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Innercity Kinder

Innercity Kinder

Release von Marcello (Berlin)

: 2003
Produktion: DIY
Label: Selbstvertrieb

Details

Marcello

Musik ist eine Zuflucht

Seine Musik ist ehrlich und melodisch. Sie reflektiert ihn, seine Umgebung und vielerlei Probleme im Leben. Sie ist, wenn überhaupt, von französischen Rap beeinflusst und durch die Härte des täglichen Lebens geprägt, was sich aber nicht auf die Sprache bezieht, sondern vielmehr auf das Essenzielle der Musik aus Frankreich: Atmosphäre, Melodie, Melancholie, Ausdrucksstärke und Gefühl. Auch ist es der Versuch sich von der deutschen Szene und ihren Standards abzuheben und etwas neues zu schaffen. Fernab von Glitzer und Glämmer...ehrlich, menschlich und mit beiden Beinen am Boden.

„Rap ist für mich ein Ventil und die Beats helfen dabei die Stimmung zu treffen. Ich hab schon immer den französischen Rap bewundert. Irgendwie simpel und doch voller Emotion. Je älter ich wurde, desto weniger andern Kram hab ich gehört. Heute hör ich fast auschliesslich nur noch französischen Rap. Alles andere ist bis auf wenige Ausnahmen aus den Staaten für mich uninteressant. Wie mit den Medien: wo kein Fernseher ist, wirst du auch nicht mit Scheisse vollgedröhnt. Ja, und mit Battlerap oder Spaßrappern konnte ich noch nie wirklich viel anfangen. Ich reflektiere halt schon das Leben und Gefühlslagen und vieles im Leben ist nicht fiktiv oder lustig. Im Gegenteil: Scheisse passiert. Frauen werfen dich zu Boden. Geldprobleme. Orientierungsschwächen, Menschen sterben...das Positive ist leider in der Minderheit und viel sogenanntes „Glück„ ist Fassade oder Ablenkung. Wenn jemand Probleme hat oder Kummer, dann redet er mit seinen Freunden oder der Familie darüber. Das tue ich auch, aber schreibe es eben auf und mache einen Track daraus. Es befreit einfach auch und es tut gut von vielen Leuten zu hören, dass sie sich darin wiederfinden oder Teile ihres Lebens...und das Leben ist lang und voll steiniger Wege.„
Die Tracks sind größtenteils sehr tief und kopflastig; meistens authentisch, spontan und banal. Man hört das oft die Melancholie ihren Stift aufs Blatt bringt und Marcello gern mit Bildern arbeitet.

Marcello ist ein Einzelgänger, auch wenn er sich nebenbei sehr stark um sein Label und Forum „Funkviertel„ kümmert, was verschiedene Stile und einzigartige Charaktere wie z.B. Sichtbeton beherbergt. Doch schon früh hat er gemerkt, das er nicht in eine Band passt: „ Es ist einfach besser und übersichtlicher wenn man nur für sich selbst verantwortlich ist. Wenn Fehler passieren, dann hat man sie selber gemacht und man muss eben an sich arbeiten. Keine Ausreden mehr. Außerdem kann ich mich einfach besser verwirklichen wenn ich allein arbeite. Meistens weiß ich schon was ich schreiben werde wenn der Beat nur halbfertig ist und bei einer Produktion stecken schon vom ersten Sample an meine Gedanken und Gefühle mit drin. Trotzdem arbeite ich auch gern mit andern Leuten zusammen; ich produziere auch sehr gerne. Vor allem mit Leuten mit denen ich auf einer Ebene bin. Das ist Gefühlssache...„

Sein Style und seine Produktionen sind eben so eigen wie sein gespaltenes Verhältnis zu HipHop und seine politischen Ansichten.
„...wenn mir heute jemand was von HipHop Kultur und Community erzählt muß ich lachen! Ich mein man sieht doch, dass jedes Element nur noch für sich selbst arbeitet. Sieh dir Breakdance an oder Grafitti. Da liegen Welten dazwischen. Dabei ist Rap leider das arroganteste, wenn auch selbständigste Element, was ich auch nicht gern einsehe...ich bin aber einfach so ehrlich zu sagen, dass ich mit HipHop ,außer mit Rap und Beats bauen halt nichts zu tun habe. Ich habe weder den Durchblick noch das Interesse...ich nutze Rap nur als Medium. Wie ein Schriftsteller der versucht seine Gedanken in eine runde, schöne Form zu bringen und es somit dem Leser interessanter zu machen. Ob es nun real ist oder frei erfunden spielt dabei keine Rolle. Wie ein Buch das sich gut liest, so ist es auch mit Musik. Rap muss eben nicht nur message haben, sondern auch ästhetisch klingen. Viele Leute sind ja immernoch der Meinung, dass die deutsche Sprache zu hart und kantig für Rap ist. Ich behaupte das Gegenteil: Unsere Sprache bietet viele Möglichkeiten sich auszudrücken. Deutscher Rap ist nur nicht wirklich in der Lage alle Möglichkeiten auszunutzen. Machen wir uns doch nichts vor: Wir sind eben noch nicht so weit wie die Amis oder die Franzosen. Aber es fängt so langsam alles an. Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten und ich bin gerne ein Teil davon...„

Marcello enstammt einem Umfeld lauter Lokalpatrioten (V-Mann, Search, Jörg Rider u.a.), die sich auch für das Weiterbestehen ihrer Viertel und Kieze einsetzen oder zumindest Widerstand zeigen.
„...Wenn V-Mann von zerschmissenen Scheiben, Innercity Kindern und Großstadtheroen ohne Statussymbole rappt, dann sei sicher das es so ist...wir sind authentisch, das zeichnet uns aus...vom P-Berg Rapstyle mal ganz abgesehen [lacht]...„Auch diese Einflüsse hört man heraus. So ist es sehr interessant, das man in Marcellos großer Genre Bandbreite, immer wieder auf seinen Lebenstil und entscheidene Ereignisse in seinem Leben stösst, welche er bis ins Detail offenbart und somit auch seine Erfahrungen mit anderen teilt. Man hat beim Hören einiger seiner Trackz das Gefühl, als würde ein guter Freund einem ein Problem ans Herz legen...oder eine Lösung dafür? Es ist immer schwierig eine Person und ihren Charakter in ein paar Worte zu fassen. Deshalb sollte man einfach die Musik für ihn sprechen lassen und die ist wie er selbst: auf den Punkt.

[k. von oppen]

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