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Decoder

Decoder

Release von Herr Berlin

: 2014
Produktion: DIY
Label: Selbstvertrieb

Bezug über

disentertainmentreco...

Details

(so) FEHLFARBEN. NATIONALGALERIE. ELEMENT OF CRIME. Große Namen, die da in der Presseinfo genannt werden. Da haben sich HERR BERLIN ja einiges vorgenommen. Und sie lösen einige Versprechen schon mit dem ersten Song ein, der zwar eher an HEISSKALT, ELKE oder KETTCAR erinnert, was aber nun auch nicht die schlechtesten Vergleiche sind. HERR BERLIN machen das, was sie können: Rock aus Gitarren. Rock mit Gitarren. Rock durch Gitarren. Gitarrenrock. Hinzu kommen deutsche Texte, die von Herrn Berlin himself sehr druckvoll und packend verbalisiert werden. Ob es nun um die privaten Kleinprobleme, die große Liebe oder das mittelprächtige Leben geht. Die Herren können aber auch noch mehr, von Minimalelektro bis hin zum krachenden Punk und dem Akustik-Bonustrack von …BUT ALIVE ("Präsidenten"). Große Bandbreite, die da herüberschwappt. Und beim "Barsong" endlich, da denkt der Rezensent dann tatsächlich auch an die NATIONALGALERIE, bei "Surrogat" dann an ELEMENT OF CRIME. Alles richtig gemacht, oder? Kann man sagen. Aber jetzt schnell aufräumen, denn "am Wochenende kommen deine Eltern!" (Blueprint-Fanzine)

Es ist gerade erst zwei Wochen her, dass Crazewire Herausgeber Lasse Paulus der Trierer Musikszene attestierte, dass in ihr zumindest gefühlt mehr passiert als im Kreise der Musikschaffenden seiner Wahlheimat Düsseldorf. Passend dazu steht mit „Decoder“ die nächste Veröffentlichung aus der kreativ scheinbar aufstrebenden Moselprovinz an.

Herr Berlin sind ein noch relativ frisches Projekt um den Trierer Musiker, Autor und Zeichner Jimi Berlin (Uwe Reinhard), das neben dem singenden und Gitarre spielenden Namensgeber aus drei weiteren alten Hasen und Könnern der regionalen Musikerszene besteht.

Musikalisch lässt sich das Quartett im weiten Feld des deutschsprachigen Indierocks verorten, auch wenn man auf „Decoder“ an einigen Stellen Einflüsse aus Pop und Elektro heraus hören kann. Die via Crowdfunding finanzierte Produktion des Debütalbums klingt ausgesprochen gut und der Mix von Boris Thome ist transparent und kraftvoll. Bereits der Opener und Titeltrack „Decoder“ zeigt die Stärken und Wesenszüge des Albums. Eingängige Gitarren in Verbindung mit dem songdienlichen und äußerst passenden Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug bilden ein schön arrangiertes Fundament, auf dem die markante Stimme Jimi Berlins mit tollem Sprachgefühl entspannt, aber kritisch das kleinere und manchmal auch das größere Leben besingt: „So lange gewartet, jetzt kommt alles wieder, in Zeitraffer auf ein Stück Papier. Schwarz auf Weiß in Großbuchstaben, nichts zu verlieren, viel zu erwarten.“

Stück für Stück zeigt die Band im weiteren Verlauf des Albums ihr Gespür für gute Songs ohne Berührungsängste vor genreferneren Klangelementen. Auf das rockigere „Türen“, das mich von den Gitarren stellenweise ein wenig an Queens of the Stone Age erinnert, und das treibend groovige „Weit Weg“ folgt mit „Tante Ursula“ ein Song mit elektronischem Beat und Synthie-Klängen. Auch ruhige Stücke wie „Präsidenten“, „Eltern“ und „Kopfüber in Autos“ funktionieren, weil der Fokus der Band auf hörenswerten Arrangements mit subtiler Eingängigkeit liegt, ohne einem oberflächlichen oder schnellem Popappeal nachzujagen. Ein guter Song muss nicht zwangsläufig sofort als Hit zünden - im Gegenteil: Es ist schön, wenn Lieder sich entwickeln und man beim weiteren Anhören liebevolle Details zu schätzen lernt.

Dass auf Albumlänge dann auch ein Stück zu finden ist, das meinen Geschmack überhaupt nicht trifft und in mir eher unangenehme Assoziationen zu 1990er Jahre Alternativ-Rockballaden weckt („Surrogat“), ändert nichts am äußerst positiven Gesamtbild eines sehr hörenswerten und abwechslungsreichen Debütalbums. Im Guten erinnern mich die stimmige Diversität der Platte, die gut formulierten Texte und der Mut, Popmomente sorgsam wachsen zu lassen, an das was Bands wie Kettcar zeitweise einmal gut beherrscht haben. Musikinteressierten, die ein Herz für songdienlichen Gitarrenindie mit starken Texten haben, sei „Decoder“ nachdrücklich empfohlen. (crazewire)

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