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Exhibition

Exhibition

Release von Atrorum

: 2006
Produktion: DIY
Label: Selbstvertrieb

Tracks

Details

REVIEW FROM METALNEWS.DE:

Mit „Exhibition“ veröffentlichte das Bad Tölzer Avantgarde – Black Metal-Duo ATRORUM 2006 das zweite Album nach dem Debüt „Himmelsstürmer“. Weniger verspielt, aggressiver und direkter als auf dem Vorgänger wolle man zu Werke gehen, wie das Infoblatt verkündet. Da „Himmelsstürmer“ jedoch zu einem der vielseitigsten Werke gehört, das der deutsche Black Metal-Untergrund je hervorgebracht hatte, muss das ja nicht viel heißen. Besehen wir uns das Werk also genauer.

Zuerst fällt die offensichtliche Aufteilung des Albums auf: Jeweils zwei bzw. drei Songs bilden insgesamt drei in sich geschlossenen Sinneinheiten, wie Bilder in einer Ausstellung, die durch das Weitergehen von Bild zu Bild, dargestellt durch die kurzen „Promenade“-Stücke, verbunden werden; eine Idee, die das Konzept des Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ des russischen Komponisten Modest Mussorgsky aufgreift. Von Abschnitt zu Abschnitt soll die Musik aggressiver, komplexer und dissonanter werden, die Texte sollen analog die Entwicklung der Gedanken des lyrischen Ichs darstellen.

Der erste Abschnitt, bestehend aus den zusammenhängenden Songs „Sunset“ und „Resurrection Of Shadows“, präsentiert sich anfangs folglich eher kurz, knackig und verhältnismäßig simpel. Intelligenter Black Metal mit zunächst wenigen Spielereien, der erst gegen Ende des zweiten Songs durch Pianoklänge, Akustikgitarren, ein abgedrehtes Keyboard-Solo, Klargesang und elektronische Klänge aufgelockert wird. Bereits hier fallen zwei Dinge positiv auf: Die sehr gute Einbettung teilweise völlig genrefremder Elemente, die ja bei vielen Bands oft wie Fremdkörper wirken, sowie die starke und vielseitige Gesangsleistung, die beide Musiker abliefern. Jaspers Kreischgesang überzeugt sowohl in der leidend-klagenden Variante als auch bei brutalen, fast Death Metal-artigen Growls, Fabians Klargesang klingt ebenfalls flexibel, überzeugend und manchmal einfach schön.
Nach der Überleitung „Promenade II“ beginnt „Jesters Banquet“ mit sphärischen Keyboards. Der ganze Song ist stark von Elektrobeats und dem Keyboard geprägt, das den bedrohlichen, rhythmisch ausgekotzten Gesang untermalt. Das kurze „Greeting The Dawn Of The Jesters' Era“ unmittelbar im Anschluss schlägt in dieselbe Kerbe, gewinnt aber durch die mitreißende Gitarrenmelodie am Ende einen epischen Touch mit leichtem DISSECTION-Feeling.
„Maden im Speck“, der einzig deutschsprachige Song des Albums, besticht wieder durch den hohen Grad an Abwechslung. Durch die bunte Mischung aus progressivem Mid-Tempo-Death Metal, Jazzgitarren, Ambientteilen und Elektronik kommen OPETH-Assoziationen auf.
Danach wird durch „Promenade III“ das Finale des Albums eingeläutet. „VirusCultureMedium“ setzt stark auf von Schlagzeug, Slapbass und Keyboard getragene Teile sowie bedrohlichen Flüstergesang, bevor es wieder härter wird. Die hörbar mit Herzblut vorgetragenen Lyrics [„Hide beneath a doomful shelter! Hide away from unknown eyes!”] gehen hier richtig unter die Haut.
Der letzte Song „Evolutionary Determination“ vereint dann wieder viele der Elemente, für die ATRORUM stehen: Wiederum an OPETH erinnernde, verspulte Akustikgitarren, ein orientalisch anmutender Break, Sprech- und Klargesang und das bisher wenig in Erscheinung getretene Klavier vereinen sich nahezu perfekt mit stampfenden und progressiven Riffs, Schlagzeug- und Bassteilen und verzerrten Vocals. Das konfuse Klavierstück „Promenade IV“ geleitet den überrollten Hörer dann sanft, aber bestimmt aus der Ausstellung.

Mit „Exhibition“ stellen ATRORUM also abermals ihr Talent unter Beweis, aus vielen verschiedenen Einflüssen homogen klingende, in allen Belangen hervorragende und eigenständige Songs zu schreiben. Schwächen des Albums muss man schon mit der Lupe suchen: Obwohl die Produktion für eine Heimaufnahme sehr ordentlich daher kommt, ist der Gitarrensound natürlich nicht immer das Gelbe vom Ei, und auch das programmierte Schlagzeug ist natürlich keine vollständig überzeugende Alternative zu einem echten Schlagzeuger, obwohl sich gegenüber dem Vorgänger eine Steigerung der Soundqualität ausmachen lässt. Des Weiteren schrammen die normalerweise recht überzeugenden Texte, die sich übrigens hauptsächlich mit Gesellschaftskritik befassen, ab und zu nur knapp an der Plattheit vorbei.

Wer sich an diesen Punkten nicht stört, bekommt mit „Exhibition“ allerdings ein wirklich überragendes Progressive [Black] Metal-Album zu hören. Fans von primitivem Black Metal rate ich selbstverständlich ab, aber allen, die einen hinreichend aufgeschlossenen Musikgeschmack haben, kann ich ein Probehören nur empfehlen und mich mit ihnen auf das in Arbeit befindliche dritte Album freuen.

[Leser-Review von Benedikt "Kar" Sepp]





TRACKLIST:
01. Promenade I (0:48)
02. Sunset (3:31)
03. Resurrection of Shadows (9:42)
04. Promenade II (1:12)
05. Jesters' Banquet (4:40)
06. Greeting the Dawn of the Jesters' Era (2:14)
07. Maden im Speck (7:42)
08. Promenade III (0:46)
09. VirusCultureMedium (6:02)
10. Evolutionary Determination (7:03)
11. Promenade IV (1:07)

gesamte Spielzeit: 45:08

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