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Umgang mit einer Herausforderung

Initiative Urheberrecht fordert mehr Rechte und Vergütung für Urheber in Positionspapier zu Generativer KI

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 13.10.2023

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Initiative Urheberrecht fordert mehr Rechte und Vergütung für Urheber in Positionspapier zu Generativer KI

Künstliche Intelligenz hat große Auswirkungen auf den Kulturbetrieb. © Steve Johnson via unsplash.com

Generative KI nutzt bestehende Inhalte wie Bilder, Texte und Audiodateien, um neue zu erzeugen. Die Initiative Urheberrecht sieht darin einen Verstoß gegen das Urheberrecht und erhebt eine ganze Reihe von Forderungen, um die Position von Urheber*innen im Entstehungsprozess von Werken durch Künstliche Intelligenz zu stärken.

Generative KI, also Künstliche Intelligenz, die Bilder, Texte und Audiodateien eigenständig erschafft, führt zu enormen Veränderungen in fast allen kreativen Tätigkeiten, so auch im Musikbusiness. 

Besonders dringlich ist die Frage, wie das Training von KIs durch urheberrechtlich geschütztes Material rechtlich geregelt werden und welche Kompensation Urheber dafür erhalten sollten. Urheberrechtlich geschützte Werke werden schon seit mehr als 10 Jahren für den Aufbau von Datenbanken zum Training von Künstlicher Intelligenz genutzt.

Forderungen für den Umgang mit KI

Als Repräsentant von knapp 140.000 Urheber*innen hat die Initiative Urheberrecht (IU) kürzlich ein politisches Positionspapier zu diesem Thema [PDF] sowie konkrete Formulierungsvorschläge für den AI Act der EU [PDF] präsentiert. 

Die Empfehlungen entstanden im Austausch zwischen KI-Forschern verschiedener Universitäten und des Fraunhofer Instituts sowie Fachjurist:innen aus Verbänden, Gewerkschaften und Verwertungsgesellschaften.

Grundsätzlich erlaubt § 44b des Urheberrechtsgesetzes das Text- und Datamining (TDM), also die "automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen".

Strittige Gesetzeslage

Die Initiative Urheberrecht erklärt allerdings, es sei keineswegs eindeutig, dass die "Vervielfältigungen zur Verwendung zum massiven Maschinen-Lernen" durch Künstliche Intelligenz von der gesetzlichen Erlaubnis gemäß § 44b UrhG erfasst sind. 

In ihrem Positionspapier unterscheidet die IU drei Ebenen Künstlicher Intelligenz, und zwar Input, Verarbeitung und Output.

Urheberrechtsverstöße auf Input-Ebene

Beim Input unterscheidet die IU zwischen Scraping, d.h. der Auswahl und Erlangung der Daten sowie Training. Zunächst werden durch Scraping urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen, die digital verfügbar sind, massenhaft als Kopien vervielfältigt und in einer Datenbank gespeichert. Die IU bewertet dieses Vorgehen als urheberrechtlich relevanten Vorgang, der nicht durch § 44b UrhG abgedeckt ist.

Im Training lernt die KI aus diesen Inhalten Modelle, die Wahrscheinlichkeiten vorhersagen, etwa bestimmte Zeichen-, Pixel- oder Wortabfolgen. Die aktuell gängigen Modelle basieren mehrheitlich auf Maschinellem Lernen (inkl. Neuronale Netze und Deep Learning). Durch die Parametrisierung der eingespeisten Daten liegen der KI nach dem Training die Inhalte nicht mehr als Kopien in einer klassischen Datenbank vor.

Nach Auskunft verschiedener von der IU befragter Informatiker werden die Daten nach der Nutzung im Training keinesfalls wieder gelöscht, wie es laut § 44b UrhG eigentlich geschehen sollte.

Reproduktion geschützter Inhalte

Trotzdem spricht laut IU vieles dafür, dass auch das trainierte KI-Modell noch Vervielfältigungen im urheberrechtlichen Sinne enthält, schließlich können Systeme wie Chat GPT urheberrechtlich geschützte Texte als Output reproduzieren. 

Zweck des gesetzlich festgehaltenen Text- und Dataminings (TDM) sei zudem nicht die Generierung neuer Inhalte, wie es Generative KI tut, sondern lediglich die Erforschung und Auswertung von Daten. 

Verstößt Scraping gegen das Urheberrecht?

Die Beschreibung von TDM in § 44b entspreche deshalb in vielerlei Hinsicht nicht dem, was beim Sammeln und Verarbeiten von Werken zum Training von Künstlicher Intelligenz geschehe.

Auch legitimiere die explizite Erlaubnis von TDM im Urheberrecht nicht den Großteil des Scrapings, der vor dem Inkrafttreten des aktuellen Urheberrechts im Jahr 2019 stattfand.

Demnach fanden und finden nach Ansicht der IU insbesondere auf Input-Ebene zahlreiche unlizenzierte Vervielfältigungen und andere Urheberrechtsverstöße statt.

Zustimmung, Nennung und Vergütung

Problematisch im Hinblick auf das Urheberrecht ist auch, dass ein Nachweis, welche Werke für das Training genutzt wurden, häufig nur über den Output der KI möglich ist. Generierter Output kann, da er auf dem Training der KI basiert, grundsätzlich nicht losgelöst vom Input betrachtet werden. 

Sollten "im Output im Zuge des Trainings genutzte Inhalte klar erkennbar sein", bedarf es laut IU Regelungen für den Umgang damit. Diese bricht die Initiative auf die Formel "3C+1T" herunter: Consent/Credit/Compensation + Transparency (auf Deutsch: Zustimmung, Zuschreibung, Vergütung + Transparenz.

Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht

Zudem kann KI tiefgreifende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen mit sich bringen, beispielsweise durch das sog. "Voice Cloning", in dem Stimmen von Personen nachgeahmt werden, dem stilistischen Nachahmen von Künstler*innen bis hin zur Nachahmung von Songtexten. 

Um Persönlichkeitsrechte von betroffenen Künstler*innen zu schützen, sollten KI-Erzeugnisse nach Ansicht der IU zur leichteren Unterscheidung, "aber auch im Hinblick auf die Gefahr von Manipulation und Desinformation", eindeutig gekennzeichnet werden.

Handlungsempfehlungen an den AI Act

Aus dieser Überzeugung heraus spricht die IU Handlungsempfehlungen an die EU aus [PDF] , die insbesondere die KI-Verordnung (AI Act) betreffen.

Dem Kompromissvorschlag des EU-Parlaments zum AI Act vom 14. Juni 2023 steht die IU positiv gegenüber, fordert aber weitere Maßnahmen zum Urheberrechtsschutz. 

Verpflichtung zur Transparenz

Konkret fordert die IU, Transparenzpflichten auszubauen. Die "Zusammenfassung der Verwendung von urheberrechtlich geschützten Trainingsdaten" reiche nicht, um zu gewährleisten, dass "Urheber*innen und Inhaber*innen sonstiger Leistungsschutzrechte ihre Ansprüche auch durchsetzen können". 

Stattdessen benötige es eine "umfassende und aktuelle Liste der Inhalte, die von der generativen KI zum Training, zur Eingabe, zur Speicherung oder zu einem anderen Zweck verwendet wurde", um eine eindeutige Identifizierung zu erleichtern. 

Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte

Eine generelle Offenlegungspflicht beziehungsweise Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte soll außerdem "die Zuordnung maschinengemachter Inhalte zweifelsfrei und nachvollziehbar" ermöglichen. 

Das wäre auch im Sinne der KI-Anbieter*innen, denn so könnte die Heranzüchtung einer "degenerativen KI" verhindern, die laut IU eintreten kann, "wenn KI-Systeme mit KI-generierten Inhalten trainiert werden, sich also selbst reproduzieren".

Kein KI-Training ohne Genehmigung

Des Weiteren soll KI-Training genehmigungspflichtig werden. Da die Initiative Urheberrecht davon ausgeht, dass das Training für generative KI nicht unter die Definition des § 44b UrhG fällt, soll der AI Act klarstellen, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für KI Training nur nach ausdrücklicher Genehmigung des entsprechenden Rechteinhabers zulässig ist.

Sämtliche Urheber*innen und Rechteinhaber*innen, deren Werke für das Training Künstlicher Intelligenzen genutzt wurden, sollen angemessen vergütet werden. Dafür bedürfe es eines konkreten rechtlichen Rahmens.

Gegen Diskriminierung

Auch eine Opt-Out Regelung und eine Vergütungspflicht soll in den AI Act aufgenommen werden: "Urheber*innen [...] dürfen für den Gebrauch dieser Opt-Out Möglichkeit (etwa bei der Auffindbarkeit über andere Onlineplattformen oder Suchmaschinen) nicht diskriminiert werden" - insbesondere gegenüber großen Plattformen mit Monopolstellung.

Sollte entschieden werden, dass die TDM-Bestimmung nach § 44b doch auf KI-Training anwendbar ist, sei diese zwingend vergütungspflichtig auszugestalten.

Menschliche Leistung an erster Stelle

Bereits seit Längerem fordert die Initiative Urheberrecht eine stärkere Regulation Künstlicher Intelligenz auf EU-Ebene.

Wichtig ist der IU vor allem, dass menschliche Kreativität und Leistung rechtlich anders und höher bewertet werden als maschinelle Reproduktion.

Viele ungeklärte Fragen

Damit stellt sich die IU den Kernproblemen der KI-Debatte. An den Forderungen bemerkenswert ist zunächst, dass die IU bestreitet, dass § 44b des Urheberrechtsgesetzes die gängigen KI-Prozesse wie Scraping und Training der KI erlaubt. 

Andere Juristen vertreten hierzu gegenteilige Auffassungen. Da aktuell noch keine Urteile höherer deutscher oder europäischer Gerichte existieren, sind zahlreiche rechtliche Fragen hinsichtlich KI noch ungeklärt.

Selbst wenn die IU mit ihrem Rechtsverständnis nicht durchdringt, beharrt sie auf Änderungen des entsprechenden Paragraphen mit Einführung einer Vergütungspflicht für Urheber*innen und Rechteinhaber*innen. Allerdings ist völlig unklar, wie diese Vergütungspflicht gestaltet werden könnte.

Rapide Entwicklung erschwert Regulierung

Der Wunsch nach einer Kennzeichnungspflicht für KI-erzeugte Inhalte ist ebenfalls verständlich, aber technisch vermutlich nicht leicht durchzusetzen bzw. technisch möglicherweise aktuell gar nicht umsetzbar.

Grundsätzlich bereitet die rapide Entwicklung von KI-Tools große Probleme für deren Regulierung. Gesetzesänderungen benötigen Zeit und es ist leicht möglich, dass sich die Situation ganz oder teilweise geändert hat, wenn die Änderungen schließlich in Kraft sind. Der Umgang mit KI bleibt deshalb eine andauernde Herausforderung. 

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