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Seit 30 Jahren unterwegs

Jens "Bobo" Bornhöft über den Job als Tourmanager und das Leben "on the road"

Interview von Sebastian Wittag
veröffentlicht am 01.03.2024

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Jens "Bobo" Bornhöft über den Job als Tourmanager und das Leben "on the road"

© Jens Bornhöft

Tourmanager haben den vermeintlich anstrengendsten Job der Crew "on the road". Je nachdem, für welche Band man gerade arbeitet, kommen nochmal unterschiedliche Anforderungen hinzu. Die Grundaufgabe jedoch ist recht simpel: Die Tour reibungslos von Anfang bis Ende zu begleiten. Doch wo fängt man eigentlich an? Und wo hört man auf?

Bobo, mit gebürtigem Namen Jens Bornhöft, ist seit den 80er-Jahren als selbstständiger Tourmanager unterwegs. Bobo hat unter anderem für Amon Amarth, Cannibal Corpse oder Immortal gearbeitet. Aktuell ist er seit einigen Jahren unter anderem für Monster Magnet aktiv. Im Interview mit uns hat er noch mehr über seine Arbeit preisgegeben.

Backstage PRO: Hallo Bobo, stell dich doch bitte einmal vor!

Bobo: Mein Name ist Jens Bornhöft, allgemein unter Bobo bekannt. Das ist mein Spitzname, seit ich 12 Jahre bin. Ich arbeite als Tourmanager hauptsächlich für Rock- und Metal-Bands und hatte daher in den letzten Jahrzehnten das Privileg, die Welt zu sehen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich meine, ich sehe die Welt und werde dafür bezahlt. 

Backstage PRO: Wie lange machst du den Job als Tourmanager schon?

Bobo: Beruflich seit knapp 30 Jahren. Ich war aber auch schon während meines Studiums mit Bands auf Tour. Ich habe Geschichte und Sozialwissenschaften studiert, das hat sich als Bonuspunkt erwiesen. Da ich geschichtlich sehr interessiert bin, habe ich durch die Tourneen die Gelegenheit, sehr viele Orte oder Gegenden kennenzulernen. 

Backstage PRO: Mit welchen Bands hast du im Verlauf deiner Karriere zusammengearbeitet?

Bobo: Das sind eine ganze Menge: Amon Amarth, Monster Magnet, Lacuna Coil, Dimmu Borgir, Immortal, Ice Earth, Therion, Entombed, The Gathering, Moonspell, Danko Jones, Cannibal Corpse, Morbid Angel, Obituary, die ganzen klassischen Death Metal Bands. The Gathering und Lacuna Coil, die haben den symphonischen Female Voices-Metal im Grunde begründet, alle Copycats sind fett geworden, nur The Gathering nicht. Das ist so wie immer in der Musik. Ansonsten noch Axel Rudi Pell, UFO und The Addicts. Ich habe auch viel auf Festivals als Stage-Manager gearbeitet. Das ist schon ein kleines who is who der Szene.

Backstage PRO: Aber was ist genau dein Job? Ich denke, die meisten wissen, was ein Tourmanager ist, aber da gibt es ja sehr unterschiedliche Vorstellungen. Was ist für dich Tourmanagement?

Bobo: Bei den meisten Bands, für die ich arbeite, weiß ich natürlich schon weitaus länger als die Fans, wann eine Tour ansteht. Normalerweise stelle ich im Vorfeld die Crew zusammen. Bei einigen Bands arbeitet man immer mit der gleichen Crew zusammen. Wenn ich noch nicht mit einer Band gearbeitet habe, greife ich erstmal auf Empfehlungen der Band zurück oder ich sage, ich habe einen guten Tonmann, Lichtfrau, Backliner, Merchandiser, oder wer oder was eben gebraucht wird. Dann muss natürlich ein Bus beschafft werden und es stellt sich die Frage der Backline: Bringt die Band die Backline mit oder wird sie gemietet? Haben die Musiker Deals mit Marken? Durch Endorsements spart man natürlich Kosten, wobei viele Musiker auch Managements haben, die solche Sachen im Vorfeld selbst abklären. Das kommt immer auf den Einzelfall an.

Backstage PRO: Die Aufgaben variieren also von Band zu Band.

Bobo: Genau. Es gibt Bands, wo ich im Grunde im Vorfeld alles erledige, außer dem Booking und bei anderen Bands ist es so, dass ich mir hauptsächlich um das Advancing der Shows kümmere und dafür sorgen soll, dass die Shows am Abend gut laufen bzw. dass der Tag davor gut läuft. 

Backstage PRO: Kannst du bitte nochmal kurz erklären, was das Advancing ist?

Bobo: Das Advancing ist nichts anderes als das Vorbereiten der einzelnen Shows. Dazu spricht man dann mit den örtlichen Veranstaltern oder häufig auch mit den nationalen Veranstaltern. Eine Band, die seit 15 Jahren mit mir arbeitet, ist Monster Magnet. Die werden in Deutschland von Bernie von FKP Scorpio gebucht. Im Vorfeld der Shows bin ich dann mit Bernies Mitarbeitern oder FKP generell in Kontakt. Es geht es um Zeitpläne in den einzelnen Venues, da manchmal im Anschluss an das Konzert eine Disco stattfindet. Einmal war ich mit einer Band am Tag des Champions League Finals mit dem Bus in Paris, das war großartig, denn eigentlich ist Paris schon unter normalen Umständen ein Alptraum.

Backstage PRO: Was sind die Herausforderungen bei der Planung?

Bobo: Es gibt immer Besonderheiten. Beim einen Club darf man ab einer bestimmten Zeit nicht parken, beim anderen muss man sich zu einer bestimmten Zeit wieder vom Acker machen. Es gibt Venues, da weiß man ganz genau, was einen erwartet. In solchen Fällen reicht es, eine Mail zu verschicken. Das Z7 in Pratteln in der Schweiz, das werden vielleicht einige kennen, ist ein ganz stabiler und hervorragender Laden. Lange bevor ich mich bei denen gemeldet habe, hat der Club die Doors festgelegt, weil der Vorverkauf natürlich startet. Ich checke, mit wie vielen Vans wir unterwegs sind und dann schicke ich einen groben Zeitplan, wann wir reingehen, wann der Einlass beginnt, wann es warmes Essen gibt und so weiter. 

Backstage PRO: Essen ist heutzutage sicherlich nicht mehr so einfach wie früher.

Bobo: Absolut. Früher gab es Fleisch und die Vegetarier haben Salat und Pommes gegessen. Vor einigen Monaten war ich mit einem Bandpaket auf Tour, da hatten von 35 Leuten fast die Hälfte irgendwie eine Allergie, eine Unverträglichkeit oder waren vegan oder halal. Da ist es schon manchmal einfacher, einen Buy Out zu machen und jedem einen Zwanni in die Hand zu drücken, damit sich jeder selbst etwas bestellen kann. 

Backstage PRO: Aber wenn es keinen Buy Out gibt, musst du dem Club die ganzen Diäten, Allergien und Unverträglichkeiten mitteilen.

Bobo: Genau. Und dann muss man sich vielleicht noch um bestimmte Besonderheiten kümmern, weil es vielleicht irgendwas gibt, das der Künstler braucht, was es in dem Laden nicht gibt: Einen bestimmten Whisky oder weiß der Geier was.

Backstage PRO: Die Zeitpläne sind irgendwann gemacht und alle Details kommuniziert. Was ist dann deine wichtigste Aufgabe am Tag des Konzerts?

Bobo: Die wichtigste Aufgabe ist, immer präsent und ansprechbar zu sein. Je besser man vorbereitet ist, desto mehr kann man sich dann eben auf das, was ich immer den X-Faktor nenne, konzentrieren. Es kann ja immer irgendwas sein und man muss dann reagieren. Das kann ein Unwetter sein oder jemand wird plötzlich krank oder der Amp kackt ab, na ja, dann hat man einen Backup-Amp, aber irgendwie, irgendwas ist doch immer. Heutzutage passiert es gelegentlich, dass das Pult nicht mehr startet. Früher hätte man vielleicht nur eine Sicherung ausgetauscht, während man heutzutage schon ein Computerfachmann sein muss, um manche Sachen wieder in Gang zu kriegen. Wenn alles am Schnürchen läuft, kann man sich schon mal zurückziehen und die Local Crew die Sachen erledigen lassen.

Backstage PRO: Was sind die schlimmsten Sachen, die dir bisher passiert sind?

Bobo: Musiker mit Darmverschluss, das kann lebensbedrohlich sein. Der Musiker kam dann sogar noch aus dem Krankenhaus und spielte sitzend, während ihm speiübel war. Das war übrigens auch im Z7 vor sehr vielen Jahren. Der gleiche Typ hat sich dann auch mal einen Finger gebrochen und hat dann, das war in Bochum in der Zeche, mit irgendeiner Schiene die Tour durchgezogen. Lange war unklar, ob die Show stattfindet oder die Band ohne Bass spielt. Die beiden Gitarristen waren schon am Gucken, wie sie das machen können. Der Klassiker ist natürlich, dass der Sänger Husten hat und man die Show absagen muss.

Backstage PRO: Was sind denn generell die Unterschiede zwischen deiner Anfangszeit und heute?

Bobo: Der größte Unterschied zwischen meiner Anfangszeit in den 1990ern und heute ist der Technologiefortschritt. Wir haben damals Learning by Doing gemacht, Lehrberufe wie heute gab es damals gar nicht. Man kann inzwischen Eventmanagement studieren und sich die ganze Sache theoretisch aneignen, aber  letztlich muss man sehr gut mit Menschen umgehen können. Künstler sind oft kompliziert und wenn einer bestimmte Wünsche hat, dann bekommt er es auch, wenn er es bezahlt. Wenn er das Auto in den Swimming Pool fahren will, dann soll er es machen, ist ja sein Geld, nicht meines, aber so etwas gibt es heute natürlich auch nicht mehr.

Backstage PRO: Nutzt du denn die ganzen Apps, die es heute für Tourmanagement gibt?

Bobo: Ja klar, ich benutze Mastertour auf dem Handy. Meine ersten Kassenbücher habe ich noch per Hand geführt. Sobald Computer aufkamen, wurde das natürlich sehr viel leichter. Die größte Erleichterung ist für mich sicherlich die Einführung des Euro. Vorher eine Europatour zu spielen hieß für mich, in 13, 14 verschiedenen Ländern mit ebenso vielen Währungen zu spielen. Früher gab es auch keine Kreditkarten, alles wurde bar erledigt. Also habe ich ein paar Millionen italienische Lira locker gemacht, um Hotels zu bezahlen.

Backstage PRO: Krass. Dann bist du da einfach mit so viel Bargeld rumgelaufen?

Bobo: Ja, man musste warten, bis man wieder in Deutschland war. Ich bin dann bei der Bank mit einem Koffer oder einer Plastiktüte aufmarschiert und habe 30.000 DM per Blitzüberweisung eingezahlt. Versuche mal, heute 1.000 US-Dollar umzutauschen. Die meisten Banken wollen damit nichts zu tun haben, die denken gleich an Geldwäsche.

Backstage PRO: Solche Situationen laden natürlich zum Bescheißen ein.

Bobo: Absolut. Und nicht nur dabei, sondern auch in anderen Bereichen. Was die verkauften Eintrittskarten anging, da gab es auch krasse Sachen. Es gab eine Firma in Deutschland, die für sehr viele Veranstalter die Karten gedruckt hat. Diese Firma hatte eine Prägedruckung, denn früher gab es ja für jede Veranstaltung eine eigene Karte, nicht so ein hässliches Computerticket, sondern auf der Karte war immer beispielsweise das Layout der neuesten Platte drauf. Bei dieser Firma wurde bei einer Betriebsprüfung entdeckt, dass doppelte Kartensätze gedruckt worden sind. Das ist sicherlich 30 Jahre her. 

Backstage PRO: Das ist nie aufgefallen?

Bobo: Irgendwann schon. Da hat der Metal Hammer in der Westfalenhalle ein Festival gemacht, ein ganz berühmtes, großes Metal-Festival. Die haben die Leute aufgefordert, ihre Karten einzuschicken, um an einer Verlosung teilzunehmen. Dabei fiel auf: "Ey, hier haben wir die Nummer 3778 zweimal, das kann doch gar nicht sein." Solche Sachen sind heutzutage im Grunde unmöglich.

Backstage PRO: Was sollte ein Tourmanager heute können?

Bobo: Als Tourmanager möchte man, dass es dem Künstler so gut geht wie möglich, und dass ihm jeder Wunsch erfüllt wird. Aber manchmal ist es so, es gibt zwei Planeten, die kollidieren, der eine ist Realität, und der andere ist der Künstler. Dann muss man natürlich darauf achten, dass man im Budget bleibt. Klar kannst du im Fünf-Sterne-Hotel absteigen, aber es gibt auch günstigere Hotels. Am Ende schaut man, wo mehr Geld übrig geblieben ist, und das ist bestimmt nicht dann, wenn man im Fünf-Sterne-Hotel geschlafen hat.

Backstage PRO: Wie sehr hat der Job mit persönlicher Integrität zu tun?

Bobo: Es ist sehr wichtig, sich allen gegenüber korrekt zu verhalten. Sicherlich muss man für seinen Künstler eintreten, aber wenn er im Unrecht ist, wenn es Streitpunkte gibt, dann gibt es auch Wege und Möglichkeiten, eine Lösung herbeizuführen, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Schließlich will man ja wiederkommen. Und irgendwann kommt man ja immer wieder - die Bands vielleicht erst drei Jahre später, aber der Manager vielleicht schon sehr bald. Ich war eine Zeit lang häufiger in der Markthalle Hamburg als zu Hause in meiner Wohnung in Dortmund. 

Backstage PRO: Wie läuft die Zusammenarbeit vor Ort?

Bobo: Im Idealfall freuen sich die Leute, dass man kommt und denken: "Super, das wird vielleicht ein anstrengender Tag, weil der Künstler vielleicht ein bisschen anstrengender ist, oder weil es einfach viel oder anspruchsvolles Equipment ist, aber es wird ein geiler Tag, weil man zusammen arbeitet". 

Backstage PRO: Am Ende geht es also um Teamwork.

Bobo: Das ist das Allerwichtigste und da sehe ich mich auch als Tourmanager. Ich bin nicht die große Oberleuchte, sondern ich bin genauso wichtig wie der Merchandiser zum Beispiel. Der wird ja häufig vergessen, ist aber im Grunde auf jeder Tour unheimlich wichtig. Aber Merchandiser, die werden immer so belächelt, der verkauft ja nur Baumwolle, der ist aber der einzige Kollege oder Kollegin, der Geld einbringt. Ich koste nur Geld, die Gitarre kostet auch nur Geld, die Lichthupe kostet auch nur Geld, der Typ, der die Gitarren da jeden Tag ein- und auspackt, und wieder schön poliert, und die Seiten neu aufzieht, auch der kostet Geld. Es kommt aufs Teamwork an und darauf, Teamplayer zu sein. Eine gesunde Mischung aus Spaß und Ernst hilft dabei sehr. Man muss manchmal auch über Sachen hinwegsehen. Früher, wenn man in Osteuropa getourt ist, hat man schon mal ein selbstgebautes Pult gekriegt, irgendein Lichtpult, und das war's. Damit musste man auch klarkommen.

Backstage PRO: Danke dir für deine Zeit und viel Erfolg weiterhin!

Bobo: Ich habe zu danken.

 

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