Übergänge in Songs
Das Salz in der Songsuppe: So setzt ihr Fills, Pausen und Effekte optimal ein
Unsere Tipps für die Übergänge in euren Songs. © princeoflove / 123RF
Eingangs gilt es aber die Frage der Notwendigkeit zu klären:
- Unterscheiden sich die Songparts zu sehr, führt beispielsweise eine sehr schnelle, aber ruhige Strophe, zu einem langsamen, in Halftime gespielten, aber sehr aggressiven Refrain, so ist der Sprung von einem zum anderen ohne jede Ankündigung, ohne jedes Innehalten oder Aufmerksamkeiterzeugen einer, der den Hörer verwirrt.
- Sind sich die Songparts zu ähnlich, ist also zum Beispiel die Gesangsmelodie in der Strophe und im Refrain die gleiche und an der Geschwindigkeit ändert sich auch nichts, ist die Herausforderung eher die, dem Hörer klar zu machen, dass hier etwas passiert, sich verschiedene Teile der Songgeschichte abwechseln.
Man kann das ganze analog zum Geschichtenerzählen sehen: Springe ich zu schnell und ohne Überleitung von einem Gedanken zum nächsten, wird mein Zuhörer verwirrt. Erzähle ich zu lange die gleiche Geschichte, schläft er ein.
Was gibt es nun für Möglichkeiten, um nicht einfach baukastenartig Songpart an Songpart zu reihen (das Arrangement-Layout der meisten DAWs, in dem man Blöcke und Clips einfach neben einander setzt, verleitet umso mehr dazu) und einen Song interessanter und Spannungsgeladener zu gestalten?
1. Pausen
Die einfachste und erstaunlich oft auch effektivste Form des Übergangs ist die Pause. Vor allem als Übergang von Strophe zu Refrain kann eine Pause, die je nach Songtempo eine Viertel oder halbe Note oder sogar einen ganzen Takt lang dauert, genau die Art von Erwartung und Aufmerksamkeit wecken, in der sich der jetzt folgende Refrain viel stärker entfalten kann.
Je nach Besetzung hat man hier unterschiedliche Möglichkeiten. Die Frage ist, ob man ein Stück nur Solo mit Stimme und Instrument schreibt, oder einen Song in einer Band mit den klassischen Besetzungen Drums, Bass, Stimme, Gitarre, Keys oder sogar einen Song in einer DAW ausproduziert. Je komplexer das Arrangement, desto mehr Möglichkeiten hat man hier. Pausiert die ganze Band das letzte Viertel im letzten Strophen-Takt und explodiert dann in den Refrain, erzeugt dieses kurze Innehalten sehr starke Spannung, die sich im Refrain dann entladen kann.
Siehe "Uptown Funk" von Mark Ronson und Bruno Mars. Bei 01:05 (hier mit etwas Vorlauf) bleibt Brunos Stimme ganz alleine, "Don’t believe, just watch":
Mark Ronson – Uptown Funk ft. Bruno Mars
Der Einsatz des Refrains kommt durch diese kurze Pause umso druckvoller. Ganz ähnlich wird es in "Hotline Bling" von Drake gemacht, nur ist es hier der Übergang zurück zur Strophe.
Pausiert nur die Bassdrum im letzten Takt vor dem Refrain oder der neuen Strophe, ist die Veränderung subtiler aber auch immer noch wahrnehmbar genug, dass Aufmerksamkeit geweckt wird. Beispiel hier "Insomnia" von Faithless – bei 2:07 setzt die Kick aus, und auch ohne das Lied zu kennen, bekommt man das Gefühl, dass gleich etwas passieren wird.
Dieses Pausenspiel ließe sich beliebig fortsetzen und ist genau deswegen auch eins, dass bei zu häufigem Einsatz in einem Song schnell seine Funktion als Spannungserzeuger verliert. Anders als bei Drumfills, die sich modernen Popproduktionen teilweise über einen ganzen Song hin nicht verändern, sorgen zu häufige und damit dann auch erwartbare Pausen in einem Song eher für Spannungsabfall.
2. Fills
Der Drumfill…! Oft der einzige Grund, warum man als Schlagzeuger überhaupt mehr als Bassdrum, Snaredrum und Hihat braucht. Ich übertreibe.
Aber hört man sich den vielleicht bekanntesten Drumfill an, Phil Collins' "In the Air Tonight" (3:16 min. im Video), und dann noch viele andere aus Rock- und Popsongs, merkt man schnell, dass es oft vor allem die Toms sind, die im Drumfill genutzt werden.
Phil Collins – In The Air Tonight
In gewissem Sinne lässt sich hier gut an die verschiedenen Pausen anknüpfen, die ich eben erwähnte. Bassdrum, Snaredrum und Hihat machen Pause, der Grundrhythmus des Songparts macht Pause. Der Rhythmus, die Sounds, die Struktur wird kurzzeitig gebrochen oder gelockert, die Aufmerksamkeit des Hörers angeregt, die Spannungskurve hochgezogen, um sich dann im nächsten Part zu entladen.
Generell würde ich in zwei Kategorien unterscheiden: starke und schwache Fills. Analog zu den großen Pausen und denen, die subtiler im Arrangement sind, kann auch ein Fill(-In) ein kompletter Bruch – rhythmisch wie tonal – mit dem vorangegangen Songpart sein oder eben nur ein leichtes Verstärken, Anheben und Betonen. Je komplexer und länger der Fill ist, desto stärker wird er Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Ein gutes Beispiel für einen sehr starken, sehr brechenden Fill ist diese Idee von Tré Cool in Green Days Song "American Idiot": Der Fill geht über ganze zwei Takte als Übergang von Refrain zu Strophe. Durch das Pausieren von Melodieinstrumenten und Stimme und den rhythmischen Bruch wird die nächste Strophe perfekt eingeleitet.
Das komplette Gegenteil ist dieser einzelne Schlag bei 01:52 in Massive Attack’s "Angel". Der Song hat sich düster brodelnd um die tiefe Basslinie zu einem Punkt entwickelt, wo er explodieren muss, um nicht einschläfernd zu sein. Der geflamte Schlag auf der Vier lässt die folgende Explosion umso größer wirken, kündigt er doch die damit einhergehende Veränderung des Drumsounds von elektronisch zu akustisch an.
3. Soundeffekte
In der elektronischen Musikproduktion hat man neben Fills und Pausen über die Nutzung von Samples und Effekten noch eine weitere Möglichkeit, Übergänge zu gestalten.
Gerade im Techno sind Filtersweeps und Reversed Crash-Samples als Übergänge kaum wegzudenken. Das hohe Zischen im Hintergrund bei "Are you with me" von Lost Frequencies ist nichts anderes als ein Sample einer Crash, das umgedreht wurde, also rückwärts verläuft. Dadurch bekommt es einen saugenden Effekt.
Lost Frequencies – Are You With Me
Ein ähnlicher Soundeffekt lässt sich mit einem Filter oder Eq erzeugen, der mit einem Tiefpass über ein weißes Rauschen (lässt sich in den meisten Synthesizern sehr einfach erzeugen) gelegt und automatisiert wird. Hier spricht man vom "Filter Sweep".
Als letzte Möglichkeit möchte ich euch den sogenannten "Delay Throw" vorstellen. Hier legt man einen Delay-Effekt auf die Stimme oder die Snare und fährt den Effekt nur kurz an auf der letzten Silbe oder dem letzten Schlag. Diese/r bleibt dann als Echo (lässt sich gut mit einer Pause verbinden) stehen, ein ähnlich saugender, überleitender Effekt entsteht.
Meine Praxistipps für euch:
In meiner Arbeit als Songwriter und Komponist verbringe ich den allergrößten Teil des Produzierens mit dem Feilen an Übergängen. Sind Akkorde einmal komponiert, ein Text geschrieben und Rhythmus und Arrangement definiert, bildet sich oft schon eine erste Idee einer Spannungskurve heraus. Diese dann aber über die Songlänge nicht abfallen zu lassen, sondern sogar noch zu steigern, ist eine große Herausforderung.
Ziel meines Artikels war es einerseits euch einige Beispiele von Übergängen zu zeigen, anderseits aber auch ein Bewusstsein zu schaffen, wozu sie gut sind. Noch einige abschließenden Tipps:
- "Mikroohren". Fangt an bei euren Lieblingssongs darauf zu hören, wie die Übergänge gestaltet werden! Selbst kleinste Pausen oder Fills können genau das sein, was den Übergang ausmacht.
- "Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht". Hört ihr einen Fill, der euch gefällt, baut ihn doch einfach mal eins-zu-eins in euren Song ein.
- "Keine Angst vor Wiederholung". Man läuft schnell Gefahr, bei diesem Thema zu verkopfen und die Komplexität unnötig aufzublasen. Kommt ein und der selbe Fill drei, vier, fünf Mal im Song und funktioniert, dann seid ihr (und natürlich die Musikpolizei in der letzten Reihe) wahrscheinlich die einzigen, denen das zu langweilig wird. Ein Beispiel: Taylor Swift – Shake it Off. Die vier Klatscher bei 00:40 tauchen als Übergang zum Prechorus und in den Refrain noch mindestens vier Mal im Song auf, ohne jede Variation. Auch in Felix Jaehn’s Remix vom Überhit "Cheerleader" nutzt einen Fill im immer gleichen Rhythmus (ich zähle 6 Wiederholungen).
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