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"Eine zeitintensive, aber lohnenswerte Knochenarbeit

Live-Initiativen und Fördervereine: Wie du die Konzertkultur in deiner Region mitgestalten kannst

Interview von Markus Biedermann
veröffentlicht am 03.05.2022

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Live-Initiativen und Fördervereine: Wie du die Konzertkultur in deiner Region mitgestalten kannst

Eric Richter, Gründer des Groove-Tonight-e.V. © (privat)

Erneut erwächst Hoffnung auf die baldige Rückkehr einer lebendigen Konzertszene. Entscheidend für ein starkes Kulturleben sind aber nicht nur professionelle Club- und Stadionevents, sondern auch, was sich auf lokaler Ebene tut. Wer dort Kultur mitgestalten will, muss sich rechtzeitig Gedanken machen und aktiv werden. Aber wie? Was müssen motivierte Akteure – Kulturfreunde, Musiker und deren engagierte Freundeskreise – beachten, die jetzt den Mut aufbringen und selbst etwas veranstalten möchten? Wir sprechen mit dem Gründer eines erfolgreichen Livemusik-Fördervereins über seine Praxiserfahrung und darüber, welche Tipps er Erst-Veranstaltern gibt.

Backstage PRO: Eric, als Gründer des Groove-Tonight e.V. förderst du seit 2015 Livemusik vor Ort. Wie sehr bremste Corona dich und deine Mitstreiter aus und wie beurteilst du die aktuelle Lage?

Eric Richter: Ich muss vorsichtig sein in meiner Beurteilung der Corona-Auswirkungen, da ich Veranstaltungen ja nicht hauptberuflich mache, also finanziell nicht davon abhänge. Da gibt es ganz andere Fälle, die in den letzten zwei Jahren arg gelitten haben: Technik, Security – letztlich alle, die tatsächlich hauptberuflich in diesem Business tätig sind. Dennoch hatten wir natürlich Verluste und Einbußen hinzunehmen, mussten viele Termine absagen. Die Situation jetzt erscheint mir ein bisschen wie Long Covid. Man weiß noch nicht genau: Ist man gut durchgekommen? Was kommt noch nach? Die Folgen sind bisher nicht komplett absehbar.

Backstage PRO: Ich glaube ja, dass bei kulturbegeisterten Menschen jetzt gewisse Nachholeffekte einsetzen und sich manche eventuell sogar selbst mehr engagieren wollen als früher. Allerdings sahen wir nach dem ersten Lockdown auch eine Chance für die lokale Musikszene, die sich aufgrund der weiteren Entwicklung nicht erfüllt hat. Wann ist die richtige Zeit, um sich aufzuraffen und wieder mehr Live-Sachen an den Start zu bringen?

Eric Richter: Ich blicke als Veranstalter ebenso wie als Bandmanager von zwei Acts, Cinematic und Stereometria, ja auf beide Seiten der Bühne. Es ist und bleibt kompliziert. Die starren Regelungen zum Beispiel bzgl. der Kapazitätsgrenzen, waren ein echtes Problem. Das ist vordergründig erledigt. Allerdings nützt das noch nichts, weil auf der anderen Seite die Frage im Raum steht: Wie reagiert eigentlich das Publikum?

Backstage PRO: Deine Einschätzung dazu lautet?

Eric Richter: Bisher ist es zweigeteilt: Einerseits gehen die Jüngeren wieder raus, sind heiß und warten darauf, dass etwas passiert. Diese Leute sind relativ locker bzgl. der Corona-Maßnahmen. Aber je älter das Publikum, desto vorsichtiger die Menschen. Entsprechend dem jeweiligen Event stellt sich also die Frage: Welches Kernklientel ist in welcher Anzahl bereit, in welche Location zu gehen? Für dieses Jahr wird unser Schwerpunkt deshalb nochmal auf Openairs liegen. Meine Haupt-Location ist ein toller Gewölbekeller, in den maximal 80 Leute passen. Da brauche ich noch gar nicht anfangen mit dem Booking, denn das ist für viele weiterhin ein No Go.

"Man kann sich im Worst Case finanziell echt abschießen"

Backstage PRO: Wer in dieser Lage motiviert ist, ähnlich wie du an einer lebendigen Livekultur mitwirken zu wollen; jemand, der oder die tatsächlich noch gar nicht den Background hat, noch keine Location, aber vielleicht selbst Musiker ist oder welche im Freundeskreis hat; ein junger Mensch mit dem Ziel, dass im Heimatort kulturell wieder was anläuft. Wie kann sich denn so jemand überhaupt aufstellen?

Eric Richter: Wichtig ist, die finanzielle Risiken von vornherein abzufedern. Selbst bei einem kleineren bis mittelgroßen Event kann man sich im Worst Case finanziell echt abschießen. Das kann eine Einzelperson privat schnell überfordern. Ein Verein hat da Vorteile. In diesen Zeiten jetzt sowieso. Es muss ja nur ein Hotspot entstehen kurz vorm Event. Ich bin froh, dass ich damals die Vereins-Variante gewählt habe.

Backstage PRO: Für dich gibt es also keine Alternative zum Verein?

Eric Richter: Doch! Die eine wäre, dass man Partner gewinnt, eine Firma oder einen anderen Verein, um auf deren Kooperation und Netzwerk zuzugreifen. Bei uns klappt es gut, die kommunale Ebene einzubeziehen. Wir kooperieren mit der Stadtverwaltung im Rahmen bestimmter Veranstaltungen. Solche Kooperationen sind immer abhängig davon, wie es vor Ort aussieht in Sachen Finanzen und Interessen der Kommune. Schließlich gibt es noch die Option, Fördergelder für den Live-Bereich zu akquirieren. Auch hier gibt es regional immer wieder Möglichkeiten, aber vor allem sind überregional Stiftungen, der Bund und die EU mit Finanztöpfen aktiv.

Backstage PRO: Worauf sollte man bei solchen Fördertöpfen achten?

Eric Richter: Alle setzen eigene Schwerpunkte. Und je größer die Töpfe, desto aufwändiger die Antragstellung und später die Dokumentation der Ausgaben. Zu bedenken ist darüber hinaus, dass die meisten Fördermittel nur an Vereine vergeben werden. Man muss also recherchieren, was und wer zu den eigenen Ideen passt.

"Das ist alles durchaus arbeitsintensiv"

Backstage PRO: Keine dieser Möglichkeiten kommt ohne echtes Engagement aus.

Eric Richter: Keinesfalls. Das ist alles durchaus arbeitsintensiv. Für einen Verein muss man beachten, dass es schon damit losgeht, erstmal Mitstreiter zu finden – mindestens sieben Personen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, um den Verein zu gründen. Da geht es um Vorsitzende, Kassenwart, Schriftführer und Kassenprüfer. Das ganze administrative rund um den Vereinsregistereintrag muss gestemmt, die Gemeinnützigkeit beantragt werden. Wichtig ist übrigens die klare Angabe des Vereinszwecks, nämlich die Förderung der Kultur und der Künstler! In der Folge müssen alle Sitzungen organisiert werden und vieles mehr. Wir sind 2015 mit elf Leuten gestartet, jetzt sind es 46. Im besten Fall kann man die Organisationsform dazu nutzen, die anfallende Arbeit schlau zu verteilen.

Backstage PRO: Brauche ich wirklich zuerst meine Mitstreiter oder eine Location?

Eric Richter: Natürlich ist es so, dass du hinsichtlich des Veranstaltungsortes ein Auge drauf werfen musst, welche Möglichkeiten bei dir in der Region bestehen. Aber das ist nach meiner Beobachtung erst der zweite Schritt. Du brauchst dir darum keinen Kopf zu machen, wenn du nicht weißt, wie alles organisatorisch strukturiert ist. Zuerst ist zu klären: wer macht da mit, wie kann ich das finanzielle Risiko beherrschen und wie kann ich die anfallende Arbeit verteilen? Du brauchst schlicht und ergreifend Leute, die wirklich bereit sind, bei der Technik, beim Aufbau, beim Abbau, bei der Plakatierung, am Eingang, bei der Bewirtung und so weiter mitzuziehen.

Backstage PRO: Der Start sieht also so aus: Suche nach Mitstreitern, Suche nach potenziellen Partnern. Die Idee steckt an und ich finde die ersten zwei oder drei Leute, die sich dafür begeistern. Dazu habe vielleicht tatsächlich den Kontakt zu einer Band, die noch mal ihre fünf Mann oder Frau mitbringt. Und schon hätte ich sozusagen ein paar Akteure, auf deren Schultern ich die Aufgaben irgendwie verteilen kann.

Eric Richter: Im Idealfall wäre es so, dass du schon jemanden kennst, der gute Connections hat. Zum Beispiel zu einem größeren Gewerbebetrieb, den du dann möglicherweise mit ins Boot holen kannst. Man muss den Freundeskreis mit dem entsprechenden Fokus scannen. Man sollte sich aber besser nicht allein darauf oder gar die Familie verlassen. Und viele Leute sind berufstätig oder pflegen schon andere Aktivitäten.

Backstage PRO: Auf lange Sicht wird der Anteil passiver Mitglieder wachsen müssen, die sich – wie in eurem Fall – über ihren monetären Beitrag beteiligen, aber mit dem Organisatorischen gar nichts zu tun haben.

Eric Richter: So ist es. Das ist total grotesk. Da hast du mit 20 Mitgliedern einen harten Kern von zehn Helfern und bist total stolz darauf, weil das für Vereine ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz ist. Und dann hast du irgendwann 50 Mitglieder, aber immer noch ein gutes Dutzend Aktive. Diese Erfahrung machen alle Vereine. Darum brauchst du erst mal den harten Kern, auf den du dich die ersten ein bis zwei Jahre verlassen kannst.

"Es kann passieren, dass du bei den ersten ein bis drei Konzerten drauflegst"

Backstage PRO: Wie hoch würdest du den finanziellen Einsatz ansetzen, den die Mitglieder einbringen müssen?

Eric Richter: Der Mitgliedsbeitrag hängt auch am Genre und der Zielgruppe. Wenn ich zum Beispiel etwas in Richtung Jazz machen möchte, dann habe ich wahrscheinlich Personen dabei, denen man 150 bis 200 Euro Jahresbeitrag abverlangen kann. Aber das ist zu viel bei einem Förderverein im Bereich Rock/Pop. Da sprechen wir eher von 50 bis 100 Euro im Jahr. Bei 10 Leuten ist das natürlich eine Einnahme, mit der du gerade mal ein oder zwei Konzerte machen kannst, die nicht gut funktionieren – dann ist die Kohle weg. Das heißt also, dass die Mitgliedsbeiträge am Anfang grundsätzlich mal kein großer Finanzierungsfaktor sind.

Backstage PRO: Also musst man zusätzlich zu den Mitgliedsbeiträgen noch irgendwelche anderen Einnahmequellen organisieren?

Eric Richter: Ja, und zwar bestenfalls solche, dich dich auch von den Eintrittskarten unabhängiger machen. Weil du damit rechnen musst, dass es bis zum ersten größeren Erfolg erstmal eine Anlaufzeit braucht. Es kann passieren, dass du bei den ersten ein bis drei Konzerten eben auch drauflegst.

Backstage PRO: In diesem Kontext spielt das Thema Bewirtung sicherlich eine Rolle.

Eric Richter: Das ist ein wichtiges Thema, wie ich dir am folgenden Beispiel zeigen kann: Ich habe mit Weil der Stadt das Konzept, dass wir beim "Weiler Strand Sommer" und beim Weiler Stadtfest mit den anderen Vereinen kooperieren. Ich sage: Ich organisiere hier die gesamte Livemusik, ihr könnt die Bewirtung übernehmen und damit was für eure Vereinskasse tun. Daran sind alle Vereine interessiert.

Backstage PRO: Du willst von den Einnahmen durch die Bewirtung gar nichts haben?

Eric Richter: Nicht immer. Bei einigen Konzerten meines eigenen Vereins ist die Bewirtung schon ein Finanzierungsfaktor. Es gibt aber auch Events, bei denen es besser ist, dafür einen anderen Verein mit ins Boot zu holen. Für diesen können das mehrere hundert Euro Überschuss für die Vereinskasse bedeuten. Im Gegenzug nutzt du den Partnerverein, um über dessen Struktur die Beantragung von Fördergeldern abzuwickeln, was wiederum die Basis dafür ist, das Ganze überhaupt organisieren zu können. Und dann darfst du andere positive Auswirkungen solcher Kooperationen nicht vergessen: Der Verein hat eine gewisse Anzahl von Mitgliedern und damit auch ein Netzwerk! Das ist gut für die PR und um weitere Helfer zu finden.

Backstage PRO: Ein interessanter Ansatz. Viele Veranstalter, auch Bands in Selbstorganisation, übernehmen die Bewirtung gerne selbst. Es ist oft sogar die Haupteinnahmequelle.

Eric Richter: Letztens traf ich jemanden, der hier in der Region so ein Rockabilly- und Punk-Festival organisiert. Er sagte auch, dass die Bewirtung bei ihm ein wichtiger Faktor sei und er ihn deshalb nicht abgibt. Bei uns ist es aber meistens anders. Die Erklärung dafür ist ganz einfach. Das Rockabilly-Event hat eine völlig andere Zielgruppe als wir, die deutlich mehr Getränke verzehrt. Auch hier muss eben jeder selbst prüfen, was am besten zur eigenen Idee und Konzeption passt.

Backstage PRO: Bewirtung ist ein Thema, das viele Möglichkeiten eröffnet. Ein befreundeter Veranstalter kooperiert zum Beispiel mit einem Winzer.

Eric Richter: Darauf will ich hinaus: Man muss für sich einfach beantworten: Was kann ich machen? Wo, wie und mit wem? Ein anderer Winzer hat vielleicht nicht nur tollen Wein, sondern auch einen Hof, der sich als Freiluft-Location anbietet. Durch solche Ideen entstehen Win-Win-Situationen. Aber es erfordert Brainstorming und den richtigen Riecher für solche Gelegenheiten.

"Es kann schnell alles ins Ungleichgewicht geraten"

Backstage PRO: So ein Riecher ist in gewissem Sinne ja ein Talent. Aber man muss teilweise ja handwerklicher an die Sache gehen, eventuell sogar an einen Businessplan denken – oder wie siehst du das?

Eric Richter: Schon. Als Verein musst du ja bei der Jahreshauptversammlung auch einen Businessplan für das nächste Jahr vorlegen. Du musst die Ausgaben und hoffentlich zu erwartenden Einnahmen darlegen. Zum Teil ist das schwer zu kalkulieren. Ich orientiere mich natürlich an den Erfahrungen der Vorjahre, aber in den letzten Jahren haben wir ja gesehen, wie schnell alles ins Ungleichgewicht geraten kann.

Backstage PRO: Was fällt unter normalen Umständen an Kosten an?

Eric Richter: Der größte Kostenfaktor sind natürlich die Künstler. Kommt drauf an ob Duo, Trio, Quartett und so weiter. Als Beispiel nehme ich mal 1000 Euro. Direkt danach folgt logischerweise die Technik. Hier hängt vieles davon ab: Gibt es jemanden im Dunstkreis der Akteure, der schon eine gewisse Basis an PA und Licht hat? Wenn du mit professionellen Firmen arbeitest, gehen die Kosten nämlich schnell durch die Decke. Die berechnen dann fürs Event 1500 Euro. Unser Verein hat den großen Vorteil, dass ein Mitglied klein angefangen und sein Equipment immer auf eigene Kosten aufgestockt hat. Ansonsten hätten wir das am Anfang gar nicht bezahlen können.

Backstage PRO: Welche Kosten gibt es noch?

Eric Richter Dann gibt es natürlich die ganzen Rahmenkosten, z. B. für die PR-Maßnahmen. Die Genehmigungen vom Ordnungsamt für Bewirtung und Plakatierung. Dazu GEMA, KSK und so weiter. Also kannst du noch mal locker 400 bis 500 Euro zusätzlich einplanen. Und so bist du, um bei dem Beispiel von 1000 Euro für die Band zu bleiben, relativ schnell bei einem Fixkosten-Faktor von ungefähr 2000 Euro. Wenn du jetzt – so wie wir – 15 Euro pro Ticket nimmst, brauchst du schon mal 130 bis 150 zahlende Gäste, nur um die Fixkosten abzudecken.

Backstage PRO: Bei euch geht die Rechnung auf?

Eric Richter: Ausreichend hohe Zuschauerzahlen hatten wir so gut wie nie! Das heißt, wir müssen Events immer bezuschussen und immer die Frage klären: Wo kriegen wir die Kohle her, um das entsprechend abzufedern? Allein anhand dieser Kalkulation kannst du erkennen, dass man höllisch aufpassen muss, wenn man privat und alleine Events stemmen will.

“Die Grundvoraussetzung ist Leidenschaft”

Backstage PRO: Trotz solcher Rechnungen würdest du aber niemandem davon abraten, eine Initiative zu starten? Oder anders gefragt: Warum sollte man sich nicht abschrecken lassen?

Eric Richter: Die Grundvoraussetzung ist Leidenschaft. Finanziell kannst du definitiv so gut wie nix reißen. Meine Intention war und ist: Ich will für die Kultur, für die Musik, für die Musiker, für die Szene, zur Belebung meiner Region aktiv sein, und auch ich möchte ein geiles Konzert erleben. Gleichzeitig muss man die eigene Ausgangslage unbedingt realistisch betrachten: Was habe ich bei meinem Grundkonzept selbst einzubringen? Bin ich zum Beispiel Musiker, kenne ich mich mit der Technik aus, habe ich vielleicht ein bisschen Equipment und wie steht es um meine Verbindung in die Musikszene? Wen kenne ich, der mich bei der Organisation unterstützen kann? Wie kann ich das Booking stemmen, bin ich zum Beispiel bei Backstage PRO aktiv und kann eure Angebote und Booking-Tools für mich nutzen? Habe ich einen großen Freundeskreis, der mir bei diesen oder jenen Kleinigkeiten zur Hand gehen kann? Es ist Realismus angesagt, wenn man sich einen Businessplan oder eine einfache Positiv/Negativliste macht: "Was kann ich und was brauche ich?" Und wenn ich neben meiner Leidenschaft auf die genannten Fragen noch zwei, vielleicht drei positive Antworten habe, dann sollte man es natürlich auf jeden Fall angehen.

Backstage PRO: Gut. Es geht also los. Woher kommt das Publikum?

Eric Richter: Also ich muss dir ganz ehrlich sagen, wenn ich in 2015 gewusst hätte, welche Probleme auf mich zukommen, ich hätte es wahrscheinlich nicht gemacht. Es ist so viel learning by doing. In meinem Fall hängt es aber damit zusammen, dass ich bestimmte Grundvoraussetzungen, von denen ich gerade sprach, nicht mitbringen konnte. Ich hatte in der Region kein funktionierendes Netzwerk. Ich hatte technisch keine Ahnung und kannte nur wenige Musiker. Was das potenzielle Publikum angeht, so habe ich mir mühsam ein Netzwerk über Facebook aufgebaut. Von meinen etwas über 2000 Facebook-Freunden sind alleine 500 hier aus der Region. Ich habe mittlerweile zudem einen Newsletter mit über 500 Empfängern. Publikum zu ziehen fällt anfangs natürlich leichter, wenn man über andere Schienen schon einen gewissen Bekanntheitsgrad in seiner Region hat. Ansonsten steht am Anfang: Kontakte, Kontakte, Kontakte! Ich habe mich mit jedem getroffen, der nicht bei drei auf'm Baum war und irgendwas mit Musik, Veranstaltungsorganisation und so weiter zu tun hatte. Du brauchst Multiplikatoren. Dann kommen nach und nach immer mehr Leute zusammen. Eine zeitintensive Knochenarbeit, ganz klar.

Backstage PRO: Gibt es Werbemaßnahmen, die sich ganz besonders bewähren?

Eric Richter: Auf der klassischen Ebene ist es tatsächlich immer noch das Plakat. Plakatieren ist aber nicht gleich Plakatieren. In den Anfängen unseres Vereins gab es den Wunsch: lass uns dafür doch eine professionelle Firma engagieren! Das geht, aber es kostet Geld. Und die hängen die Plakate zwar auf, kümmern sich hinterher aber nicht mehr darum. Darum mache ich das selber und wir haben es wie eine Wissenschaft verfeinert. Wir fahren jede Woche zweimal an unseren Plakaten vorbei und gucken, ob der Wind welche verdreht hat. Eben weil es ein extrem wichtiger Faktor ist. Es kommt auch darauf an, wie die Plakate aussehen. Band-Plakate zeigen oft das kunstvolle Motiv des jüngsten Albums. Das sieht womöglich wunderschön aus, ist aber an der Straße vom Auto aus nicht ausreichend gut zu erkennen.

Backstage PRO: Lieber schwarz auf gelb und große Lettern.

Eric Richter: So sieht's aus. Du musst einen Kontrast haben. Die nächste Frage: Wo hängst du die Plakate auf? Es bringt gar nichts, wenn du an einer Schnellstraße zwei oder drei davon platzierst, wo die Autos mit 80 oder 100 km/h vorbeifahren. Nimm eine Kreuzung, eine Ampel, wo die Autos stehen bleiben. Neben dieser Werbeform sind noch Social Media und Vorberichte in regionalen Zeitungen von Bedeutung. Also Follower aufbauen und Veranstaltungs-Ankündigungen publizieren. Dabei durchaus auch mit einem Werbebudget agieren. Bei Meta gebe ich bspw. manchmal 10 bis 15 Euro aus. Das erscheint wenig, streut aber enorm und ich kann 1500 bis 2000 Menschen erreichen, die ich zuvor noch nicht erreichen konnte.

Backstage PRO: Und dann noch Mundpropaganda und Daumen drücken.

Eric Richter: Am Anfang ist es schon eine echte Knochenarbeit und später bleibt es anstrengend und spannend. Aber wenn dann die Konzerte funktionieren und alle glücklich und zufrieden sind, hat sich der hohe Aufwand auf jeden Fall auch gelohnt.

Backstage PRO: Ich danke dir für deine Zeit und wünsche allen viel Erfolg, die motiviert dazu sind, etwas auf die Beine zu stellen und sich dabei vielleicht auch von deinem Enthusiasmus anstecken lassen.

Eric Richter: Danke. Wünsche ich auch: Alles Gute!

Unternehmen

Groove-Tonight-e.V.

Veranstalter in 71263 Weil der Stadt

Personen

Eric Richter

Veranstalter, Produzent, Bandmanager aus Weil der Stadt Initiator bei Groove-Tonight-e.V.

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