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"Stillstand ist der Tod"

Interview mit Dieter Schubert, Gründer von a.s.s. concerts & promotion

Interview von Jan Paersch
veröffentlicht am 28.02.2018

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Interview mit Dieter Schubert, Gründer von a.s.s. concerts & promotion

Dieter Schubert. © a.s.s. concerts & promotion

Seit fast 40 Jahren ist Dieter Schubert als Konzertveranstalter im Business. Der Mann, der von sich selbst sagt, es entspreche seinem Naturell, im Hintergrund zu bleiben, gründete 1986 a.s.s. concerts. Später ging daraus die Indie/Alternative-Division Selective Artists hervor. Die Agentur, die ihre Zentrale im beschaulichen Hamburg-Rahlstedt hat, betreut Künstler wie Glasperlenspiel und First Aid Kit. Wir sprachen mit ihm über seinen Werdegang, die Branche damals und heute sowie den Umgang mit Künstlern.

Der Gibson Nightliner ist schon von außen beeindruckend. Innen blinken jede Menge blankpolierte Instrumente des Gitarrenherstellers. Der Bus steht unweit des 360° Dome auf dem Hamburger Heiligengeistfeld – eines der Zentren des Reeperbahn Festivals 2017. Dieter Schubert, ein imposanter Mann in Jackett und gestreiftem Hemd, hat sich vierzig Minuten seiner knappen Zeit genommen, um mit Backstage PRO in der Ledercouch-Ecke des Busses zu plaudern.

Backstage PRO: Dieter Schubert, wofür steht eigentlich die Abkürzung im Namen a.s.s. concerts?

Dieter Schubert: Als ich die Firma 1979 gründete, stand das für "Artist Service Schubert". 1986 haben mein neuer Partner Michael Bisping und ich beschlossen, den Namen in a.s.s. zu ändern. Damals saßen wir im Ammerland nahe dem niedersächsischen Oldenburg. Die dortige Behörde hat es mit der Begründung abgelehnt, das sei eine Wertung. Schließlich sei die höchste Spielkarte ein Ass. Nach einem Jahr haben wir die GmbH dann in Hamburg angemeldet, und da war das überhaupt kein Problem.

"Eigentlich wollte ich Sozialpädagoge werden"

Backstage PRO: Woher stammt Ihre Begeisterung für Konzerte?

Dieter Schubert: Das ist alles auf eine Aussage meiner Musiklehrerin zurückzuführen. Sie sagte zu mir: "Du bist einfach unmusikalisch". Im Rückblick ist das vielleicht eine Erklärung dafür, dass ich dann immer Musik habe machen lassen. Ich habe nie ein Instrument gelernt, obwohl der Wille da war. Aber diese Aussage hat mich geprägt. Der Name der Lehrerin war übrigens Schubert-Jahnke. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Backstage PRO: Erstaunlich! Als ob Konzertveranstalter Karsten Jahnke und Sie in einer Person vereint wären. Wie war ihr beruflicher Anfang?

Dieter Schubert: Eigentlich wollte ich Sozialpädagoge werden. Seitdem ich 14 Jahre alt war, habe ich mich in der Jugendarbeit engagiert. Während ich in Vechta und Emden Sozialwesen studierte, habe ich in der Nähe von Bad Zwischenahn ein Jugendzentrum mit aufgebaut. Dort habe ich bereits das Konzertprogramm gestaltet. Anfang 1979 habe ich dann die deutsch-indische Band Tri Atma getroffen.

Backstage PRO: Das klingt nach World Music.

Dieter Schubert: Genau, nur, dass es den Begriff damals nicht gab. Rock mit indischer Einfärbung. Tri Atma hatten gerade den Preis der Deutschen Phonoakademie gewonnen. Der Booker fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, für die Band zu arbeiten. Ich könne gleich übernehmen, er würde in einer Woche nach Indien fliegen. Ich habe die Band dann sechs Wochen begleitet, als Manager, Tour-Veranstalter, Merchandiser und Feuerschlucker. So nahm alles seinen Anfang.

Backstage PRO: Über 30 Jahre gibt es a.s.s. nun, jedes Jahr veranstalten Sie circa 1.200 Konzerte und zusätzlich Festivals. Pro Tourneesaison sind es um die 60 Acts. Das klingt nach einer Menge Arbeit.

"Wir sind bekannt dafür, viel Nachwuchsförderung zu betreiben"

Dieter Schubert: Wir sind über 30 Mitarbeiter. Die müssen ernährt werden. Wenn du nicht wie manch anderer Veranstalter fünf richtig fette Acts hast, die dich das ganze Jahr über Wasser halten, musst du mit vielen kleinen das Gleiche bewirken. Wir sind auch bekannt dafür, viel Nachwuchsförderung zu betreiben.

Backstage PRO: Wonach schauen Sie, worauf hören Sie, wenn Sie einen jungen Künstler verpflichten?

Dieter Schubert: Nun, ich selbst muss das gar nicht mehr hören. Ich habe als Geschäftsführer mit Personalverwaltung und dergleichen mittlerweile ein anderes Spielfeld. Aber unsere Leute müssen bei dem Künstler etwas erkennen, das sie umsetzen können. Eine gewisse Kommerzialität und Professionalität auf Künstlerseite ist unabdingbar. Man muss sich die Frage stellen: Gibt es noch mehr, was ich mit dem Künstler machen kann?

"Bei uns wird es keine Frei:Wilds und Böhsen Onkelz geben"

Backstage PRO: Wissen Sie, was angesagt ist?

Dieter Schubert: Das weiß man nie. Ich erlebe immer noch Überraschungen. Wichtig ist, dass man von seinen Acts überzeugt ist. Bei uns wird es keine Frei:Wilds und Böhsen Onkelz geben. Das passt nicht zu uns.

Backstage PRO: Wie war das Business in den Achtzigern?

Dieter Schubert: Da war es anders, es gab weniger Bands, aber auch weniger Auftrittsorte. Alles dauerte viel länger, man musste ja auch alles per Post versenden. Auch Demo-Kassetten! Während wir am Schreibtisch saßen, haben wir mehrere Kassettenrekorder hintereinander geschaltet und in Echtzeit kopiert. Eine sogenannte Kopierstraße.

Backstage PRO: Aktuell haben Sie Wishbone Ash, Donovan und Bob Geldof unter Vertrag – das waren früher mal richtige Stars.

Dieter Schubert: Man darf wohl sagen, dass sie zu uns nach Ablauf ihrer ersten Karriere kamen. Wishbone Ash habe ich Ende der Siebziger noch mit 10.000 weiteren Zuschauern in Bremen gesehen. Donovan hat Welthits geschrieben – heute kommen im Schnitt 600 Leute, was völlig okay ist. Die haben die große Welt des Showbiz gesehen und wissen, was sie nun erwartet.

"Die Deals sind härter geworden"

Backstage PRO: Ihre größten Namen auf ihrem Indie-Ableger Selective Artists sind Künstler wie Jose Gonzalez, First Aid Kit und Sophie Hunger. Wie läuft da die Zusammenarbeit?

Dieter Schubert: Es besteht heute kein so enger Kontakt mehr zu den Künstlern. Da sind Manager und englische Konzertagenten dazwischengeschaltet. Die Deals sind härter geworden, das Risiko größer und die Einnahmemöglichkeiten geringer, weil mehr Player beteiligt sind.

Backstage PRO: Warum hat sich das 2007 für Madonna eingeführte 360 Grad-Modell, bei dem eine Agentur Booking, Management und Label übernimmt, nicht durchgesetzt?

Dieter Schubert: Es ist sinnvoll, das alles zusammen zu führen, aber dazu muss man entsprechend aufgestellt sein. Ich weiß nicht, ob es so schlau ist, alle Kontrollmöglichkeiten in eine Hand zu geben. Man muss sich mit so vielen sehr verschiedenen Tätigkeiten auskennen. Das kann nur jemand wie Live Nation übernehmen. Dafür muss sehr viel Geld zur Verfügung stehen – wie im Falle von U2 oder Madonna.

"Man muss erkennen, was die Bands können und wo sie hinwollen"

Backstage PRO: Fury in the Slaughterhouse, Wir sind Helden und Juli haben ihre Karrieren bei euch begonnen. Wie macht man solche Bands in Deutschland groß?

Dieter Schubert: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Man muss erkennen, was die Bands können, wo sie hinwollen und was das Publikum will. Fury war mein Thema. Bei ihnen ging es zunächst darum, solide Clubtourneen zu machen, angefangen mit 400er-Läden, dann 800er, dann 1500er. Als sie die Kategorie ausverkauft hatten, die Große Freiheit in Hamburg, war klar, dass man auch in den Stadtpark gehen kann. Da konnten wir sogar zwei Shows mit insgesamt fast 10.000 Besuchern veranstalten. Ich hatte damals eine extreme Nähe zu der Band, die Wege waren kurz, da war so etwas schnell geklärt.

Backstage PRO: Gab es auch Bands, die sich auf solch großen Bühnen nicht wohl gefühlt haben?

Dieter Schubert: Juli war eine Band, bei der es eine Weile gedauert hat, bis sie auf den großen Bühnen zuhause war. Dafür waren einige Festival-Auftritte notwendig. Dabei lernt man sehr viel. Ähnlich verhielt es sich mit Glasperlenspiel. Die konnten wir bei Helene Fischers Stadiontournee unterbringen – und im Nu haben sie gelernt, wie man ein Publikum auf seine Seite bekommt.

"Mit Ritchie Blackmore werde ich nicht mehr arbeiten"

Backstage PRO: Gibt es Künstler, mit denen Sie nie wieder zusammen arbeiten werden?

Dieter Schubert: Die gibt es, Ex-Deep Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore zum Beispiel. Er ist erfolgreich, aber hochkompliziert. Mein Partner Michael Bisping hat ihn gehandlet. Wir haben zehn Jahre zusammengearbeitet und hatten sein Konzept auch verstanden: auf Burgen und Schlössern spielen. Da holst du sein Publikum ab, das auch zum Teil komplett in Ritterrüstung kommt. Aber er tickt anders. Blackmore hat mal eine Show geschmissen, weil die Bühne nicht im richtigen Winkel ausgerichtet war. Wir mussten 2000 Tickets zurückerstatten. Er kann sich das erlauben, aber er verhält sich auch so. Das ist nicht klug.

Backstage PRO: Festivals haben Sie weniger im Programm. Wie kommt das?

Dieter Schubert: 2016 haben wir mit einem Open Air im Sauerland begonnen, das wir fortführen werden. In Hamburg haben wir uns an einem Festival namens Soul im Hafen versucht. Die Idee war gut, vielleicht war jedoch das Konzept nicht ganz ausgereift. Jedenfalls hat es uns einen großen Verlust beschert. Es gibt nicht mehr viele Nischen, die man noch besetzen kann. Wenn ich hier in Hamburg dauerhaft Open-Air-Reihen etablieren will, habe ich die Kollegen von FKP Scorpio sofort im Nacken – das können die besser. Die haben die Routine und haben den Markt für sich schon so aufgeteilt, dass man da nicht gar nicht mehr hineinkommt.

Backstage PRO: Scorpio hat auch das Hamburger Open Air-Konzert der Rolling Stones im September 2017 veranstaltet.

Dieter Schubert: Ich ziehe den Hut vor dieser Leistung. Dass der Rasen im Park dafür in Mitleidenschaft gezogen wurde – so what? Der wächst nach. Die Veranstalter werden alles dafür getan haben, um den Schaden klein zu halten. Überhaupt ist schon der Auflagenkatalog für so ein Event immens, angefangen mit den Sicherheits- und Verkehrs-Konzepten. Was einem Veranstalter heute abverlangt wird – dafür muss man schon fast studiert haben.

"Mit 60 ist man eigentlich nicht der Typ, der ständig auf Events herumhetzt"

Backstage PRO: Wollen Sie mit a.s.s. noch expandieren?

Dieter Schubert: Wir müssen! Stillstand ist der Tod. Wir haben unsere Mitarbeiterzahl erhöht, und sofern wir Leute finden, die zu uns passen, werden wir wachsen. Wir werden auch die Firmenstruktur langsam verändern. Der Schwerpunkt liegt auf Selective Artists, a.s.s. wird dafür immer mehr in den Hintergrund treten. Ich selbst gehe nun auch langsam auf den Ruhestand zu. Mit 60 ist man eigentlich nicht der Typ, der ständig auf Events wie dem Reeperbahn Festival herumhetzt – das machen wir, weil es zum Job gehört. Aber mit 80 Jahren noch so involviert sein wie Karsten Jahnke, das könnte ich nicht.

Backstage PRO: Was hören Sie, wenn Sie abends nach Hause kommen?

Dieter Schubert: Ich höre zu Hause gar keine Musik. Im Auto höre ich nur Radio. Im Büro dagegen laufen alle möglichen DJ-Geschichten auf meinem Computer. Und im Thailand-Urlaub checke ich immer in ein Hotel ein, in dem rund um die Uhr DJs auflegen, House und so weiter. Andere wollen im Urlaub ihre Ruhe – ich finde das klasse.

Backstage PRO: Dieter Schubert, vielen Dank für das Gespräch.

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