bundesprojekt im Rahmen des Programms "Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung", in dem wir pro Jahr rund 2 Millionen Euro Fördergelder für Projekte mit bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen verwalten. Wir verfügen also über einen großen Erfahrungsschatz bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln in diesen Dimensionen und sind in der Lage unseren administrativen Bereich schnell an neue Anforderungen anzupassen. Das hat das BKM überzeugt, uns die Mittel für das Pop Stipendium bereitzustellen.

Backstage PRO: Welche Rolle spielen Förderinstitutionen der Länder bei der Vergabe der Gelder?

Markus Graf: Eine sehr wichtige Rolle. Die Förderinstitutionen der Länder sind ein entscheidender Partner bei der Umsetzung des Pop Stipendiums und ein wesentlicher Faktor unserer Kommunikationsstrategie. Außerdem unterstützen sie uns bei der Auswahl der Juroren und Jurorinnen im Stipendien-Programm und sind mit ihrer Expertise federführend bei der Beratung der Stipendiat/innen bei Antragstellung, Projektumsetzung und Projektabwicklung.

Künstlerische Weiterentwicklung als Ziel

Backstage PRO: Welche Art von Künstler und welche Projekte sollen genau gefördert werden?

Markus Graf: Gefördert werden sollen Newcomer/innen im Bereich Popularmusik, die bereits mit eigenen musikalischen Werken in die Öffentlichkeit getreten sind. Allerdings dürfen sie nicht mehr als zwei Alben veröffentlicht haben und den Weg der Professionalisierung frühestens ab 2017 eingeschlagen haben. Ferner richten wir uns an Absolvent/innen von Pop-Studiengängen der Abschluss-Jahrgänge 2019-2021.

Backstage PRO: Welche inhaltlichen Voraussetzungen hat die Förderung?

Markus Graf: Wir möchten Projekte fördern, die eine klare individuelle künstlerische Weiterentwicklung erkennen und erwarten lassen. Das kann die Erweiterung des Repertoires sein, die Entwicklung neuer Werke, neuer Programme oder Konzertformate oder die Weiterentwicklung der eigenen Marke sein.

Qualifiziertes Windhundverfahren

Backstage PRO: Wie setzen sich die Jurys zusammen, die entscheiden, wer gefördert wird?

Markus Graf: Unsere regionalen Partner, die uns bei der Umsetzung des Pop Stipendiums unterstützen, schlagen Juror/innen vor, und wir als Bundesverband Popularmusik berufen diese. Unser Ziel ist es, die Jury möglichst divers und heterogen zu besetzen. Neben einer ausgeglichen Genderverteilung sollen dort neben Vertreter/innen aus dem Popförderbereich auch Expert/innen aus der Musikwirtschaft und natürlich professionelle Popmusiker/innen agieren.

Backstage PRO: Was sollten Künstler und Musiker beachten, wenn sie sich bewerben?

Markus Graf: Beim Antragsverfahren handelt es sich um ein sogenanntes qualifiziertes "Windhundverfahren". Das bedeutet, dass neben einer förderfähigen und aussagekräftigen Projektbeschreibung auch der Zeitpunkt der Antragstellung eine Rolle spielt. Wir empfehlen dazu möglich zeitnah die FAQs auf unserer Internetseite www.pop-stipendium.de durchzulesen und auch den Newsletter zu abonnieren, um Informationen über den exakten Antragsstart zu erhalten.

Darüber hinaus stehen unsere neun Regional-Partner für eine individuelle Antragsberatung zur Verfügung. Die Antragsphase wird am 10. Juni starten, eine Registrierung ist aber schon jetzt möglich. 

Impulse für den Nachwuchs

Backstage PRO: Die Gelder des Programms in Höhe von 5 Millionen stammen aus dem Topf von Neustart Kultur. Soll das Programm fortgeführt werden, wenn das Geld verbraucht ist?

Markus Graf: Ja, die Gelder stammen aus dem Neustart-Kultur Programm des Bundes. Natürlich hoffen wir, dass ein solches Programm nachhaltig und bedarfsgerecht fortgeführt werden wird. Wir werden sicher auch Gespräche zu diesem Thema führen, denn wir befürchten, dass uns die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch lange beschäftigen werden. Und zwar unabhängig davon, was passiert, wenn wir im Herbst/Winter wieder eine neue Welle haben.

Backstage PRO: Was erhoffst Du Dir persönlich von dem neuen Newcomerstipendium?

Markus Graf: Ich erhoffe mir wichtige und nachhaltige Impulse für den Nachwuchs, der das Pop Stipendium dazu nutzen soll, die eigene künstlerische Identität weiterzuentwickeln und zukunftsfähiger zu machen. Aber auch die tiefgehende Vernetzung der regionalen und lokalen Popförder-Einrichtungen, also unserer Mitgliedschaft, mit den Newcomer/innen ist mir persönlich ganz wichtig. Wir freuen uns darauf, dass die Popförder-Einrichtungen viele neue tolle Künstler und Künstlerinnen kennenlernen, die sie bislang noch nicht auf dem Radar hatten und erhoffe mir, dass beide Seiten in einen regelmäßigen Austausch eintreten.

Backstage PRO: Herzlichen Dank für das Gespräch!

→ Weitere Informationen zum Pop Stipendium findest du hier.

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