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"Wir wollen möglichst viel an die Bands zurückgeben"

Zwischen Idealismus und Nachhaltigkeit: Interview mit Robin Müller vom SPH Bandcontest

Interview von Michael Erle
veröffentlicht am 13.02.2018

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Zwischen Idealismus und Nachhaltigkeit: Interview mit Robin Müller vom SPH Bandcontest

SPH Bandcontest. © Simon Lehnert

"Wettbewerbe sind für Pferde, nicht für Künstler", sagte Bela Bartók. Oft verschrien als getürkte Geldmache der Veranstalter (zumindest von den Verlierern), haben Bandcontests doch vielen Acts den Weg auf größere Bühnen geebnet. Aber kann man einen Bandcontest machen, der gleichzeitig fair, erfolgreich und professionell ist? Backstage PRO hat mit Robin Müller, Gründer und Initiator des SPH Bandcontests, darüber gesprochen.

Backstage PRO: Der SPH Bandcontest geht 2018 in sein zehntes Jahr. Bist du zufrieden damit, wie er sich in dieser Zeit entwickelt hat?

Robin: Die Entwicklung des SPH Bandcontests ist für uns alle eine ganz besondere. Wir haben ihn gegründet, weil wir mit der Vorgehensweise bei anderen Contests sehr unzufrieden waren und uns gesagt haben: „Das können wir besser.“ Wir starteten im ersten Jahr lediglich mit 2 Konzerten und 12 Bands. Jetzt, einige Jahre später, haben wir mehr als 300 Shows pro Jahr in ca. 70 Städten. Insofern sind wir mit der Entwicklung schon sehr zufrieden.

Backstage PRO: Was wolltest du damals anders machen als andere Bandwettbewerbe?

Robin: Viele Bandcontests zielen allein auf den wirtschaftlichen Erfolg ab. Die Bands profitieren davon kaum. Das fanden wir, platt gesagt, ziemlich scheiße. Auch aus eigener Erfahrung. Andere wiederum haben aufgrund von zu viel Idealismus die Zahlen aus den Augen verloren und mussten daher die Segel streichen. Das bringt natürlich langfristig auch nichts.

Deshalb wollten wir immer solide und sicher wirtschaften, damit es die Auftritte und die Förderung für lange Zeit geben kann. Gleichzeitig wollten wir aber auch unseren Idealismus ausleben und möglichst viel an die Bands zurück geben.

Backstage PRO: Was für Vorteile hat diese Art zu arbeiten für die Bands?

Robin: Durch solides Wirtschaften konnten wir beispielsweise eine Kollegin ins Team holen und bezahlen, die sich ausschließlich und langfristig um Partner-Deals kümmert. Das hat eingeschlagen wie eine Bombe.

Mittlerweile haben wir ein sensationelles Partner-Netzwerk, und all diese Firmen tun wahnsinnig viel für die Bands, egal ob in Sachen Promotion oder fetten Preisen, ideell oder materiell. So was halten wir für langfristig sinnvoll. Davon haben die Bands doch viel mehr. Und das Gute ist: Dieser Weg setzt sich immer weiter fort. Für unsere Bands wird es also jedes Jahr geiler.

"Wir wollen die Ausbeutung der Künstler stoppen"

Backstage PRO: Hat sich an euren Zielen und Werten in der Zwischenzeit etwas geändert?

Die von uns gesetzten Ziele und Werte sind bis heute dieselben geblieben: Wir wollen die Ausbeutung der Künstler stoppen, Transparenz im Voting schaffen und Gemeinschaftssinn, Hilfsbereitschaft und Freundschaft zwischen den Bands fördern. Die Bands sollen so viel wie möglich von einer Teilnahme profitieren. Das Feedback der teilnehmenden Bands gibt uns immer wieder das Vertrauen, dass diese Werte und dieser Ansatz richtig sind.

Backstage PRO: Wie sieht euer Team Anfang 2018 aus?

Robin: Unser Kern-Team besteht aus einem Dutzend Leuten, die über ganz Deutschland verstreut arbeiten und studieren. Da kümmert sich dann einer um die Clubs, einer um die Bands, einer ums Marketing, einer um die Buchhaltung, einer um die Logistik, also Ticketing und dergleichen, einer um die IT, einer um das Design und so weiter. Da steckt eine Menge Zeit und Aufwand dahinter, bis es überhaupt zum ersten Konzert kommt.

Backstage PRO: Ihr veranstaltet 300 Konzerte im Jahr. Wie schafft ihr es, diesen Arbeits- und Vorort-Aufwand zu stemmen?

Robin: 300 Konzerte lassen sich nur durch optimale Koordination und Engagement jedes Einzelnen organisieren. Wir haben dafür feste Zuständigkeiten und Abläufe, die jeder kennen muss, bevor er bei uns tätig wird. Aber bei uns läuft es fast immer ohne Probleme, weil unsere Show-Manager vor Ort mit riesiger Euphorie und großem Interesse dabei sind. Sie werden von unserem „Kern-Team“ gebrieft und mit allem, was sie für die Shows brauchen, versorgt.

Backstage PRO: Wie findet ihr eure Jury-Mitglieder?

Robin: Unsere Jury-Mitglieder kommen aus ganz verschiedenen Bereichen. Wir haben ehemalige erfolgreiche Bands, die sich aktiv als Jury-Mitglied am Bandcontest beteiligen. Sie haben bereits dieselben Erfahrungen gemacht, die die Künstler auf der Bühne bei uns durchlaufen und können gute Tipps an die Bands weitergeben. Auch befinden sich oft Partner in der Jury, durch die unsere Bands immer wieder durch ihre Fachkompetenz und weitergegebene Erfahrung aus dem Musikbusiness profitieren.

Backstage PRO: Wer sitzt noch in euren Jurys?

Robin: Je nach Ort haben wir auch oft lokale Radioreporter, Promoter, Booker, A&R Manager, Audiotechniker, Musikstudenten oder Journalisten als Jurymitglieder. Durch diese enorme Vielfalt der Jury erhoffen wir uns, den Bands das bestmöglichste Feedback über ihren Auftritt geben zu können und die Bewertung so fair wie möglich gestalten zu können. Eines ist uns dabei besonders wichtig: Dass die Jury-Mitglieder ehrliches Interesse an den Bands haben und die Bands gemeinsam mit uns konstruktiv weiterentwickeln wollen.

"Die teilnehmenden Bands sollten unsere Werte teilen"

Backstage PRO: Was sollte sich eine Band, die über eine Teilnahme am SPH Bandcontest nachdenkt, vorher klar machen?

Robin: Uns ist es sehr wichtig, dass die teilnehmenden Bands unsere Werte teilen, vor allem Gemeinschaftssinn, Hilfsbereitschaft und Freundschaft. Miteinander, statt gegeneinander – auch wenn es natürlich am Ende darum geht, einen Gewinner zu ehren.

Backstage PRO: Wovon hängt der Erfolg einer Band beim SPH Bandcontest ab?

Robin: Erfolgreich ist am Ende die Band, die die Jury sowie unser Publikum überzeugen kann. Durch unsere 50-zu-50 Bewertung gilt es daher beide „Komponenten“ für sich zu gewinnen. Jeder Zuschauer bekommt hierfür einen Stimmzettel, der nur gültig ist, wenn für zwei Bands abgestimmt wurde. Die Jury bewertet die Künstler in drei Kategorien mit bis zu zehn Punkten: Erstens Komposition, Arrangement und Songwriting, zweitens musikalisches Können und Zusammenspiel der Band sowie drittens das Auftreten, die Bühnenshow und Präsentation.

Backstage PRO: Welchen Nutzen hat die Förderung durch den SPH Contest für die Bands?

Robin: Wir versuchen bewusst in die Breite zu fördern, das heißt nicht nur die absoluten Top-Bands mit Preisen und Förderung zu bedenken. Natürlich sollte jeder Band auch klar sein, dass ein Bandcontest alleine noch keine Musikkarriere macht. Trotzdem helfen die ersten Kontakte, die Auftrittserfahrung und die Vernetzung mit anderen Bands, Fans und unseren Partnern natürlich auf diesem Weg.

Backstage PRO: Hat alles, was ihr euch vorgenommen habt, funktioniert wie gewünscht?

Robin: Vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist aufgegangen. Wir sind aber auch noch lange nicht fertig. Mit unserem Förderpaket war ich beispielsweise gerade in der letzten Saison nicht zufrieden. Hier haben wir aber im Sommer richtig Gas gegeben, sodass 2018 richtig geile Geschichten im Förderpaket sind. Nur zwei Beispiele: Kostenfreie Musikmesse-Tickets für alle Bands sowie drei-Monats-Gratis-Abos von Gitarre & Bass, Sticks, Sound&Recording und Keyboards für ALLE Teilnehmer. Komplett umsonst, keine Versandkosten, keine Abo-Falle. Allein diese beiden Dinge zusammen haben einen Wert von rund 200 Euro.

Backstage PRO: Was steckt denn sonst noch in eurem Förderpaket?

Robin: Aktuell zehn weitere Aktionen: egal ob 40 Prozent Rabatt auf Merch, Gratis-Druckdatencheck, Studios, Lyric-Videos, Design-Arbeiten. Alles super gute Deals für so ziemlich alles, was eine Band braucht. Da kann sich, finden wir, keiner über die 50 Euro Teilnahmebeitrag beschweren. Wenn man sich nur ein bisschen mit dem SPH Bandcontest auseinandersetzt, hat man diesen Betrag X-fach wieder drin. Eigentlich schon mit der Teilnahme, spätestens aber durch die Umsatzbeteilung beim ersten Konzert.

"Wir nehmen uns Kritik immer sehr zu Herzen"

Backstage PRO: Wo besteht eventuell noch Verbesserungsbedarf?

Robin: Natürlich haben wir in den vergangenen Jahren nicht alles richtig gemacht und in Teilbereichen noch Luft nach oben. Wir hatten einige „Wachstumsschmerzen“ zu verdauen, und es gab einige Konzerte, die nicht rund liefen. Damit gehen wir offen um und reißen uns täglich den Arsch auf, um auch letzte Kritiker verstummen zu lassen. Wir nehmen uns die Kritik immer sehr zu Herzen und versuchen, alles zu verbessern.

Backstage PRO: Was gibt es aktuell für Neuerungen?

Robin: Wir haben jetzt auch eine Vereinbarung mit der GEMA getroffen, so dass jetzt auch Bands mit Musikern mitmachen können, die Mitglieder der GEMA sind. Das war vielen potentiellen Teilnehmern wichtig.

Backstage PRO: Was sind die größten Erfolge in eurer Geschichte - auch in Bezug auf teilnehmende Bands? Hat eine von ihnen den Contest als Sprungbrett zur nächsten Karrierestufe nutzen können?

Robin: Na klar! Sehr viele Bands und Musiker haben danach geile Dinge erlebt, z. B. fette Platten produziert, als Studio- oder Livemusiker bei großen Acts gearbeitet oder einfach ihr Projekt weiter verbessert, auch in Sachen Marketing. Das ist heute sicherlich genauso wichtig.

Wir nehmen uns nicht raus, deren Erfolg auf unsere Arbeit zu schieben – die Musiker sind einfach krass und deshalb erfolgreich. Trotzdem hoffen wir natürlich, unseren Beitrag zu deren Entwicklung geleistet zu haben. Wir arbeiten aktuell an einer neuen Rubrik für unsere Website, auf der wir die Erfolgsgeschichten einmal sammeln und natürlich auch weiter promoten wollen.

"Uns ging es nie darum, stumpf den Profit zu maximieren"

Backstage PRO: Ihr seid als gewinnorientiertes Unternehmen aufgestellt und stellt den Gemeinschaftssinn sowie die Nachwuchsarbeit ins Zentrum eurer Arbeit...

Robin: Genau, wir sind ein Unternehmen, kein Verein. Warum sind wir ein Unternehmen? Weil wir im Vergleich zu Vereinen gerne schneller agieren wollen. Nur auf die Weise konnten wir so schnell derart viele Auftrittsmöglichkeiten, wie sie aktuell angeboten werden, schaffen.

Das ist keine generelle Kritik an Vereinen, es gibt ja auch viele positive Beispiele. Jeder von uns ist in Vereinen aktiv, die er liebt. Für uns kam das aber nie in Frage, weil wir etwas Langfristiges schaffen wollen, dass am besten noch 100 Jahre Auftrittsflächen für Musiker bietet und uns als Personen überdauert. Das geht nur mit einem Mix aus Idealismus, aber eben auch gesunder Wirtschaftlichkeit. Heute nennt man das glaube ich „Social Business“. Das heißt aber nicht, dass wir stumpf den Profit maximieren. Darum ging es uns nie und darum wird es uns auch nie gehen. Das mit der Gewinnorientierung muss ich daher relativieren.

Backstage PRO: Aber im Prinzip arbeitet ihr wie andere Unternehmen auch?

Robin: Wir sind definitiv kein typisches Unternehmen. Wir sind nach wie vor fast ausschließlich Studenten, auch wenn der Zahn der Zeit auch an einigen von uns nagt (lacht). Ich mache zum Beispiel gerade noch meinen Master.

Mein Ziel war es immer, die Auftritte dauerhaft ermöglichen zu können, jedes Jahr auf’s Neue. Das geht nur, wenn man gute Leute langfristig bindet. Klar ist aber auch, dass jeder von uns in anderen Branchen finanziell besser weg käme. Wir bewegen uns in dieser Hinsicht auf einem studentischen Niveau und können daher möglichst viel an die Bands zurückgeben.

"Es gibt einige, die uns als pay-to-play abstempeln"

Backstage PRO: Wie sind die Reaktionen seitens der Bands auf diese Herangehensweise?

Robin: Es kann eigentlich jeder nachvollziehen, dass wir nicht von Luft und Liebe leben und arbeiten können. Davon lässt sich schließlich kein Personal, kein Club, kein Marketing, kein Preis und keine Konzertproduktion bezahlen.

Auch dass wir langfristig „da sein“ wollen befürworten die meisten Bands. Wir bringen jedes Jahr so viele Leute auf die Bühne. Bei 300 Konzerten pro Jahr sind das knapp 2.000 Auftritte. Auftritte, die sonst fehlen würden, um Erfahrungen zu sammeln, Kontakte zu knüpfen, sich auszuprobieren.

Insofern gibt es viele positive Reaktionen. Klar, es gibt auch einige, die uns trotz aller Gegenleistungen als „pay to play“ abstempeln. Etwas, das ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann, wie bereits erwähnt. Aber damit müssen wir leben.

Backstage PRO: Was sind eure Aussichten für die nächsten Jahre?

Robin: Unsere Hauptziele für die nächsten Jahre ist die Verbesserung der Show-Qualität, also des Ablaufs vor Ort. Dass bei 300 Konzerten im Jahr nicht jedes Konzert perfekt abläuft, ist klar. Wir wollen aber möglichst nah an hundertprozentige Zufriedenheit herankommen, sodass sich jede Band bei uns wohl fühlen kann und einzigartige, emotionale Auftritte beim SPH Bandcontest erleben darf.

Außerdem finden dieses Jahr auch unsere ersten Konzerte in UK und in Irland statt. Wenn ich Namen wie Liverpool, Manchester oder London höre, dann bekomme ich Gänsehaut. Von Dublin ganz zu schweigen. Wir hoffen auch, durch neue Kontakte und Auftrittsmöglichkeitendadurch im Ausland unser Netzwerk für die Bands zu erweitern. Im November geht’s los!

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