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"in den ersten jahren unserer existenz hat man uns vielleicht nicht ernst genommen"

Interview: Carlo Dewe und Udo Erber von der Rockakademie OWL

Interview von Markus Biedermann
veröffentlicht am 29.08.2007

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Interview: Carlo Dewe und Udo Erber von der Rockakademie OWL

Udo Erber (li.) und Carlo Dewe (re.) von der Rockakademie OWL

Konzept und Umsetzung an der Rockakademie Ostwestfalen-Lippe sind in den letzten Jahren nicht unumstritten gewesen. Der Geschäftsführer Carlo Dewe und Udo Erber, zuständig für das Marketing, äußerten sich im Interview mit regioactive.de zu kritischen Vorhaltungen sowie zu Konkurrenzgespenstern, der Beatmetropole Herford und den bisherigen Erfolgen der Rockakademie im Bereich der Musik- und Newcomerförderung.

Hallo Carlo. Was genau macht denn die Rockakademie OWL eigentlich? Das klingt ja erstmal nach einer Einrichtung mit universitärem Konzept.

Nein, nicht ganz. Wir haben uns 2002 zunächst aus einem Kreis von Musikern heraus gegründet. Wir waren einfach der Meinung, wir brauchten ein Infoportal für die Region Ostwestfalen-Lippe, um die Interessen der hier verstreut lebenden Aktivisten, Musiker und Bands zusammenzubringen. So hat das ganz klein als allererstes mit einer Webseite angefangen. Nach einigen Monaten dann haben wir zudem angefangen mehr in Richtung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu arbeiten.

Wie waren denn die ersten Reaktionen auf eure Initiative?

Wir haben mit etwas Überraschung festgestellt, dass der Bedarf und das Interesse an dieser Sache sehr groß war. Sobald wir das ein wenig bekannt gemacht hatten, erreichten uns schon die ersten Mails aus der gesamten Region, die ja doch ziemlich groß ist. Wir haben hier in OWL ca. 2 Millionen Einwohner; zwar keine Großstädte bis auf Bielefeld, aber dafür eine ganze Reihe von mittelgroßen Städten. Z.B. Minden, Paderborn, Gütersloh, Detmold, Herford.

Und diese Reaktion hat euch gleich motiviert weiterzumachen?

Ja. Wir haben relativ früh zwei für uns entscheidende Dinge geschafft. Zum einen gewannen wir die Unterstützung unserer Heimatstadt Herford, die uns zwar nicht mit Geld unter die Arme greifen konnte, aber Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat.
Zum anderen haben wir relativ früh den Weg zu den Ansprechpartnern innerhalb der damaligen Rot-Grünen Koalition in NRW gefunden. Ich nenne das jetzt mal „Kultus-Bürokratie“. Von dieser Seite aus bekamen wir unsere erste finanzielle Förderung im Jahre 2002. Ich weiß gar, aber ohne diese Mittel wäre das Ganze vielleicht gar nicht richtig vom Boden abgehoben. Wir konnten so einen Anfang machen, eine Struktur aufzubauen.

Was denkst du sind die Hauptgründe dafür, dass es auch bei euch diesen Bedarf an solch einer Art Plattform gab und weiterhin gibt?

Diese Frage beantworte ich mal ganz persönlich: Ich bin selbst auch Musiker und seit über 20 Jahren im Popularmusikbereich unterwegs. Ich habe da schon immer gespürt, dass wenn man in die einige Kilometer entfernte Partnerstadt kam, ein völlig anderes Programm ablief. Das war also immer so ein bisschen eine Kirchturm-Situation, also von dem, was in der einen Stadt lief wusste man schon in der nächsten nichts mehr. So gab es Bands, die irgendwo lokal der große Hit waren, aber darüber hinaus einfach nicht bekannt wurden. Das Gleiche galt auch, wenn man Bands oder Musiker dazu gewinnen wollte, um hier oder da zu spielen, oder wenn man Musiker für eine Band suchte - dann waren da immer diese unsichtbaren Grenzen.

Die Bands kannten sich also auch untereinander eher gar nicht?

Ich will nicht sagen gar nicht, aber zumindest war dieser Aspekt völlig unterentwickelt und alles war schon sehr lokal zersplittert.

Was habt ihr euch seit damals bis heute an Tools angeeignet, d.h. was macht ihr ganz konkret, um zu vernetzen und die Bands zu betreuen?

Zunächst haben wir uns in der ersten Förderphase aufrüsten können. Wir hatten irgendwann dann in den nächsten 2-3 Jahren größere Räume von der Staat, die wir auch im Moment noch haben. So ein altes Haus, die ehemalige Musikschule der Stadt, die zuvor leer stand.  Dort konnten dann Proberäume für die Bands zur Verfügung gestellt werden, exakt gesagt 6 Stück. Ein Studio ist mittlerweile eingerichtet worden, es gibt Seminarräume, 2-3 Büroräume... So konnten wir erhöhten Aufwand betreiben. Wir haben uns einen Instrumentenpool anschaffen können, die wir im Zweifelsfall an Schulen oder an Musiker verleihen konnten. Ein Fahrzeug kam dazu, um mobil auch Außen-Dinge bedienen zu können. Und wir sind sehr stark in den Medien-Bereich eingestiegen. Da gebe ich jetzt an Udo weiter, weil er der Fachmann ist.

Hallo Udo, was kannst du dazu ergänzen?

Wir haben uns im Medien-Bereich insofern verstärkt, dass wir medientechnisch noch die Nachwuchs-Bands in der Breite, aber eben auch in der Spitze unterstützen können. Das heißt, dass wir denen zum größten Teil unentgeltlich geholfen haben, zum Beispiel bei ihrem eigenen Internet-Auftritt oder eben auch bei der CD-Cover-Gestaltung. Natürlich auch, weil die Rockakademie inzwischen ein kleines Label ist, das ihre CDs auch über unseren Vertrieb verlegt und produziert. Das bedeutet eine breite Medienunterstützung für die Nachwuchsbands hier in OWL.

Wie ist es mit der Live-Kultur bei euch, also was Clubs angeht? Gibt es da dann auch entsprechende Kontakte, so dass ihr sagt „OK, wir haben hier ein gewisse Anzahl an Clubs die wir in irgendeiner Form mit unseren Bands auch bebuchen können“?

Ja das ist richtig, wir haben ja auf unsere Internet-Homepage ein so genanntes Bookingtool eingeführt,  wo wir für die Nachwuchsbands eigentlich immer die zentrale Anlaufstelle sind. Des Weiteren haben wir auch ein Forum eingerichtet, das funktioniert eigentlich auch ohne uns. Da treffen Anbieter und Nachfrager von Musik-Equipment oder eben auch von musikalischen Dienstleistungen aufeinander, die sich dort austauschen können.

Da kommt einiges zusammen...

Wir haben hier sogar das Rockakademie-TV ins Leben gerufen. Zum Beispiel im Rathaus-Foyer von der Stadt Herford, aber eben auch noch an anderen Stellen. Da produzieren wir Trailer und bieten dann Möglichkeiten für Bands, die selbst ihre Musikstücke per Video anliefern, dass wir die auf  DVD konvertieren und im Rathaus zeigen können – für die Bands unentgeltlich. Darüber hinaus haben wir eigentlich seit 3 Jahren auch eine Kooperation mit dem offenen Kanal in Bielefeld, wo wir einmal im Monat ein sogenanntes „Fernseh-Konzert“ machen. Und daraus entsteht für die Gruppen, die da auftreten, ein professionelles Präsentationsmittel.

Aber ihr müsst euch, seit diese öffentliche Förderung eingestellt wurde, selbst finanzieren.

Das ist richtig. Wir müssen uns selbst finanzieren und wir haben hier mit der Stadt Herford bzw. speziell mit dem Jugendamt unser Angebot so erweitert, dass wir medientechnisch nicht nur musikalische Themen aufbereiten, sondern wir wollen auch mehr in dem medienpädagogischen Bereich rein. Da haben wir zum Beispiel vom Jugendamt Herford einen Auftrag bekommen, Leuten mit Migrationshintergrund eine DVD zu erstellen, damit das Jugendamt Herford so einen Status quo bekommt: wie sieht die Jugend 2007 eigentlich ihre eigene Stadt, wo liegen evt. Probleme, wo kann das Jugendamt ansetzen und bestehende Arbeit noch verbessern? Wir sind auch an anderen Teilbereichen dran und versuchen immer mehr Wirtschaftlichkeit bei uns reinzukriegen. Auch Sponsoren, Werbung etc. sind ein Thema. Wir werden die öffentlichen Unternehmen hier noch mal ansprechen, dass z.B. Werbe-Trailer im Rockakademie-TV gezeigt werden können.

Das heißt: Carlo und du, ihr lebt von eurer Aufgabe?

Ja, wir leben davon. Carlo ist hier auf Honorar-Basis und insofern machen wir das erst mal mit relativ schmalen Budget. Die Räume werden wie gesagt unentgeltlich zur Verfügung gestellt, was natürlich nach meiner Meinung relativ toll ist. Aber man weiß nie, wie lange diese Zustand anhält.

Bei einem unserer letzten Interviews hieß es über die Rockakademie OWL: sie war nur partiell erfolgreich, war stark an die Personen gebunden, hatte wenig Akzeptanz in der Szene und arbeitet eher lokal als regional. Gibt es ganz konkrete Antworten darauf?

Ja gut... ich meine, dass wir total lokal arbeiten, das kann ich eigentlich nicht so nachvollziehen. Die Akzeptanz unserer Homepage als zentrales Medium ist sehr stark gestiegen in den letzten Jahren, denn wir haben in den letzten Tagen eigentlich konstant über 1200 eindeutige Klicks am Tag. Da kann man eigentlich nicht davon sprechen, dass die Rockakademie keine Akzeptanz hat. Das ist ein Qualitätsmerkmal, welches man eigentlich nicht so von der Hand weisen kann. Und alles was wir für die Bands gemacht haben, kann sich meiner Meinung nach auch sehen lassen, zudem es für den Großteil der Musiker unentgeltlich läuft. Also insofern würde ich das schon ein bisschen entkräften wollen. Ich denke, Carlo kann auch noch ein bisschen was dazu sagen.

Carlo: Es gibt also seit gut einem Jahr verschiedene Bemühungen. Auch von der Bezirksregierung, die ja hier letzten Endes die Kohle verteilt, wenn es denn welche gibt. Die sagt: Wir wollen mit dem ganzen Thema stärker in die Region hinein. Die ist ja eher ländlich geprägt, die Kommunikationsstrukturen sind nicht wie in Berlin oder im Ruhrgebiet. Also ich bin nicht der Meinung, das wir nur lokal gearbeitet haben. Der Vorwurf „zu stark lokal“, okay, darüber lässt sich sicherlich streiten. Vielleicht hätte es schlauere Jungs gegeben als uns, das sag’ ich mal etwas ironisch, die das noch besser in der kurzen Zeit geschafft hätten. Das will ich nicht abstreiten. Jetzt kommt aber folgender Aspekt: Es gibt seit Anfang des Jahres - initiiert von der Bezirksregierung - hier sogenannte runde Tische, an die man jetzt alle Beteiligten aus der Region geladen hat, die in irgendeiner Form mit dem Thema Popularmusik zu tun haben. Ob das aus dem Hochschulbereich ist, ob das aus dem Schul- und Musikschulbereich ist, ob das Musiker oder freie Produzenten sind.

Das ganze hat natürlich auch ein bisschen was mit Konkurrenz zu tun. Ich interpretier das mal so: In den ersten ein bis zwei Jahren unserer Existenz hat man uns vielleicht auch nicht so furchtbar ernst genommen: „Da sitzen diese Jungs in Herford. Die machen irgendwie.“ Ich hatte aber schon gesagt, es gibt durchaus hier unter der Grasnarbe ein großes Potential und das ist mittlerweile durch diese runden Tische geweckt worden. Also die Bezirksregierung hat dann gezielt diesen Personenkreis, den ich eben beschrieben habe, eingeladen und da hast du dann natürlich ganz schnell die Situation, dass die anderen sagen „wir können das ja viel besser, warum machen die das eigentlich?“. Also da sind aus meiner Sicht ein bisschen die Konkurrenzgespenster am Horizont erschienen.

Das geht in dem Fall dann eigentlich so einen ganz normalen Weg, kann man so sagen.

Naja, die ganz großen Pläne waren halt gescheitert, das hattet ihr ja auch in dem angesprochenen Interview festgestellt. Inwieweit jetzt Aussagen des Gütersloher Kritikers da ein bisschen boshaft waren, kann ich nicht beurteilen. Ich halte zumindest diese Geschichte mit der „einen Person die da keine Akzeptanz fand“, die ja ganz offensichtlich auf mich gemünzt war, eigentlich für unzutreffend. Also dass es Leute und Musiker gibt, die sagen „der Carlo Dewe ist blöd“, das ist sicherlich so, aber dass hat mit Sicherheit nicht die Auswirkung wie etwa zu sagen „daran krankt jetzt so ein Projekt“.

Lass mich doch trotzdem noch mal einen Bogen schlagen, denn ich denke ja für solche Initiativen braucht man natürlich starke Personen an denen es dann doch immer wieder hängt. Vielleicht kannst du genau aus dem Grund mal ein bisschen was über dich erzählen.

Ja, ich bin gelernter Pädagoge und komme aber so ein bisschen aus dem musikpädagogischen Bereich. Ich kenne also beide Seiten, sowohl den Bereich der Pädagogik, der ja hier auch im Bezug auf das Thema Ausbildung eine große Rolle spielt, aber auch den Bereich der Musik. Ich möchte mal unverschämt sagen, dass ich, als alter Crack mit gut 1000 Auftritten, die ich so in meinem Leben hinter mich gebracht habe, auch jemand bin, der so ein bisschen den Stallgeruch hat. Und so ein bisschen weiß, was in der Szene läuft.

Als Abschlussfrage, denn das war mir neu, das habe ich erst auf eurer Seite entdeckt: „Die Beatmetropole Herford“. Denn das klingt nach besten Voraussetzungen dafür, dass sich bei euch einiges bewegt, wenn es eine solche Vergangenheit gibt.

Also für diese Frage sind wir natürlich dankbar. Das hat jetzt auch ein bisschen zu tun mit dem, was ich eben gesagt habe im Bezug auf die Konkurrenz, die man jetzt innerhalb der Region seit einem Jahr losgetreten hat. Hier ist so ein bisschen von jeder Stadt die Behauptung im Raum, die mögliche Zentrale einer solchen Initiative wäre am jeweiligen Ort am besten aufgehoben. Darum geht’s ja dann auch. Die Stadt Herford aber war mal, vor recht langer Zeit - ist schon 30-35 Jahre her - so ein bisschen die Metropole des Beat hier in Norddeutschland. Hier gab’s also einen Beatschuppen, der nannte sich Jaguar Club und war verbandelt mit dem Starclub in Hamburg. Die haben es damals als kleiner Laden einfach geschafft, die damaligen großen Stars wie z.B. Jimi Hendrix, Eric Clapton oder Pete Townsend hierher zu holen. Die haben damals in diesem relativ kleinen Club in Herford gastiert, das ist auch eine Sache an die man sich gern erinnert. Wir haben ganz listig auch mal versucht zu sagen, dass der Umstand, dass wir das hier machen auch so eine historische Fundierung hat.

Das ist eine schöne Idee, den Club gibt’s aber nicht mehr?

Den gibt’s schon ganz lange nicht mehr. Ich bin ja nun selber um die 50 und hab diese Zeit noch erlebt und habe Jimi Hendrix auch leibhaftig hier in Herford gesehen. Zwei Jahre bevor er dann starb.

Wir danken euch für dieses Interview!

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