Corona als Brandbeschleuniger
Jazzstudie 2022: Wirtschaftliche und soziale Situation von Jazzmusiker/innen weiter verbesserungswürdig
deutsche jazzunion coronakrise musikereinkommen studie
Urs Johnen ist Geschäftsführer der Deutschen Jazzunion und Co-Autor der Jazzstudie 2022. © Stefanie Marcus
Nachdem die Deutsche Jazzunion zuletzt 2016 eine Studie zur Lage der deutschen Jazzszene veröffentlicht hatte, folgt nun eine Neuauflage der Studie (PDF) für das Jahr 2022.
Dafür wurden rund 1.000 professionelle Jazzmusiker/innen in einer Onlinebefragung und einige ausgewählte Interpret/innen und Expert/innen in Einzel- und Fokusgruppeninterviews zu Themen wie der finanziellen Lage, Diskriminierungserfahrungen und der Coronabelastung befragt.
Ökonomische Verschlechterung
Auch wenn durch spezifische Förderung Verbesserungen in der Szene erzielt werden konnten, und die staatliche Hilfen laut Meinung der Teilnehmenden während der Coronapandemie den wirtschaftlichen Kollaps einiger Jazzkünstler/innen verhinderten, zeichnet die Studie insgesamt ein düsteres Bild der ökonomischen Entwicklung seit 2016.
So habe sich die Einkommenssituation, nicht zuletzt auch durch die Konzertabsagen in der Coronazeit, drastisch verschlechtert. Vor allem in Relation zur Gesamtbevölkerung stünden Jazzkünstler/innen deutlich schlechter da als noch vor sechs Jahren. Der Abstand zum durchschnittlichen Einkommen in Deutschland ist seitdem größer geworden.
Geschäftsführer sieht Nachholbedarf
Auch wirkten sich die zahlreichen Corona-Lockdowns und die damit verbundenen Auftrittsverbote negativ auf die Stimmung deutscher Jazzer aus. Einige geben zudem an, Angst vor Altersarmut zu haben. Tatsächlich liegen die erwarteten Monatsbezüge für Jazzmusiker/innen im Rentenalter unter der Hälfte des bundesweiten Durchschnitts.
Urs Johnen, Geschäftsführer der Deutschen Jazzunion und als Co-Autor mitverantwortlich für die Jazzstudie 2022, hebt die Relevanz der Ergebnisse der Jazzstudie 2022 deutlich hervor:
"Die Jazzstudie 2022 zeigt in unmissverständlicher Deutlichkeit, dass wir dringend Wege zu einer funktionierenden Altersvorsorge für Jazzmusiker/innen finden müssen. Eine Anhebung des Gagenniveaus und der Unterrichtshonorare kann dabei ein wichtiger Baustein sein. Eine vielen Kolleg*innen drohende Altersarmut werden wir aber nur im Schulterschluss mit der Sozial- und Kulturpolitik abwenden können."
Geschlechterfragen
Leicht positive Trends sind in Bezug auf die Einkommenssituation im unteren Bereich auszumachen. Auch ist der Frauenanteil unter den Befragten höher als noch 2016, beläuft sich aber insgesamt dennoch auf nur 27,3 Prozent.
In der aktuellen Studie wurden darüber hinaus zum ersten Mal konkrete Daten zu Themen wie Diskriminierung und Benachteiligung erhoben. Hier zeigt sich, dass 86 Prozent der befragten Jazzmusikerinnnen sich schon aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert gefühlt haben. Von den befragten Männern gaben nur knapp 13 Prozent an, solche Erfahrungen gemacht zu haben.
Ähnliche Themen
Repräsentative Befragung des miz
Studie zeigt schwierige wirtschaftliche Lage deutscher Berufsmusiker/innen
veröffentlicht am 25.04.2023 6
Genreübergreifende Bestandsaufnahme
Initiative Musik will deutsche Musikfestivals in bundesweiter Studie untersuchen
veröffentlicht am 23.11.2022 3
Traditionsverbunden
IFPI-Studie zeigt: Radio und bezahltes Streaming am populärsten in Deutschland
veröffentlicht am 21.11.2022 1
Ein systemisches Problem
GEMA-Studie zeigt Benachteiligung von Musikschaffenden beim Audio-Streaming
veröffentlicht am 09.09.2022 2
Liquidität garantieren
Coronakrise: Deutsche Jazzunion fordert Grundeinkommen als Soforthilfe
veröffentlicht am 25.03.2020