Eine Entscheidung und ihre Auswirkungen
Die Folgen der 1000-Streams-Grenze: Kritik an Spotify reißt nicht ab
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© Pew Nguyen
Um ab den 1. Januar 2024 eine Vergütung von Spotify zu erhalten, müssen Einzeltracks pro Jahr mehr als 1.000 Streams von mindestens 50 einzelnen Usern (unique user) erhalten.
Für Nachwuchsacts demotivierend
In einer ausführlichen Analyse [Link zum PDF] neuen Regeln kritisiert der VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen die Auswirkung auf Nachwuchskünstler, die durch die Demonetarisierung ihrer Musik zu Beginn ihrer Karriere demotiviert werden könnten.
Mit 1.000 Streams lasse sich zwar kein Auskommen erzielen, aber auch kleine Beträge seien für Nachwuchsacts motivierend und ein wichtiges Signal, dass Musik ein Einkommen generieren könne. Durch die Neuerungen bei der Spotify-Vergütung werde es für wenig gestreamte Künstler*innen unattraktiver, ihre Tracks überhaupt erst auf Spotify einzustellen.
Drohender Verlust musikalischer Vielfalt
Der VUT befürchtet durch die neuen Regeln auch den Verlust kultureller Vielfalt. Neben Nachwuchsacts sei auch in Mundart gesungene Musik sowie Nischengenre wie Jazz und Klassik besonders stark von der Neuregelung betroffen.
Darin erkennt der VUT eine Benachteiligung: Ein längeres klassisches Stück dauere deutlich länger als ein Popsong, benötige aber dennoch 1000 Streams, um eine Vergütung zu erhalten. Eine Orientierung an der Tracklänge erfolge hinsichtlich der Vergütung nicht.
Probleme auch für Rechteinhaber und Musikunternehmen
Im Hinblick auf Rechteinhaber großer Kataloge weist der VUT auf die Ungerechtigkeit hin, dass die Gesamtzahl der Streams keine Rolle für die Berechnung der Auszahlungen spiele. Ein Musikverlag, der 500 Songs mit jeweils 500 Streams verwalte, erhalte kein Geld, während ein Verlag, der 500 Songs mit jeweils 1.000 Streams verwaltet, eine Ausschüttung erhalten würde.
Auch wenn die im Beispiel verwendeten Zahlen rein theoretisch sind, so verdeutlichen sie doch die Willkür der Grenze von 1.000 Streams. Ein sachlicher Grund für die Festlegung auf diese Zahl ist nach wie vor nicht erkennbar.
Weiter weg vom user-centric Abrechnungsmodell
Entgegen der Bestrebungen, den monatlichen Abo-Betrag denjenigen Künstlern zugutekommen zu lassen, die der User tatsächlich hört (sog. user-centric payment model), bewegt sich Spotify mit dem neuen Modell in die exakt gegenteilige Richtung, da Streams für wenig gehörte Acts bei der Abrechnung nicht ins Gewicht fallen.
Der VUT erklärt sogar, durch die neuen Beschränkungen unterstelle Spotify den Hörern von vergleichsweise selten gestreamter Musik, dass es sich gar nicht um "echte Fans" handeln würde.
Fragwürdige Spotify-Argumentation
Der VUT hält auch die Begründung von Spotify für die Einführung der 1.000-Streams Grenze für wenig überzeugend. So kritisiert er, Spotify sei für alle dort eingestellten Titel Lizenznehmer, entscheide aber willkürlich, einen Teil der Songs nicht mehr zu vergüten.
Für diese nicht mehr vergüteten Titel führe Spotify ohne nähere Begründung eine Umverteilung "von unten nach oben" durch, da die eingesparten Gelder in den allgemeinen Tantiemenpool einfließen sollen.
Kleine Beträge können ausgezahlt werden
Als "absurd" bezeichnet der VUT die Aussagen von Spotify, die 1.000-Stream-Grenze "als Wohltat für Künstler*innen zu verkaufen". Er verweist darauf, dass einige Labels auch Kleinstbeträge auszahlen, während andere sie "bis zu einer Auszahlungsschwelle ansparen". Das sei etwas völlig anderes als die Streichung der Vergütung insgesamt, wie Spotify sie plane.
Es stellt sich daher die Frage, ob Spotify mit dem neuen Abrechnungsmodell gegen das gesetzliche Recht auf angemessene Vergütung (§32 UrhG) verstoße.
Erhöhung der Schwelle denkbar
Die gesamte Entscheidung von Spotify leide unter mangelnder Transparenz. Das ergebe sich schon daraus, dass unbekannt sei, warum Spotify die Zahl von 1.000 Streams gewählt habe.
Eine Erhöhung der Schwelle auf 2.000, 5.000 oder gar 10.000 oder eine "gestaffelte Auszahlung" ist nach Ansicht des VUT keinesfalls ausgeschlossen.
Fehlende Transparenz
Der VUT erklärt weiterhin, die mangelnde Transparenz sei schon jetzt ein Problem von Streaming-Abrechnungen. Rechteinhaber/innen müssten in die Lage versetzt werden, die Zahl der Streams pro Track sowie der "unique users" nachzuvollziehen.
Nur dann könnten sie die wirtschaftlichen Auswirkungen der Reform beurteilen und nachvollziehen, wie sich die Veränderungen auf Kataloge, Repertoire und Labels auswirkten. Aktuell sei nicht einmal ersichtlich, ob ein beispielsweise auf verschiedenen Compilations veröffentlichter Song für jede dieser Veröffentlichungen 1.000 Streams benötige oder ob die Streams zusammengerechnet würden.
Vorschläge für sinnvolle Reformen
Der VUT schlägt vor, die Streaming-Vergütung durch Reformen transparenter zu machen, ohne wenig gestreamte Künstler zu benachteiligen.
Neben der Einführung eines user-zentrierten Payment-Modells befürwortet der VUT die Einführung einer "Whitelist", in die sich Künstler/innen eintragen können, um weiterhin Auszahlungen auch für weniger als 1000 jährliche Streams zu erhalten.
Zudem könnten "die Vergütungen der ersten 999 Streams treuhänderisch verwahrt und mit Überschreiten der 1.000er oder anderer vertraglich vereinbarter Schwellen ausgezahlt werden."
Nachwuchsförderung
Statt die Major Labels noch reicher zu machen, als sie sowieso schon sind, wäre es weitaus sinnvoller, dem Vorschlag des VUT zu folgen und "die nicht mehr ausgezahlten Streamingvergütungen" an aufstrebende Künster/innen zu verteilen, die zwischen 1.000 und 2.000 Streams pro Jahr generieren und damit deren Einnahmen zu erhöhen. "Das wäre eine nachhaltige Förderung von Newcomer*innen und ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt auf der Plattform", so der VUT.
Bereicherung der Major Labels
So nachvollziehbar diese Vorschläge auch sind, sie werden daran scheitern, dass die Gelder ja vornehmlich an die Major Labels und die bei ihnen unter Vertrag stehenden Acts ausgezahlt werden. Dabei ist die schiere Zahl der von der Einführung der 1000er-Grenze betroffenen Songs gewaltig.
Wenn man den Zahlen des US-Medien-Analyse-Unternehmens Luminate glaubt, handelt es sich um mehr als 150 Millionen Tracks und damit mehr als 80 Prozent aller von Luminate erfasster Audio-Werke.
Laut einer bei DigitalMusicNews veröffentlichten Analyse des TuneCore-Gründers Jeff Price haben die neuen Regeln beträchtliche Umsatzverluste bei unabhängigen Distro-Unternehmen wie DistroKid, TuneCore oder CD Baby zur Folge, während die großen Labels ihren Umsatzanteil im gleichen Maß steigern können.
Wie kann man die neuen Regeln anders denn als Bereicherungssystem der Major Labels deuten?
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