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Warren G - The G-Files © TTL Records

Manchmal könnte man schon meinen, alte Hasen im Musikgeschäft ruhen sich auf ihrem Erfolg aus und nehmen es mit neuen Alben nicht mehr so genau, schließlich ist ihr Name schon Programm. Zum Glück gibt es eine Band, die auch nach 40 Jahren Bandgeschichte noch einmal einen drauflegt. Auch junge Künstler streben mit ihrem Debüt in dieser letzten aufgelegt-Ausgabe in 2009 nach Aufmerksamkeit, einer Band aus England dürfte das schon gelungen sein, Fat Joe aber eher nicht. Doch lest selbst.

Warren G * Jersey Budd * Siock Sico * Loreena McKennitt * Pillow Fight Club * EloyFat Joe

Warren G – The G Files | TTL Records

{image}Anfang der 90er Jahre haben Warren G und sein Halbbruder Dr. Dre mit ihren Rap-Produktionen eine Welle losgetreten, mit der die amerikanische Westküste auch heute noch assoziiert wird: "Gangsta-Funk". Während sich das Genre inhaltlich mit Straßenthemen wie Sex, Drogen und Gewalt auseinandersetzt, sind es besonders die extrem entspannten Beats mit verlangsamten Funk-Samples aus dem P-Funk Repertoire von George Clinton und Parliament-Funkadelic, die diesen Sound auszeichnen. Ende 2009 legt G-Funk-Guru Warren G nun sein siebtes Album vor. The G-Files heißt die Scheibe, auf der neben seinen Dogg-Freunden Nate und Snoop von der 213 Crew aus Long Beach unter anderem auch Raekwon vertreten ist. Lange ist es her, seit Warren G uns mit genialen Arrangements versorgt hat. Und das bleibt auch nach den bevorstehenden 50 Minuten des Mittelmaßes so. Die einzelnen Tracks sind einfach zu eintönig und wirken zu wenig innovativ, um sich vom aktuellen Einheitsbrei abzusetzen. Positiv erscheinen zunächst noch der Westcoast-Representer West Is Back, Warren Gs unnachahmlich easy geflowte Rapeinlage bei Drinks Ain’t Free und die beiden besten Stücke: 100 Miles And Runnin und Skate Skate. Auch ein Snoop Dogg kann nichts daran ändern, dass Swagger Rich und Crush seichtester R'n'B sind. Negatives Highligt markiert unüberhörbar das geschmacklose Stück Ringtones. Dass der bald 40-jährige Warren am liebsten high in der Nachbarschaft unterwegs ist (Let's Get High), besorgt eher, als dass es Laune macht. Immerhin bekommt er dabei Unterstützung des tätowierten Blink 182 Drummers Travis Barker. Einzig Suicide zeigt in Bruchstücken die Basiselemente des klassischen G-Funks auf, ansonsten fallen The G-Files musikalisch eher aus dem Rahmen. Was Warren Griffin hier anbietet klingt schwer nach D-Funk: "Durchschnitts-Funk".

Wertung: +++ (Andreas Margara)

 

Jersey Budd – Wonderlands | This Feeling

{image}Jersey Budd ist ein 24-jähriger Sänger, Gitarrist und Songwriter aus Leicester, England, der aussieht wie der junge John Lennon, aber eher klingt wie der junge Bruce Springsteen. Diese Kombination in Verbindung mit tollen Songs, die auch eher an den Boss als an die Beatles oder andere UK-Bands erinnern, und einer hervoragend eingespielten Band ist auf dem Debütalbum Wonderlands wunderbar eingefangen. Dabei klingen Budd und Band an keiner Stelle so, als wäre ihnen noch eine gewisse Unreife, die ja oft auch sehr sympathisch wirkt, zu eigen. Nein, Jersey Budd und Band wissen genau was sie wollen und vor allem auch wie sie es erreichen. Die zehn Songs des Debüts lassen keinen Hänger erkennen und sorgen für eine gute halbe Stunde hervorragender Unterhaltung, die zudem den Wunsch aufkommen lassen, die Platte nochmal durchlaufen zu lassen. Einzelne Songs als Höhepunkte hervorzuheben fällt schwer. She came back erinnert gar mehr an den jungen Tom Petty als an Springsteen, ein Track, der auch auf Hard Promises eine gute Figur gemacht hätte. Bright Soul lässt noch am ehesten an einen UK-Act denken, lässt allerdings auch jegliche Indie-Romantik vermissen, für die Newcomer von der Insel ja gern geliebt werden. Die Songs von Budd sind so angelegt, dass sie nicht mit einer Größe-der-Location-Schere-im-Kopf funktionieren. Die Band ist, wie zuletzt als Support für The Rifles, auch im Vorprogramm in kleineren Hallen ein Knaller, gleichwohl würden diese Songs auch auf wesentlich größeren Bühnen funktionieren – teilweise scheinen sie auch danach zu schreien. Hier findet keine falsche Bescheidenheit statt, Jersey Budd backt keine kleinen Brötchen, sondern nimmt es mit den ganz großen Namen auf. Und wenn man noch einmal die Referenz zu Springsteen zieht: Selbiger konnte nicht mit einem so überzeugenden Debüt aufwarten, er brauchte die Zeit bis zum dritten Album. Hoffen wir, dass Budd noch viele Alben in dieser Qualität in petto hat, dann ist er ein heißer Kandidat für die großen Bühnen der 10er Jahre!

Wertung: ++++½ (Jan Wölfer)

 

Siock Sico – Maiden Voyage | Eigenvertrieb

{image}Siock Sico ist eine junge Band aus dem Raum Heidelberg, die mit Maiden Voyage ein beachtliches Debüt vorlegt. Die Band, die ihren Stil als "Hybrid Metal" bezeichnet und somit dem an Labels nicht gerade armen Genre ein neues hinzufügt, hätte man vor 10 Jahren noch als Crossover im Sinne von Faith No More eingeordnet und damit auch alles gesagt. Hybrid Metal hin oder her, eine große Stärke von Siock Sico – die man übrigens "Seiock Seiko" ausspricht – liegt in der Bandbreite ihrer Einflüsse, die sie zu einer der spannendsten Newcomer aus ihrem Bereich macht. Geschickter und gekonnter Einsatz von Dynamik, überraschende stilistische Sprünge, die jedoch nie den Eindruck des Selbstzwecks vermitteln, machen Maiden Voyage zu einem Hörvergnügen. Das Songwriting ist für eine Band mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren überraschend abgeklärt. Siock Sico wissen, was sie wollen und besser noch: sie wissen auch, wie es geht. Auch die Produktion ist beachtlich, eine Liebe zum Detail, zu kleinen Kniffen, die man eventuell erst beim wiederholten Hören wahrnimmt, sorgt dafür, dass die Platte auch auf Dauer etwas zu bieten hat. Auf jeden Fall haben Siock Sico mit Maiden Voyage eine Visitenkarte auf das silberne Tablett des Butlers am Eingang zum Rock'n'Roll-Palast gelegt, die ihnen wohl Türen öffnen wird. Man darf gespannt sein auf das, was als Nächstes kommt!

Wertung: +++½ (Jan Wölfer)

 

Loreena McKennitt – A Mediterranean Odyssey | Quinlan Road

{image}Wer die 52-jährige kanadische Musikerin Loreena McKennitt nicht kennt, hat etwas verpasst: Celtic-Folk mit mystischen und arabischen Einflüssen ziehen die Zuhörer seit 1985 in ihren Bann. Neben einer Auswahl von authentischen sowie klassischen Instrumenten spielen E-Gitarre und Schlagzeug zusammen mit ihrer prägenden Sopranstimme in totaler Harmonie und erzeugen einen sehr starken Klang, der auch live das Publikum mitzureißen vermag. Mit ihrem neusten Werk, der limitierten Doppel-CD A Mediterranean Odyssey, beweist sie dies. Das im Pappschuber mit Prägedruck gelieferte Werk enthält die beiden CDs The Olive and the Cedar, eine Best-Of (die Titel wurden von Loreena selbst ausgesucht), sowie die Live-CD From Istanbul to Athens, welche Live-Eindrücke von ihrer 2009er "Mediterranean"–Tour zeigt. Kombiniert wird dies mit einem 24 Seiten großem Booklet, das Eindrücke der Konzertreise präsentiert. Die "Mediterranean"–Tour zog sich von der Türkei bis nach Griechenland, über Nord-Zypern, den Libanon, Ungarn und Italien. Besser könnte eine Live-Aufnahme nicht gelingen: verschiedene Konzerte, super Aufnahmequalität, selbst die enorme Kraft der Live-Auftritte geht nicht verloren. Für Kenner und Fans auf jeden Fall eine Empfehlung. Jedoch ist The Olive and the Cedar eher enttäuschend ausgefallen: Eine simple "Best of"-CD mit einer Zusammenstellung, bei der acht von elf Liedern nur aus den Alben The Mask and Mirror und An Ancient Muse stammen. Die dadurch eher etwas überflüssig erschienene zweite CD enttäuscht vor allem treue Fans, die schon sehnsüchtig auf neues Liedgut hoffen. Trotzdem bleibt unter dem Strich ein sehr interessantes Doppel-Album, das zeigt, dass musikalische Vielfalt nicht zu unterschätzen ist.

Wertung:  ++++  (Jan Philip Brand)

 

Pillow Fight ClubAbout Face And Other Constants | Hazelwood

{image}Die Band Pillow Fight Club erinnert mit ihrem Namen an das Buch "Fight Club" von Chuck Palahniuk und den dazugehörigen Film von David Fincher. Aber "statt Womanizer Pitt und roher Fäuste dominieren faustische Doppel-X-Reflektionen in 120 bpm". Nun gut, soweit wie der Pressetext muss man dann nicht in die Materie einsteigen, die Fakten reichen auch schon: Die Band aus Hessen macht schon seit einigen Jahren zusammen Musik, 2005 erschien ihr Debüt Heart-Shaped Bombs, vor kurzer Zeit nun About Face And Other Constants. Musikalisch haben sich die vier Musiker dem Pop mit teilweise sehr indielastigen Elementen verpflichtet. So macht es sich der Elektro im Hintergrund bequem, der oft mit (in letzter Zeit bei vielen Bands sehr beliebten) Computer- und Konsolensounds für die Gitarre ein Nest baut. Die klingt dann wahlweise nach 60ern oder 90ern, ohne dabei aber irgendwie unpassend zu wirken – Kanten sollte man woanders suchen. Auf diesem Sound thront der Gesang, der an einigen Stellen so klingt, als sei die Sängerin schrecklich gelangweilt. Dass das auch toll klingen kann, beweist der ansonsten herrlich unsinnige zweite Song Not Interesting: "Everybody knows/that you dance like a fuck/as you fuck like a duck". Großartig. Oft fühlt man sich ansonsten an Electrocute und ähnliche Bands erinnert, dazu hier und da eine Prise Sonic Youth. Komischerweise hinterlässt aber kaum ein Song selbst nach mehrmaligem Durchhören einen bleibenden Eindruck. Dafür fehlen einfach die Kanten. Freunden leichten Indie-Pops ist das Reinhören aber mehr als empfohlen.

Wertung: +++ (Stefan Berndt)

 

Eloy – Visionary | ASR/Soulfood

{image}Das Album Visionary, das pünktlich zum 40-jährigen Jubiläum von Eloy erscheint, führt den Stil der Band in direkter Linie fort. Elf Jahre haben die Fans auf diese Scheibe warten müssen, aber es hat sich gelohnt, denn hier wird Progressive Rock vom Feinsten serviert. Starke Gitarrensoli, sphärische Keyboardsounds à la Pink Floyd und Frank Bornemanns markante Stimme waren und sind immer noch das Markenzeichen von Eloy. Die sieben Stücke sind allesamt hörenswert und verleiten zum Zurücklehnen und Augenschließen. Dass The Challenge und Mystery Fortsetzungen bereits bekannter Titel sind, lässt sich nicht verleugnen. Gerade so wird aber gezielt die Brücke in die Vergangenheit geschlagen. Bleibt für die Fans zu hoffen, dass es Frank Bornemann schafft mit seinen Mannen wieder auf die Bühne zu gehen und den Krautrock in dieser speziellen Ausprägung live zu präsentieren. Am Schluß noch ein Lichtblick für die Vinyl-Fetischisten: Es wird die Scheibe auch in Schwarz geben.

Wertung: +++++ (Rudi Brand)

 

Fat Joe – J.O.S.E. 2 (Jealous One's Still Envy) | Terror Squad

{image}Joey Don't Do It. Aber er hat es doch getan: mit Jealous One’s Still Envy 2 liegt nun schon die zweite Fortsetzung des Fat Joe Klassikers Jealous One’s Envy (1995) vor. Ungeachtet von Joeys musikalisch ohnehin fragwürdiger Entwicklung, hält dieser Longplayer keinesfalls das, was eine Fortsetzung von legendären Tracks wie The Shit Is Real oder Fat Joe’s in Town eigentlich verspricht. Wer hingegen auf Auto-Tune steht und gerne sinnfreien Clubsound in seinem Lowrider pumpt, der sollte sich das neue Album von Joey Crack unbedingt besorgen. Die Single Aloha, die es schon vorab als Videorelease zu sehen gab, ist mehr als bezeichnend für den Kurs der gesamten Platte. Im Video feiert der Fat Gangsta gemeinsam mit dem Akon-Abklatsch P Pleasure eine niveaulose Beachparty auf Hawaii, während im Hintergrund anspruchslos aneinander gereihte Synthesizer niederprasseln. Der echte Akon hat mit dem Stück One dann auch noch einen Auftritt auf J.O.S.E. 2, weitere Gäste sind Lil Kim, Lil Wayne und T-Pain. Allein für diese Auswahl sollte Fat Joe bei dem New Yorker Künstlerkollektiv D.I.T.C. einen Ausschluss auf Lebzeiten bekommen. Einziger Lichtblick in der Featureliste ist Raekwon, – dem hingegen gerade die Fortsetzung seines epochalen Werkes Only Built 4 Cuban Linx gelungen ist – der auf dem Song Ice Cream allerdings auch nicht dazu in der Lage ist, bedeutende Akzente zu setzen. Großen Anteil an der fehlgeleiteten Atmosphäre von J.O.S.E. 2 hat der nicht wirklich kreative Executive Producer Rico Love, der mehr Ohrenterror fabriziert, als würdigen Sound für den Kopf der Terror Squad. Music ist am Ende das einzige Stück, auf dem sich Fat Joe nachdenklich präsentiert, der Rest ist eine ungenießbar aufbereitete Cocktailmischung, die für einen gewaltigen Kater nach dem Hören sorgt.

Wertung: + (Andreas Margara)

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"