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Seikilos

Seikilos

Release von Corvus Corax

: 2002
Produktion: DIY
Label: Selbstvertrieb

Bezug über

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Details

Corvus Corax hat mit der neuen CD "Seikilos" eine interessante neue Spielart mittelalterlicher Musikrezeption vorgeführt. Oder man muss hier vielleicht betonen, dass es nicht nur mittelalterliche Stücke sind, die wir zu hören bekommen: Es sind Musikstücke aus 2 Jahrtausenden (!) - auf mittelalterlichen Instrumenten gespielt. D.h. einige exotische Instrumente aus der Antike oder dem fernen Osten sind hier auch zu hören, aber dem inzwischen "klassischen" Sound der Gruppe mit Dudelsäcken und viel Trommelei bleiben die Musiker treu. Das älteste überlieferte Musikstück der europäischen Musik das Seikilos Lied, eingemeißelt auf einer Grabsäule aus Tralles/Kleinasien hat der CD den Namen gegeben.
Im Booklet heißt es, ein Spielmann aus dem 15. Jh. hätte dieses Lied gekannt und gespielt und sich selbst Seikilos II. genannt. In der Tat sind die Wege, die die Überlieferungen alter Dokumente nehmen, sehr abenteuerlich. Viele mittelalterliche oder erst recht antike Dokumente sind verbrannt, verloren, gestohlen oder tauchen an Orten auf, die weit entfernt von ihren Entstehungsorten liegen. Es werden auch heutzutage immer wieder neue mittelalterliche oder ältere Pergamente gefunden, in alten Kirchenarchiven, in privaten Sammlungen und immer wieder auch versteckt auf den Rückseiten von Urkunden oder in den Einbänden von alten gebundenen Manuskripten Auch dass die mittelalterlichen Spielleute viel gereist sind und ihre musikalischen Inspirationen aus allen bereisten Gegenden zusammentrugen, ist nichts Neues. Im ausgehenden Mittelalter fingen die großen Denker auch wieder an, die Antike neu zu entdecken. Es liegt daher nahe, dass auch ein Spielmann des 15. Jh. sich dafür interessierte.
Mit all diesen Erkenntnissen ist auf dieser neuen Corvus Corax CD ein gewagtes Spiel gewonnen worden. Hier haben wir das antike griechische Lied vom lebensbejahenden Seikilos vor uns neben einem chinesischen Kaisermarsch aus noch älterer Zeit und verschiedenen mittelalterlichen Tänzen und Liedern bis zu Francois Villon - auf Corvus Corax typischer Weise. Corvus Corax haben geforscht, recherchiert, zusammengestellt und bearbeitet, was noch nie vorher oder nicht mehr seit mehr als 500 Jahren einem Menschen zu Ohren gekommen ist. Und nicht wie es den Zuhörern der Lieder des Seikilos II. erging, denen die "seltsamen melodeien die oren dick bedrungen [hatten]" Die CD Seikilos klingt modern, auch das sind wir von Corvus Corax gewohnt. Mittelalter im 21. Jh. das ist kein Rückschritt, keine Inquisition oder Pest, das ist ansteckende, mitreißende Musik. Kein museales Klangwerk sondern lebendige Musik!



Aus dem Booklet:

Seikilos der II. nennt er sich, ein Spielmann am Ausgang des 15. Jh. von dem wir nicht viel wissen. Es ist nur das Fragent eines Pergamentes erhalten, das für den Einband eines Buches aus dem 16. Jh. verwendet worden war.
Die spärlichen Bemerkungen über sein Leben lassen vermuten, dass es sich hier um einen weitgereisten, offensichtlich nich ungebildeten und lebensnehen Musikanten handelt, der sich wenig um Gesetze und Regeln gekümmert hat. Er war aus einem Kerker gefohen über Armenien und das Tatarenreich wahrscheinlich bis nach China gekommen. Er war fasziniert von den antiken Stätten, durch die er kam. Und er hat überall die Melodien und fremden Sprachen gelernt... Als später zurückkam, wurde über seine Musik gesagt, sie sei schrill und tue den Ohren weh, seine Lieder seien unverständliches Kauderwelsch... Er hat einen Zopf wie die Chinesenund hat einen Pfau in seinem Wappen. (" An gotlich vorcht und kranker gwissen udn von sunden swanger ist [...] entfloht von des kerchers vesten nach harmanei, durch tartarei nach cathay...[er spielt] seltsam melodia, die dick bedrangen die oren [...] sein kopf ist smückt mit ein kam wiz die schreiber aus catay han und trägt ein fau in seinem wappen...)
Sein Namensgeber ist für uns genauso unbekannt. Die Grabsäule eines Seikilos aus Tralles in Kleinasien aus dem Zeitraum vom 2. Jh. v. Ch. bis zum 1 Jh. n. Ch. zeigt eines der ältesten überlieferten Lieder in einer antiken Notation mit griechischem Text. Ein Trinklied, das zum Genuss des kurzen Lebens aufruft.
Möglicherweise hat der mittelalterliche Spielmann dieses Lied gekannt, da er sich diesen Namen gab, sein Leben hat er wohl im Sinne dieses Liedes gelebt.

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