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Was passt wirklich?

Songdienlich spielen – Das Geheimnis eines guten Bandsounds

von Julian Schmauch
veröffentlicht am 12.04.2024

musikproduktion üben proben

Songdienlich spielen – Das Geheimnis eines guten Bandsounds

© Ben Collins via Unsplash

Zu viel, zu laut, zu unabgestimmt – es braucht nicht viel, um den Sound einer Band zu zerstören. Doch ein "Hört doch aufeinander" bringt erst dann etwas, wenn das Bewusstsein, worauf und auf wen man hören sollte, überhaupt da ist. Es geht für alle Bandmitglieder darum, das eigene Instrument "songdienlich" zu spielen. Aber was genau bedeutet das? Und was bringt es?

"Dem Song dienen" – das klingt vielleicht unterwürfiger, als es gemeint ist. Ich ergreife mal Partei für den wichtigsten Akteur einer Band, denn er kann so schlecht für sich selbst sprechen: den Song. Ohne Songs keine Band. 

Wenn aber die Bandmitglieder zu sehr auf sich und ihr Spiel konzentriert sind, spielen sie manchmal zu viel, zu wenig oder nicht das zur Stimmung des Songs passende. Und dann hilft die schönste Melodie und der einprägsamste Text nichts. 

Ein Gespür für den Song entwickeln

Kaum etwas ist, neben schlechter Technik am Instrument, so zerstörerisch für die Wirkung eines Songs, als wenn beispielsweise der Schlagzeuger während einer ruhigen Strophe nur so mit Fills um sich wirft, die Gitarristin mit dem Solo schon mitten im Chorus anfängt oder die Bassfraktion weder mit dem Rhythmus der Drums, noch mit den Harmonien der Gitarre mitgeht. 

Songdienlich zu spielen kann also bedeuten, dass man sich an seinem Instrument zurücknimmt und ein Gespür dafür entwickelt, was zum "Vibe", also zur Stimmung des Songs, am besten passt.

Woher weiß man, ob man nicht songdienlich spielt? 

Beim songdienlichen Spielen geht es auch darum, an jeder Stelle eines Songs darauf zu hören, ob das eigene Instrument möglichst effektiv das unterstützt, was gerade im Fokus steht. In den meisten Genres gibt es, was den Fokus betrifft, eine relativ klare Hierarchie: Melodie - Stimme - Rhythmus - Arrangement (also Saiteninstrumente, Klavier, Synths und mehr). 

Natürlich kann diese Abstufung in manchen Genres aber auch eine ganz andere sein: So gibt es zum Beispiel brachiale Spielarten des Metal, wo es kaum um die Melodie geht, die Stimme auch eher ein aggressives, kaum verständliches Brüllen ist und die Drums so schnell spielen, dass ein Rhythmus kaum noch zu greifen ist. Oder Ska-Bands, in denen Bläser, Gitarren und Klavier ständig um die akustische Vormacht ringen. Hier solltet ihr natürlich mit dem Blickwinkel des Genres an das Thema herangehen, in dem ihr Musik macht.

Es geht aber nicht nur bei Bands um Songdienlichkeit. Genauso kann man als allein produzierender Studio-Hocker in elektronisch dominierten Genres wie Hiphop, Elektro oder Techno zu viele Instrumente und Spuren mit zu unterschiedlichen Melodien und Rhythmen in zu unterschiedlichen Phrasierungen spielen lassen und damit den Song ins Stolpern bringen. 

Wie erlerne ich songdienliches Spielen?

Wer sich bisher noch etwas verloren fühlt, dem sei geraten, Songs, an denen man das Spiel seines eigenen Instruments orientiert, mit Mikro-Ohren zu analysieren. 

Was macht der Schlagzeuger bei den Übergängen, wie viel Platz lässt er dem Riff, wo schiebt er rhythmisch die Vocals an, wo pausiert er? Wo orientiert sich die Bassistin eher am Schlagzeug, wo eher an der Gitarre, wo ist sie das tragende Element? Und so weiter. 

So erhaltet ihr eine erste Idee, was mit "songdienlich" gemeint ist. Und mit diesem Eindruck geht ihr zurück zu eurem Instrument und auch wieder in die Band. 

Und jetzt hört ihr genau hin. Muss das Gitarren-Riff wirklich durchgehend in der Strophe spielen? Stört der Arpeggio-Synth vielleicht den Rhythmus und die Verständlichkeit der Vocals? 

Passen möglicherweise Stimmung des Instrumentals und Ausdruck in der Stimme nicht richtig zueinander? Wie wäre es, wenn die Drums den schnellen Rap in der Strophe mit einem anderen Groove besser unterstützen?

Schon im Proberaum songdienlich spielen

Diese und viele andere Fragen stellt man sich häufig im Produktionsprozess, vielleicht sogar mit einem Produzenten oder einer Produzentin zusammen. Aber schon im Proberaum und dann auf der Bühne kommen eure Songs viel besser zur Geltung, wenn ihr euch dort mit der Songdienlichkeit auseinandersetzt. 

Das kann und wird beim einen oder anderen Bandmitglied mit Sicherheit am musikalischen Ego kratzen. Man geht doch so auf in dem, was man spielt! Man zitiert die Vorbilder, hört das denn keiner?!

Nichts ist verboten

Keine Sorge, es geht in diesem Prozess nicht darum, alle Bandmitglieder musikalisch so zurechtzustutzen, dass man keinen Spaß mehr hat und Soli, ausgedehnte Jams oder das 10-Minuten-Epos irgendwie “verboten” sind.

Aber wenn ihr euch zusammensetzt und gemeinsam an der "Songdienlichkeit" arbeitet, werdet ihr garantiert schnell feststellen, ob alle Instrumente passend unterstützen oder zu sehr freidrehen. Ein Versuch lohnt, versprochen!

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