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Ein wichtiger Schritt

Was verbirgt sich hinter der Neustarthilfe für soloselbständige Musiker und Kulturschaffende?

Tipps für Musiker und Bands von Daniel Nagel
veröffentlicht am 24.11.2020

coronakrise kulturpolitik neustarthilfe

Was verbirgt sich hinter der Neustarthilfe für soloselbständige Musiker und Kulturschaffende?

Die Neustarthilfe soll Soloselbständige gezielt unterstützen. © Backstage PRO

Nach heftiger Kritik aus der Kulturbranche an den Überbrückungshilfen plant die Bundesregierung Soloselbständige mit der Neustarthilfe effektiver zu unterstützen. Aber vielen gehen die Pläne nicht weit genug.

Der Hauptunterschied der Neustarthilfe im Vergleich zu den Überbrückungshilfen besteht darin, dass die Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Monate Dezember bis Juni 2021 eine "einmalige Betriebskostenpauschale" in Höhe von 25 Prozent des Umsatzes im Vergleichszeitraum erhalten sollen, maximal aber 5.000 Euro. 

Update, 26. Januar 2022: Dieser Artikel bezieht sich auf die Neustarthilfe der Monate Januar bis Juni 2021, für die keine Anträge mehr möglich sind. Aktuell können noch Anträge für die Neustarthilfe PLUS (Juli bis September und Oktober bis Dezember 2021) und für die Neustarthilfe 2022 (Januar bis März 2022) gestellt werden. Informationen dazu findet ihr hier.

Antragsberechtigt sind Soloselbständige, die

  • ansonsten im Rahmen der Überbrückungshilfen III keine Fixkosten geltend machen bzw. geltend machen können
  • ihr Einkommen im Referenzzeitraum (im Normalfall das Jahr 2019) zu mindestens 51 Prozent aus selbständiger Tätigkeit erzielt haben

Wie hoch ist die Neustarthilfe?

Die volle Betriebskostenpauschale wird gewährt, wenn der Umsatz der oder des Soloselbständigen während der siebenmonatigen Laufzeit von Dezember 2020 bis Juni 2021 im Vergleich zum Referenzumsatz 2019 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist. Für Betroffene, die erst ab dem 1. Oktober 2019 selbstständig sind, gelten Sonderregelungen.

Die Berechnung des Referenzumsatzes erfolgt so: Der durchschnittliche monatliche Umsatz des Jahres 2019 wird mit sieben multipliziert. Dieser Referenzumsatz dient als Basis der Berechnung der Neustarthilfe:

Jahresumsatz 2019

Referenzumsatz

Neustarthilfe (max. 25 Prozent)

ab 34.286 Euro

20.000 Euro und mehr

5.000 Euro (Maximum)

30.000 Euro

17.500 Euro

4.375 Euro

20.000 Euro

11.666 Euro

2.917 Euro

10.000 Euro

5.833 Euro

1.458 Euro

5.000 Euro

2.917 Euro

729 Euro

Auszahlung als Vorschuss

Die Neustarthilfe wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet, sondern zusätzlich ausgezahlt. Sie wird auch nicht auf die Ermittlung des Einkommens für die Berechnung des Kinderzuschlags angerechnet.

Zudem wird die Neustarthilfe als Vorschuss ausgezahlt, da die Umsatzeinbußen bei Beantragung nicht feststehen. Nach Abschluss des Förderzeitraums müssen die Begünstigten eine "Endabrechnung durch Selbstprüfung" erstellen. Um Betrug zu verhindern, finden Stichproben statt.

Rückzahlungen möglich

Wenn der Umsatz wider Erwarten über 50% des Vorjahresumsatz erreicht, muss die Neustarthilfe anteilsmäßig zurückgezahlt werden: “Bei einem Umsatz von 50 bis 70 Prozent ist ein Viertel der Neustarthilfe zurückzuzahlen, bei einem Umsatz zwischen 70 und 80 Prozent die Hälfte und bei einem Umsatz zwischen 80 und 90 Prozent drei Viertel. Liegt der erzielte Umsatz oberhalb von 90 Prozent, so ist die Neustarthilfe vollständig zurückzuzahlen. Wenn die so errechnete Rückzahlung unterhalb eines Bagatellbetrags von 500 Euro liegt, ist keine Rückzahlung erforderlich.”

Diese relativ großzügige Rückzahlungsregelung und der vergleichsweise hohe Bagatellbetrag sollten in der Praxis den Effekt haben, dass nur diejenigen zurückzahlen müssen, die trotz Coronakrise einen Großteil ihres Umsatzes erzielen.

Beantragung voraussichtlich ab Anfang 2021 möglich

Die Neustarthilfe wird in der Überbrückungshilfe III enthalten sein, die ab 1. Januar in Kraft treten wird. Die Beantragung wird voraussichtlich nicht direkt ab Jahresbeginn, sondern erst einige Wochen später möglich sein. 

Willkommener Kurswechsel der Bundesregierung

Bundeswirtschaftsminister Altmeier und Bundesfinanzminister Scholz bzw. deren Ministerien galten monatelang als diejenigen, die weitergehende Hilfen für Soloselbständige ablehnten, obwohl diese von den Überbrückungshilfen in vielen Fällen kaum profitierten. 

Dass sie sich jetzt auf verbesserte Hilfen geeinigt haben, ist eine gute Nachricht für alle Betroffenen, denn damit vollzieht die Bundesregierung einen lange geforderten Kurswechsel hin zu einem stärkeren Engagement für diese stark betroffene Berufsgruppe.

Das erkennt beispielsweise auch der Deutsche Musikrat an, der die Neustarthilfe und die sog. Novemberhilfe als "finanziellen Hoffnungsschimmer" bezeichnet. Viele andere Stimmen heben ausdrücklich hervor, dass der Bund erstmals die besondere Lage vieler Soloselbständiger anerkennt.

Ein wenig Lob, viel Kritik

Auf der anderen Seite üben zahlreiche Organisationen und Kommentatoren teilweise heftige Kritik an der Höhe und Ausgestaltung der Hilfe. Folgende Aspekte stechen besonders hervor:

  • Keineswegs jeder Betroffene kann damit rechnen, den Höchstsatz der Hilfe in Höhe von 5.000 Euro zu erreichen. Dazu ist ein Jahresumsatz von mehr als 34.000 Euro nötig. Es ist aber bekannt, dass das Durchschnittseinkommen vieler Kulturschaffender deutlich niedriger ist.
  • Der Höchstsatz von 5.000 Euro entspricht einer Hilfe von 714 Euro monatlich über sieben Monate. Obwohl diese Hilfe die Betroffenen fraglos entlasten kann, vermag sie die im Verlauf des Jahres 2020 entstandenen Einkommensverluste nur unzureichend auszugleichen.
  • Die Neustarthilfe bleibt zudem hinter dem in manchen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gezahlten Unternehmerlohn zurück. Falls der Unternehmerlohn in diesen Ländern weiter besteht, wird es wohl nicht möglich sein, die Neustarthilfe zusätzlich zu erhalten.
  • Die Betroffenen haben den Eindruck, dass sie im Vergleich zu Kurzarbeitern schlechter wegkommen. Obwohl zwischen selbstständiger und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung grundsätzliche Unterschiede in Hinblick auf Sozialleistungen bestehen, bleibt die Tatsache, dass in vielen Berufszweigen (insbesondere im Kulturbereich) Festanstellungen selten sind und die wirtschaftliche Lage der Betroffenen im Durchschnitt weitaus schwieriger ist als diejenige von Angestellten in der Industrie.
  • Wie bei den bisherigen Hilfen auch wird viel von der konkreten Umsetzung abhängen, die bislang noch vollkommen unklar ist. Das verstärkt die Unsicherheit und sorgt bei den Betroffenen für viel Frustration.

Unter dem Strich ist die Neustarthilfe ein Schritt in die richtige Richtung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dass die politische Debatte noch lange nicht abgeschlossen ist, wird dadurch ersichtlich, dass der bayerische Ministerpräsident Söder (CSU) schon jetzt mehr Hilfe für Kulturschaffende fordert.

Schon häufig starteten solche Programme mit sehr moderatem Umfang und wurden anschließend ausgeweitet. Das Problem besteht darin, dass den Betroffenen buchstäblich die Zeit davonläuft.

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