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III

III

Release von Sutcliffe

: 2012
Produktion: DIY
Label: Selbstvertrieb

Bezug über

amazon.de...Sutcliffe/e/B005O6YSSU/ref=ntt_art_dp_pel_1

Details

Warum bloß kommen einem beim Hören der Musik von SUTCLIFFE immer wieder die Filme von Quentin Tarantino in den Sinn?
So, als hätte die noch junge Band aus dem Nürnberger Raum geahnt, dass ihre Musik tatsächlich (mindestens) einen Film
im Kopf ihrer Hörer ablaufen lässt, nannten sie ihre erste (längst vergriffene) EP 2007 auch gleich „Kopfkino“.

Ihre größtenteils instrumentale Musik nimmt einen nicht nur gefangen – sie nimmt uns zugleich mit auf eine Reise
in die Ecken unseres Gehirns, die wir in der Hektik des Alltags immer mehr vernachlässigen. Dort, wo das Ruhe-
und das Angst-Zentrum aufeinandertreffen, nisten sich ihre Gitarren, Bässe, Keyboards, Schlaginstrumente und
besonders das Akkordeon ein und treiben im faustschen Sinne ein „verteufelt Spiel“ mit uns. Musik, die Bilder
von wundervollen Landschaften malt, über denen am Himmel langsam die Sonne von Wolken verdunkelt wird und sich
in der Ferne ein Gewitter zusammenbraut. Dazu braucht es keinen Gesang, aber sehr viel Gefühl.

Selbst bei der Wahl des Bandnamen loten SUTCLIFFE die Grenzen zwischen tödlicher Bedrohung und einer geheimnisvoll
wirkenden Musikgeschichte aus. Peter William Sutcliffe, der englische Serienmörder, und Stuart Sutcliffe, der beinahe
vergessene, aber trotzdem fünfte Beatle, ohne den sein bester Freund John Lennon nie das geworden wäre, was er bis zu
seinem Tod solo und für die Beatles war, treffen hier aufeinander. Beide finden sich in SUTCLIFFEs Musik wieder – der
lebensbedrohliche Typ genauso wie der zu früh vergessene und zu schnell gestorbene Musiker, dem jeglicher Erfolg verwehrt
blieb. Hier erklingt ein Spagat zwischen beiden.

Musik, die sich locker in jedem schaurig-schönen und zugleich anspruchsvollen Film höchste Lobpreisungen verdienen könnte,
trifft auf Melodien, die sogar neben austauschbarer Radiokost Aufsehen erregen würde, ohne als Störung von ausschließlich
radioerprobten Hörern empfunden zu werden. Da sind Erinnerungen an Calexico oder Giant Sand durchaus berechtigt, aber keine
Vergleiche, weil SUTCLIFFE bewusst ihren ureigenen Stil vertreten. Das galt für ihre erste CD „Sutcliffe“ (2009) genauso wie
für ihr zweites Album „Mom, Where Are The Seahorses?“ (2010). Und gilt auch für ihr neustes musikalisches Kunstwerk, schlicht
und ergreifend „III“ betitelt. Jeder verbale und musikalische Ballast wird einfach über Bord geworfen. Dafür aber werden großartige
Gäste eingeladen. Auf „Mom, Where Are The Seahorses?“ waren es die beiden Sänger Phil Vetter und Diana Franz, auf „III“
; ist es diesmal die legendäre Sängerin Guudrid Hansdóttir von den Faröer Inseln, die auf „Ever Wonder“ ihre
Ausnahmestellung unter den weiblichen Stimmen, die uns Tag für Tag aus dem Radio oder dem Fernseher entgegenhallen, unter
Beweis stellt. Ein Song voller Tiefe – vielleicht zu viel Tiefe für Radio und TV? Hoffentlich nicht!

Auch dass ihre oft zwischen traumhaft und traumatisch klingende Musik, selbst wenn sie instrumental ist, nicht unpolitisch
sein muss, ist eine Herzensangelegenheit der vier musizierenden Herren und der einen für Akkordeon und Keyboards verantwortlichen
Dame! Auf „Kopfkino“ waren es noch die Toncollagen, die Walter Ulbricht, ehemaliger oberster DDR-Diktator, zur Bedeutung der Pop-Musik
in der DDR von sich gab. Auf „III“ ist es ihr Bekenntnis zu den drei Musikerinnen der russischen Punk-Band „Pussy Riot“, denen man wegen
ihrer Anti-Putin-Aktion in der russisch-katholischen Kirche gerade drei Jahre Arbeitslager aufgebrummt hat. SUTCLIFFE beziehen eindeutige
Stellung dazu, ganz besonders auch in ihren Konzerten: „Wir alle in der Band sind politisch interessiert. Deshalb haben wir jetzt während
unserer Konzerte im Live-Video des Songs 'Pussy Riot' Bilder zu Aufständen auf der ganzen Welt laufen. Damit möchten wir unsere Solidarit&aum
l;t für die Demokratiebewegungen ausdrücken.“ Auch so kann man Botschaften vermitteln, ganz ohne Worte. Die Musik von SUTCLIFFE spricht
jedenfalls Bände für die Ohren. Unüberhörbar!

SUTCLIFFE klingen wie die Suche nach der großen Freiheit zwischen den Müllbergen der modernen Zivilisation. Was auch immer sie auf dieser
Suche finden werden, mit „III“ haben sie eine Hinterlassenschaft am Start, die der Hörer garantiert nicht vergisst!

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