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Trends und Umsätze

Deutscher Musikmarkt: Ausgaben für Musik steigen, Radio bleibt wichtig, Streaming dominiert

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 10.05.2024

musikbusiness bvmi

Deutscher Musikmarkt: Ausgaben für Musik steigen, Radio bleibt wichtig, Streaming dominiert

© Darya Sannikova via Pexels

Der Bericht "Musikindustrie in Zahlen" des Bundesverbands Musikindustrie liefert zahlreiche Details zu steigenden Ausgaben für Musik, dem Wachstum des Streaming-Marktes, der Beharrungskraft physischer Tonträger und der fortdauernden Bedeutung des Radios.

Wir hatten bereits berichtet, dass die deutsche Musikindustrie ihren Umsatz auch im Jahr 2023 gesteigert und im fünften Jahr in Folge ein Wachstum verzeichnet hat.

Jetzt liegt mit dem BVMI-Bericht "Musikindustrie in Zahlen" [Link zum PDF] aber eine weitaus genauere Datengrundlage vor.

Gesamtmarkt wächst

Der Umsatz durch den Verkauf von Musik im Jahr 2023 belief sich aus 2,21 Milliarden Euro, eine Steigerung um 6,3 Prozent. Der Großteil des Wachstums resultierte aus steigenden Streaming-Umsätzen, die um 8,4 Prozent von 1,5 auf 1,65 Milliarden Euro stiegen.

Bis 2026 erwartet der BVMI einen Umsatzanstieg für den Gesamtmarkt auf 2,6 Milliarden, wobei Streaming der Wachstumstreiber bleiben wird.

Streaming wächst stetig

Streaming wuchs auch in anderer Hinsicht stark: Insgesamt verzeichneten die Streaming-Plattformen 213 Milliarden Aufrufe, eine Steigerung von fast 12 Prozent im Vergleich zu 2022 (190 Milliarden Aufrufe). Von den Wachstumsraten der Jahre 2019-2021 (jährlich 30 Prozent) ist der Streaming-Markt aktuell weit entfernt, allerdings wuchs er 2023 stärker als 2022. 

Der Markt für physische Tonträger (CDs und Vinyl) ist erstmal seit vielen Jahren de facto stabil geblieben: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Umsätze mit Tonträgern leicht um 0,1 Prozent von 408 auf 409 Millionen Euro gestiegen.

Das liegt teilweise am Wachstum der Vinyl-Verkäufe von 4,3 auf 4,6 Millionen Einheiten, aber auch an den stark gestiegenen Preisen für Schallplatten, die dafür sorgten, dass der Umsatz von 124 auf 140 Millionen Euro wuchs (ein Plus von 12,6 Prozent).

Physische Tonträger: Umsatz stagniert, Einheiten nehmen ab

CD-Verkäufe brachen hingegen nochmal um mehr als 16 Prozent auf 16,2 Millionen ein (Vorjahr: 19,4 Millionen). Der damit verbundene Umsatz sank von 268 auf 253 Millionen Euro. Auch bei sonstigen Formaten wie DVD, Blu-Ray, Singles oder SACDs sind die Absätze deutlich rückläufig (minus 7 Prozent). Der Verkauf physischer Tonträger über alle Formate hinweg nahm 24,8 Millionen auf 21,9 Millionen Einheiten ab.

Starke Rückgänge ergaben sich auch bei Downloads, die um 10 Prozent von 42,3 auf 37,6 Millionen Einheiten zurückgingen. Der mit Downloads erzielte Umsatz sank von 45 auf 43 Millionen Euro.

Bemerkenswert: Die Zahl der angeboteten Tonträger ging kaum zurück und umfasste ungefähr 238.000 unterschiedliche Titel. Zuwächse ergaben sich dabei bei Pop-Alben, Rückgänge hingegen bei Klassik.

Umsätze nach Genre

Im Hinblick auf die einzelne Genre entfällt 24,3 Prozent der Gesamtumsätze auf Popmusik. Hip-Hop  erzielt 19,9 Prozent der Umsätze und Rockmusik 17,3 Prozent. Es folgen Dance (11,6 Prozent) Kinder- und Familienmusik (11 Prozent), Deutsch-Pop (4,2 Prozent) und Schlager (3 Prozent). Klassik und Jazz tragen zu 1,7 bzw. 1,5 Prozent zu den Umsätzen bei. Volksmusik spielt mit 0,3 Prozent kaum noch eine Rolle.

Während Hip-Hop und Dance in den letzten Jahren stetig gewachsen sind, verliert Rockmusik Hörer. Besonders deutlich sind auch die Rückgänge in Hinblick auf Schlager, Klassik und Volksmusik. Die Entwicklung von Deutsch Pop zeichnet sich durch eine Wellenbewegung mit größeren Schwankungen aus.

Verbreitung der Genre nach Formaten

In Hinblick auf die Genre ergeben sich grundsätzliche Unterschiede zwischen den jeweiligen Formaten. Das mit Abstand verbreiteste Genre auf Vinyl ist Rockmusik bzw. Heavy Metal mit einem Marktanteil von immer noch knapp 50 Prozent auf die Umsätze bezogen.

Der Anteil von Hip-Hop ist mit 8 Prozent Umsatzanteil vergleichsweise niedrig, wächst aber aktuell stark. Popmusik erzielt einen Anteil von 26 Prozent und ist im Vergleich der letzten Jahre relativ konstant.

Das Nischengenre Jazz, das im gesamten Musikmarkt nur 1,5 Prozent aller Umsätze ausmacht, erzielt im Vinyl-Bereich immerhin 5 Prozent und zeigt damit, dass auch ein nur von vergleichsweise wenigen Menschen gehörtes Genre beachtliche Umsätze erzielen kann. 

Im CD-Bereich gilt gleiches für Schlager (13 Prozent Marktanteil), Klassik (6 Prozent), Deutschpop (6 Prozent) und Kinder- und Familienmusik (7 Prozent). Manche Genre wie Dance Music hingegen existieren fast ausschließlich als Streaming-Format.

Radio bleibt populärstes Medium

In Deutschland haben Menschen im Durchschnitt pro Woche fast 20,9 Stunden Musik gehört. Damit liegt Deutschland leicht über dem weltweiten Durchschnitt von 20,7 Stunden.

Das Radio ist auch 2023 die meistgenutzte Form der Musiknutzung in Deutschland. Etwas mehr als ein Viertel der Musiknutzung entfällt auf das klassische Medium, das in den letzten Jahren nur einen leichten Rückgang verzeichnet.

Besonders auffällig: 2021 (also mitten in der Corona-Pandemie) war Streaming die meistgenutzte Form. In den vergangenen beiden Jahren hat das Radio nach dem Ende der Corona-Maßnahmen die Streaming Services jedoch wieder auf den zweiten Platz verdrängt. Es ist zu vermuten, dass das mit der häufigen Nutzung des Radios an Arbeitsplätzen zusammenhängt.

Alter liebt Radio, Jugend liebt Streaming

Im Hinblick auf die Altersgruppen ist erkennbar, dass mit höherem Alter auch die Radionutzung steigt. Bei Personen zwischen 55 und 64 liegt sie bei 42 Prozent, während diese Altersgruppe nur 17 Prozent der Musik als Stream hört. Gekaufte Tonträger spielen mit 17 Prozent ebenfalls eine größere Rolle als in jeder anderen Altersgruppe.

Aber auch in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 nutzen immerhin 19 Prozent das Radio, während nur 8 Prozent der 16-24-Jährigen Radio hören. Ob es sich dabei um einen Generationenumbruch handelt oder ob die Jüngeren auch mehr Radio hören, sobald sie ins Berufsleben eintreten, ist schwer vorherzusagen.

In der jüngsten Altersgruppe dominiert Streaming besonders stark: 50 Prozent der Musik wird auf Streaming-Diensten gehört. Kurzvideo-Apps und soziale Medien liegen mit 17 Prozent auf Platz 2 – das ist in keiner anderen Altersgruppe so. Alle Altersgruppen eint allerdings, dass sie gerne Videos streamen: 10 bis 18 Prozent der Musik wird auf diese Weise konsumiert.

Was hören die Deutschen am Liebsten?

Die Antworten auf die Frage "Welche der folgenden Musikrichtungen mögen Sie am liebsten?" zeigen klare Unterschiede zwischen den Altersgruppen, aber auch Gemeinsamkeiten.

Internationaler Pop belegt in allen Altersgruppen mit Zustimmungsraten zwischen 60 und 72 Prozent den ersten Platz – nur bei den Ältesten (70+) kommt Pop lediglich auf 28 Prozent. Deutsch-Pop erfreut sich ebenfalls breiter Beliebtheit, nur die Ältesten schalten dabei tendenziell ab. In den beiden jüngsten Altersgruppen ist Deutsch-Pop sogar das beliebste Genre.

Auch die Musik der 1980er- und 1990er Jahre ist in allen Altersgruppen beliebt, sogar bei den Jüngsten (bis 19 Jahre) und Ältesten (70+). So bewerten 35 Prozent der Unter-19-Jährigen Musik dieser Zeit positiv, bei den 20-29-Jährigen sind es sogar 47 Prozent.

Auf überdurchschnittlich positive Werte kommt auch Internationaler Rock, der vor allem in den Altersgruppen zwischen 30 und 69 auf viel Zustimmung (51 bis 60 Prozent) stößt. Ähnlich ist die Verteilung in Hinblick auf Deutsche Rockmusik, wobei Deutsch-Rock bei den jüngeren Altersgruppen weniger beliebt zu sein scheint.

Altersmäßige Unterschiede

Naturgemäß gibt es auch Genre, die stark altersabhängig sind. So stoßen Deutsch-Rap und Internationaler Rap vor allem bei jungen Hörern Gehör (jeweils ein Drittel Zustimmung in den beiden jüngsten Altersgruppen). Gleiches gilt für EDM, die vor allem die Hörer vom Teenager-Alter bis 49 zu begeistern vermag.

Auf der anderen Seite stößt Klassik nur in den Altersgruppen ab 60 auf große Zuneigung, während Schlager auch ein gewisses Lebensalter voraussetzt, um zu gefallen. Allerdings stellt sich die Frage, bei wie viel Deutsch-Pop es sich einfach nur um Schlager mit einem anderen Namen handelt.

Ausgaben für Musik steigen

Trotz aller Probleme mit der Streaming-Vergütung ist es ein gutes Zeichen, dass Deutsche wieder stärker bereit sind, mehr Geld für Musik zu zahlen. 2023 gaben 31 Prozent der Deutschen Geld für Tonträger oder Premium-Streaming-Accounts aus, ein Anstieg von 3 Prozent gegenüber 2022.  

Ein wichtiger Grund dafür ist der Anstieg bei den 10- bis 15-Jährigen um fast 10 Prozent auf über 25 Prozent. Zuwächse beim Erwerb von Musik waren aber in unterschiedlichem Umfang in allen Altersgruppen zu verzeichnen.

Das liegt auch am Anstieg der Nutzer von Premium-Abos in der sog. Online-Bevölkerung. In dieser Gruppe stiegt die Zahl der Premium-Abonnenten von 31 auf 35 Prozent, während die Zahl der werbebasiserten Streaming-User bei 15 Prozent verharrte.

Apache 207 erfolgreichster deutscher Künstler

Die Top Drei in den deutschen Albumcharts des Jahres 2023 belegen die Rolling Stones, Depeche Mode und Metallica. Das Album "Gartenstadt" von Apache 207 landete auf Platz vier und ist somit das erfolgreichste Album eines deutschsprachigen Künstlers.

Auch die erfolgreichste Single geht an Apache 207 zusammen mit Udo Lindenberg veröffentlichte er die Single "Komet", die ebenfalls meist gestreamte Single in Deutschland war.

Deutsche Musik wird nicht im Radio gespielt

Die Airplay Charts zeigen hier ein anderes Bild. Lediglich "Komet" schaffte es auf Platz 15 bei Radiosendern und ist der einzige Song in den Top 25. Radiostationen in Deutschland spielen nach wie vor fast ausschließlich internationale Titel und das trotz des großen Erfolges deutschsprachiger Songs, der in den Single- und Streaming-Charts sichtbar wird.

Der BVMI kritisiert seit Jahren, dass Songs in deutscher Sprache im Radio keine Rolle spielen, ohne dass sich die Situation mehr als geringfügig ändern würde. Der BVMi sieht darin ein Versäumnis des Rundfunks: Sender könnten sich "gerade im Zeitalter globaler Playlists bei den hiesigen Hörer:innen mit lokalem Repertoire profilieren."

Im Musikhandel steigt die Bedeutung des Online-Handels, wobei der Anteil im vergangenen Jahr nicht stark gestiegen ist. Die fünf größten Musikhändler in Deutschland sind Amazon, Apple Music, der Schallplatten- und CD Händler JPC, Spotify und YouTube Music, wobei es Letzteres zum ersten Mal in das Ranking geschafft hat. Deezer wurde aus dem Ranking verdrängt.

Weltmarkt wächst

Die Umsätze auf dem Weltmarkt wuchsen 2023 um 10,2 Prozent auf 28,6 Milliarden US-Dollar. 667 Millionen Menschen nutzen kostenpflichtige Audio-Streaming Accounts – mit steigender Tendenz.

Deutschland bleibt der viertgrößte Musikmarkt weltweit. Platz Eins belegt die USA, gefolgt von Japan und Großbritannien.

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