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Muff Potter

Muff Potter sind zurück und klingen auf Anhieb sympathisch, Flowin'Immos musikalische Melange ist wie immer schwer einzuordnen. Die Belgier Mintzkov Luna klingen nicht sonderlich inspiriert, während Peter Doherty ein tatsächlich hörenswertes Songwriter-Album abliefert. The Soundtrack of our Lives melden sich mit einem Urknall zurück, was nicht nur auf das Cover ihres Albums bezogen ist. Zu JONA:S' deutschem Rap in Tanzschuhen lassen sich wunderbar die Beine bewegen, zu Earotation lässt sich gut abrocken.

Für euch aufgelegt: Muff Potter, Flowin'Immo, Earotation, Mintzkov Luna, Peter Doherty, TSOOL, Jona:S

Muff Potter – Gute Aussicht 
| Huck'S Pla

{image}Dieses Album gibt's bereits seit Ende April und liefert gute Gründe, die CD an dieser Stelle zu besprechen, namentlich: Nagel, Dennis, Shredder und Brami. Das Münsteraner Urgestein geht ohne Major an den Start und definiert sich mal wieder neu. Jedes Album zeigt neue Seiten von Muff Potter. Was aber alle ihre Alben gemeinsam haben, ist die leise Enttäuschung, die sich beim ersten Mal hören mit in den Gehörgang schleicht. Das liegt aber nicht daran, dass ihre Aufnahmen schlecht wären. Ganz im Gegenteil, denn die älteren Werke werden über die Zeit im Herzen zu kleinen Schätzen – und genau an diese Erwartung hat das neue Album dann anzuknüpfen. Auf den ersten Ton kann es gar nicht gewinnen. Die Gute Aussicht?? ist auf Anhieb sympathisch, aber nicht besonders. Ich und so klingt ein wenig, als wäre es der Flensburger Konkurrenz geklaut worden und Alles war schön und nichts tat weh könnte genauso ein Liedtitel auf den Alben der Hamburger Schule sein, ist es aber nicht. Nagels Lyrics sind mit das sinnvollste, was deutschsprachige Bands zu bieten haben. Auf Sinnhaltigkeit abgeklopft und das wunderbare Stilmittel der Onomatopoesie eingebunden, ist das Fundament der Musik von Muff Potter standhaft. Gute Aussicht?? gewinnt von Anhören zu Anhören und bietet mit Blitzcreditbob typische Potter-Sounds mit einer typischen Berliner Message: arm aber sexy. Und so bringen Muff Potter mal wieder eine Platte, die sich nach dem zehnten Lauf durch den Gehörgang als Autofahr-, Jogging- und Partymusik etabliert, und die auf gar keinen Fall mehr vom MP3-Player gelöscht werden darf. Aktiv gegen Massenhypes: gute Aussicht!



Wertung:
++++ (Jasmin Weidner)

Flowin'Immo et Les Freakz – Immoment | La Cosa Mia

{image}Nach der gemeinsamen Arbeit mit Ferris MC und DJ Pee als Freaks Association Bremen, schickte Flowin'Immo sich erstmal selbst in Terra Pi (2001), um anschließend wieder in die Grenzenlose Freiheit (2005) einzutauchen. Immoment (2009) musiziert das Bremer Urgestein zusammen mit seiner abgedrehten Band Les Freaqz, mit der er u.a. schon Platz Doppel-Eins bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest an den Weserstrand gespielt hat. Urlaub am Attersee heißt der Erfolgstitel, den der Bademeister respektive Meisterbarde auch gleich mit auf sein neues Album gepackt hat. Rezensenten seiner Produktionen macht es Immo Wischhusen nicht ganz leicht, denn seine musikalische Melange ist häufig schwer auszumachen und lässt sich unmöglich kategorisieren. Als Basis dient dem Paradiesvogel nämlich eine außergewöhnliche Form des Sprechgesangs, wobei der Schwerpunkt zwischen Sprechen (bzw. Rappen) und Gesang munter variiert. Mit seinen Texten, die trotz abgefahrenster lingusitischer Abstraktion meist sozialkritisch sind, verleiht Immo dem Begriff Wortakrobatik eine völlig neue Bedeutung. "Wer sich nicht wandelt wird verwandelt, wer nicht handelt wird behandelt" (Alien) – und zwar mit einer groovigen Mischpoke aus Reggae, P-Funk, Chill-out, elektronischem und ja, sogar ein bisschen HipHop-Punk, den Immo sich aus den alten F.A.B.-Tagen bewahrt hat. Erklärter Fan von Flowin'Immo ist Clueso, der den Maestro auf So Easy unterstützt. Immoment erscheint über das Label "La Cosa Mia" von Fader Gladiator, mit dem Immo bereits Das Gift erschaffen hat und das es nun in neuem Ragga-Gewand ebenfalls auf die Freak-Scheibe geschafft hat. Mit seinem extrem vielseitigen Werk strapaziert Immo definitiv die Toleranz der Hörerschaft. Liebhaber der Komplexität und Verspieltheit wird er damit sicher begeistern, die breite Masse aber überfordern. Live sollte man sich den exzentrischen Entertainer aber keinesfalls entgehen lassen!

Wertung: +++ (Andreas Margara)

 

Earotation – Vanity Suits (EP) | Stereoflex Records

{image}Als "stimulierend, brachial aber auch einfühlsam und melodisch" bezeichnen Earotation ihre Musik – eine Mischung aus Rock und Punk-Rock soll es sein. Selbstbeschreibungen, allem voran in Verbindung mit Debütalben, sollte man allerdings zunächst einmal kritisch gegenüber stehen, auch wenn es sich um eine allgemein sehr positiv rezipierte Band wie Earotation handelt. Die versprochene "druckvoll-treibende Spielfreude" ist auf ihrer neuen EP Vanity Suits durchaus erkennbar. Dass ihre Musik "ehrlich und handgemacht" ist, soll auch nicht bestritten werden. Doch das Ganze schlicht dem Punk-Rock zuzuordnen, ist irreführend, da etwas zu vereinfacht ausgedrückt. So entsprechen Titel wie Chased by Shadows oder Passion deutlich dem klassischen Post-Hardcore-Schema: gitarrenlastig, klarer Gesang und zwischendurch ein wenig Geschrei. Vanity Suits You Better Than I kommt dagegen stark Pop-Punkig daher und Café Girl, eine ruhige Akustik-Ballade, entspricht am ehesten dem sanften Pop-Rock. Thematisch halten sich Earotation primär an persönliche Erfahrungen und ihre eigene Gefühlswelt, politisch wird ihre Musik an keiner Stelle. Alles in allem kein übles Album, allerdings auch nicht sonderlich innovativ. Während des Hörens schleicht sich häufig ein "das kenne ich doch irgendwoher"-Gefühl ein, was den Spaß am Album etwas trübt. Auch ist eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Songs nicht abzustreiten. Dennoch ziehen wir ein tendenziell positives Urteil, da es sich bei Vanity Suits um ein insgesamt stimmiges musikalisches Debüt handelt. Fazit also: Potential vorhanden, zum Nebenbei-Hören wunderbar geeignet.

Wertung: +++ (Alice Fleischmann)

 

Mintzkov Luna – M for Means and L for Love | Haldern Pop Records

{image}Mintzkov Luna heißt die nächste Band, kommt aus Belgien und ist wohl bisher nur eingefleischten Landsmännern und -Frauen ein Begriff. Doch so exotisch der Name klingt, umso weniger originell klingt die Musik der Band. Mit QOTSA-Gitarren bei Act real cool und waveigen Synthesizern bei Cargo wird hier nicht sonderlich Neues dargeboten. Auch Anleihen an die Manic Street Preachers sind zu hören (I do). Das alles wirkt insgesamt nicht sonderlich inspiriert, weder die Musik noch die Texte, die selten über Weltschmerz und den Verlust der Allerliebsten hinauskommen. Sowas tut natürlich keinem weh, aber mitgerissen wird auf M for Means and L for Love auch niemand. Die Information, dass das Album schon 2001 in Belgien veröffentlich wurde und erst jetzt auf "Haldern Pop Recordings" seinen Deutschland Re-Release feiert, macht es auch nicht besser. Selbst 2001 wären Mintzkov Luna nicht sonderlich aufgefallen. Zum Vergleich ein Ausschnitt aus dem Plattenjahr 2001: Slut - Lookbook, Phoenix - United, The Strokes - Is this it.  

Wertung: ++ (Thomas Laux)

 

Peter Doherty – Grace/Wastelands | Parlophone (EMI)

{image}"Oh nein, jetzt hat Pete das falsche Päckchen im 'Kulturbeutel' erwischt", werden vielleicht einige allzu boulevardmedienfixierte Doherty-Fans beim Anhören der ersten Soloplatte von Peter Doherty sagen. Folkig, roh und reduziert klingen die Lieder auf Grace/Wastelands, eben ein klassisches Singer/Songwriter-Album. Und gut ist es noch dazu. Doch man täuscht, wenn man dem Herrn Doherty dieses Album nicht zugetraut hätte. Schon auf der ersten Libertines-Platte geht es mit Radio America ruhig daher, was zu einem der besten Lieder auf einem der besseren Alben des 21. Jahrhunderts wurde. Und nicht nur der Klang ist neu, sondern auch der Name. Peter anstatt Pete. Ja, unter Boheme-Dichtern sollte man nicht so heißen wie jeder x-beliebige Barschläger. Distinktion hat noch niemandem geschadet.   

Doch weiter mit der Musik. Mr. Doherty geht auch in diesem Album wieder auf die Suche nach Arcadien (Arcady). Das Traum-Großbritannien bleibt der idealistische Fixstern seines Schaffens. In der ersten Single Last of the English Roses wird ein Depeche Mode-Beat mit akustischer Gitarre gekreuzt und Peter seufzt dazu herzerweichend "english roses", herrlich! Da erklärt sich auch die Doherty'sche Anziehung auf die Frauenwelt. Sonst wird in 1939 Returning die deutsche Geschichte behandelt und er liefert mit Salomé ein dahingehauchtes Liebeslied ab. Sweet By and By ist wohl das beste Lied auf der CD. Der Soundtrack für den Indieschwof auf dem Tanztee. Palace g'Bone geht wieder in die Richtung Babyshambles oder Libertines, kleines Riff trifft rumpelndes Schlagzeug. Gegen Ende des Albums gibt Peter Doherty mit New love grows an trees und Lady don’t fall backwards den Paul McCartney und zeigt somit eine weitere neue Seite seines Talents. Zu erwähnen ist weiterhin, dass sich Graham Coxon für den Großteil der Gitarren verantwortlich zeigt. Ein kluger und sehr hörenswerter Schachzug von Peter Doherty. Zudem reduzierte Stephen Street, Produzent von Blur und Morrissey, die 12 Lieder auf das Notwendigste und schiebt damit das Wichtigste, die Lieder an sich, in den Vordergrund. Insgesamt sicher ein Muss für alte Libertines-Anhänger und ist für jeden "Silence is the new loud"-Anhänger zumindest ein Anhören wert.

Wertung: ++++ (Thomas Laux)

 

The Soundtrack of our Lives – Communion | Haldern Pop Records

{image}Um manche Bands wird es jahrelang nur ruhiger, damit ein neues Lebenszeichen umso lauter sein kann. The Soundtrack of our Lives haben sich nach dieser Annahme mit einem Urknall auf der Landkarte des Psychedelic Rock zurückgemeldet. Ein Doppelalbum in Zeiten des iPods, das trauen sich nur die Menschen von Haldern Pop Records und sechs Schweden, die ihre Seele an den Teufel gegen ein Riff, drei Paar Cowboystiefel und ein Kiste Bier verpfändet haben. "Ein gutes Geschäft!" will man nach anhören von Communion sagen. Fünf Jahre mussten seit Origin Vol. 1 ins Land gehen, doch mit den 24 Liedern auf Communion ist TSOOL eine anständige Entschädigung für die lange Wartezeit gelungen. Es wird dabei alles aufgeboten, von bratzigen 70er-Jahre Riffs über psychedlisches Wabbern und Stampfen bis hin zu einschmeichelndem Pop. Vielleicht auch etwas zu viel auf ein Mal, denn TSOOL gingen konzeptuell an ihr neuestes Werk und beschäftigten sich mit Massenphänomenen und Massenpsychologie. Babel on zum Einstieg lullt den geneigten Hörer schon etwas ein und mit RA 88 wird ein Rhythmusgewitter losgetreten, das als Hymne für den Tanz um die brennende Gitarre taugt. Mensa's Marauders klingt, als hätten es David Bowie und Motörhead gemeinsam geschrieben. Flipside und Lost prophets in vain sind nahezu perfekte Pop-Songs. Communion zeigt verschiedenste Stile, die von TSOOL nahezu mühelos gewechselt und gemischt werden. An manchen Stellen wirkt das alles auch etwas zu mühelos, aber solch einer Band verzeiht man auch mal ein schwächeres Lied. Insgesamt braucht das Album einige Runden in der Anlage, um sein ganze mitreißende Breite zu offenbaren. Danach wird sich der Repeat-Knopf bei Communion weiter abnutzen. Es bleiben aber auch einige Fragen offen: 1. Wer sind die debil und seelenlos grinsenden Menschen auf dem Cover bzw. im Booklet? 2. Was trinken die, oder was haben sie gerade eingenommen? 3. Wäre Communion ein noch besseres Album, wenn es auf 15 Lieder reduziert worden wäre? Fragen über Fragen und die Antworten kann man hören, wenn man die beiden CDs rückwärts abspielt. Viel Spaß dabei.

Wertung: +++++  (Thomas Laux)

 

JONA:S – Elektrisch | jona-s.de

{image}Deutscher Rap in Tanzschuhen ist es, was JONA:S dem geneigten Hörer mit ihrer neuen EP Elektrisch versprechen. Erinnert zunächst einmal an Deichkind, die ihren Stil als "Tech-Rap" bezeichnen – ein Genre, das sie wohl selbst begründet haben und womit sie durchaus größere Erfolge verzeichnen. Wieso sollten also nicht weitere Bands auf diesen Zug aufspringen? Doch bereits ein kurzes Reinhören in JONA:S' Album genügt, um festzustellen: Hier wird nicht kopiert, denn diese Band hat sich einem ganz eigenen Stil verschrieben, auf den – objektiv betrachtet – die einleitende Kurzbeschreibung nicht exakt zu passen scheint. Die Musik kommt nicht ganz so tanzbar daher wie die Band-Website ankündigt und ist weniger Rap- und Funk-lastig als erwartet. Doch das macht sie keineswegs weniger interessant. Ganz im Gegenteil, denn bei JONA:S ist es nicht etwa der Beat, der die Tanzlust schmälern könnte, sondern der Inhalt der Lyrics. Klingt merkwürdig? Nur auf den ersten Blick, denn nicht die musikalische Untermalung alleine sorgt für Bewegungslust.

Mainstreamhafte Tanzbarkeit geht nicht selten einher mit wenig durchdachten und aussagearmen Texten. (Betrunken) mitgrölen zu können scheint den Beliebtheitsfaktor von Tanzmusik sogar erheblich zu steigern. Umso besser also, dass dies auf Elektrisch nicht zutrifft. Die musikalisch behandelten Themen als existenzphilosophisch zu bezeichnen wäre etwas gewagt, doch haben sie weit mehr Tiefgang und Relevanz für das Zielpublikum, als die Lyrics vieler anderer Elektro-/Hip Hop-Künstler. Im Mittelpunkt stehen wesentliche Aspekte des alltäglichen Lebens junger Menschen der heutigen, nun ja, nennen wir es Wohlstandsgesellschaft: Ein vergleichsweise breites Spektrum an Freiheiten und Wahlmöglichkeiten, viel Freizeit und komplexe zwischenmenschliche Beziehungen. Lobeshymnen auf all das sucht man jedoch vergebens – an manchen Ecken findet sich zwar ein Quäntchen Optimismus und Lebensfreude (allem voran in Steig ein), besungen werden allerdings vornehmlich die Schattenseiten der Spaßgesellschaft: Schnelllebigkeit, Bindungsängste, Betrug und Drogenkonsum. Eine kritische Bestandaufnahme stellt Sänger Jonas Schubert in Liedern wie Mehr mehr, Oh oh oh und Elektrisch an. Eine persönliche moralische Wertung bleibt dabei aus, was auf den Hörer einerseits befreiend wirkt, andererseits aber umso mehr zum eigenen Nachdenken anregt. Doch dafür ist der Dancefloor nicht der richtige Ort und legt man seinen Fokus einmal nicht auf die Texte sondern die Beats – eine Mischung aus Synthie-Pop, Elektro und Funk – lassen sich dazu wunderbar die Beine bewegen. Musik für jede Stimmung also.

Wertung: ++++ (Alice Fleischmann)

 

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"