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Belüftungskonzepte für Veranstaltende

Zweiter Corona-Winter: Restart 2.0 soll klären, was live wirklich möglich ist

Spezial/Schwerpunkt von Christian Grube
veröffentlicht am 03.11.2021

coronakrise liveszene

Zweiter Corona-Winter: Restart 2.0 soll klären, was live wirklich möglich ist

Dr. Stefan Moritz leitet die Studie RESTART 2.0, für die im Puppentheater Halle die Auftaktmessung stattgefunden hat. © Restart 2.0 / Universität Halle/Saale

Mit der Studie "Restart 2.0" wollen Forschende der Universität Halle/Saale ein Bewertungssystem für die Raumlufttechnik in Veranstaltungsräumen erstellen. So sollen Veranstaltungen auch im Corona-Winter 2021/22 weiter durchgeführt werden können und Veranstaltende eine Perspektive erhalten.

Seit 20 Monaten hat die Corona-Pandemie die Welt im Griff. Die Veranstaltungsbranche zählt zu den ganz großen Verlierern der Krise. Während viele Bereiche – wenn auch eingeschränkt – weiterarbeiten konnten, wurden Konzerte, Tagungen, Messen usw. ersatzlos abgesagt.

Unzählige Berufstätige standen vor einer ungewissen Zukunft – und stehen es noch. Denn auch, wenn es im Sommer 2021 deutliche Zeichen der Entspannung der Corona-Lage gab, gibt es immer noch große Unwägbarkeiten für die Zukunft. Gerade der kommende Winter könnte die Epidemielage noch einmal drastisch verschlimmern. Daher will das Forschungsprojekt "Restart 2.0" der Branche nun eine Perspektive aufzeichnen.

Restart 2.0

Bei Restart 2.0 handelt es sich um eine Fortsetzung der Restart-19-Studie (Risk prEdiction of indoor SporTAnd cultuRe events for the Transmission of COVID-19, also etwa "Risikovorhersage für die Übertragung von Covid-19 bei Sport- und Kulturveranstaltungen").

Im Rahmen dieser Studie hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Martin-Luther Universität Halle/Saale im August 2020 versucht, die Risiken eines Corona-Ausbruchs bei Großveranstaltungen zu simulieren – und insbesondere Wege zu erforschen, unter welchen Bedingungen Konzert o.ä. sicher durchgeführt werden könnten.

Tim Bendzko als Versuchskaninchen

Für ihre Untersuchungen hatten die Verfassenden der Restart-19-Studie mit 1400 Personen in der Arena Leipzig ein Testkonzert mit Tim Bendzko durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Methoden zur pandemiegerechten Durchführung von Konzerten durchgespielt und das Verhalten der Besuchenden analysiert. Die Ergebnisse der Show waren vielversprechend:

  1. Die Zahl von mehrere Minuten langen kritischen Kontakten ist bei Großveranstaltungen überschaubar und durch Hygiene-Konzepte gut reduzierbar
  2. Kritische Kontakte entstehen vor allem beim Einlass und bei Pausen – darauf sollten Planungsschwerpunkte liegen
  3. Schlechte Belüftung erhöht das Ansteckungsrisiko massiv
  4. Eine Umfrage bei dem Studienkonzert ergab, dass 90% der Besucher keine Probleme hat über längere Zeit Masken zu tragen.
  5. Die Einhaltung von Hygiene-Konzepten sind die Auswirkungen der Pandemie überschaubar.  

Für den Studienleiter Dr. Stefan Moritz stand damit bereits 2020 fest, dass Veranstaltungen – unter bestimmten Bedingungen – auch unter Pandemie-Bedingungen stattfinden könn(t)en.

(K)eine Perspektive

Doch hat sich die pandemische Lage nun, gut ein Jahr nach Restart-19, natürlich stark gewandelt. Vor allem das Auftreten der aktuell vorherrschenden, hochansteckenden Delta-Variante lässt es fraglich erscheinen, inwiefern die Ergebnisse der Studie tatsächlich (noch) anwendbar sind. 

Genau hier soll Restart 2.0 nun anknüpfen. 2020 sollte erhoben werden, ob es generell möglich ist, Events durchzuführen – 2021 gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Halle/Saale einen Schritt weiter. Die neue Studie soll dabei helfen, ein einheitliches Bewertungssystem für die Raumlufttechnik in Veranstaltungsräumen erarbeiten.

Lüften ist das A und O

Die zentrale Fragestellung von Restart 2.0 lautet also: Wie können Ansteckungen durch die Luft bei Events verhindert bzw. vermindert werden? Studienleiter Stefan Moritz erklärt gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk:

"Eines der Hauptergebnisse von Restart-19 war, dass die Lüftung eine entschiedene Rolle spielt, ob Veranstaltungen sicher durchgeführt werden können, oder nicht. Wir messen daher nun etwa zehn verschiedene Szenarien unter verschiedenen Bedingungen durch. Zusätzlich zu diesen Messungen führen wir Computer-Simulationen durch, um so mehrere Ergebnisse zu erhalten."

Um die Messungen durchzuführen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an zwei Tagen Ende Oktober das Puppentheater Halle zu ihrem Labor gemacht.

Mithilfe von Puppen, die im Besucherraum verteilt sind, messen die Forschenden die Konzentration von Aerosolen, die von Nebelmaschinen "ausgeatmet" werden: Die Dummies atmen diese Luft ein und ein von der Berliner Charité entwickeltes Gerät misst die aufgenommene Aerosolmenge. Ùmit Hasirci vom Institut für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin erklärt:

"Wir wollen genau bestimmen, bei welchen Szenarien welche Aerosolmenge an verschiedenen Positionen ankommt und wie die Effizienz von Lüftungen und Filtern ist und so weiter."

Hoffnung...?

Das Projektteam wird ihre Messungen in den kommenden Wochen an neun weiteren Veranstaltungsorten in Halle, Leipzig und Berlin fortsetzen. Die ersten Ergebnisse sollen bis zum Jahresende vorliegen und dürften von den Veranstaltenden in ganz Deutschland mit großem Interesse aufgenommen werden.

Neben der Universitätsklinik Halle sind 2021 auch die TU Berlin und die Charité mit dabei. Restart 2.0 wird mit 300.000 Euro vom Wissenschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt, mit 150.000 Euro von der Staatsministerin für Kultur und Medien der Bundesregierung sowie mit rund 200.000 Euro Eigenmitteln der TU Berlin gefördert.

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