Neuausrichtung nur teilweise gelungen
Das Schicksalsjahr? Eindrücke von Musikmesse und Prolight + Sound 2016 in Frankfurt
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Viele Besucher vermissten einige Markenhersteller bei "Rock meets Pop" in Halle 11. © MKB 2016
Die Messe Frankfurt hat 2016 einen Neuanfang gewagt: Komplette Neuplanung der Hallenbelegung, Festivalprogramm in der gesamten Stadt, neue Angebote im B2B-Bereich ebenso wie für alle Besucher (Drum Camp, Center Stage u.a.)… Es blieb kein Zweifel daran, wie richtungsweisend die diesjährigen Messen sein würden. Wie also war die Resonanz?
Gestiegene Besucherzahl
Die nackten Zahlen lassen das Wagnis zunächst als gelungen erscheinen: Knapp 110.000 (2015: 108.409) Besucher aus rund 130 Ländern kamen in den vergangenen Tagen auf das Frankfurter Messegelände.
"Wir sind mit der Neuausrichtung unseres starken Messe-Duos auf dem richtigen Weg", sagt daher auch Detlef Braun, der Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Doch die Besucherzahl drückt vor allem aus, dass die Publikums-Zugkraft der Messen noch Bestand hat. Oder zeigt an, dass das neue Konzept die Neugier der Besucher vielleicht erst wieder wecken konnte, nachdem insbesondere die Musikmesse in den vergangenen Jahren ja mehr und mehr Kritik einzustecken hatte.
Aber die Besucherzahl beantwortet natürlich nicht die Frage, wie die Neuausrichtung der Messe unterm Strich wirklich angenommen wurde. Wer erste Presseartikel und Besucherkommentare in den sozialen Medien prüft wird schnell feststellen, dass durchaus kritische Stimmen zu vernehmen sind.
Laute Pop/Rock-Halle ohne Big Names
Vorneweg, quasi sinnbildlich für die Krise, die eine Neuorientierung notwendig machte, steht das Fehlen namhafter Aussteller. Fender, Gibson und viele mehr vermisst man beim Gang durch die Hallen schmerzlich.
Einige große Marken, darunter Marshall, waren im Fachbesucher-Bereich durch ihre Deutschlandvertriebe präsent. Aber dass beispielsweise in der "Rock Meets Pop"-Halle die Bereiche Drums und elektrische Saiteninstrumente gemeinsam Platz fanden, ist ein Novum, das negativ auffallen muss – selbst wenn man nur die Lautstärke kritisieren mag, die sich dadurch ergab und jedes vernünftige Antesten ohne Kopfhörer unmöglich machte.
Insgesamt präsentierte sich aber dennoch die stolze Zahl von 2.043 Ausstellern aus 60 Ländern in Frankfurt. Und hier und da erklingt durchaus positives Feedback. So sagt Hans Peter Wilfer, Geschäftsführer der Warwick GmbH, zum Beispiel:
"Wir waren das erste Mal seit Jahren auf der Musikmesse. Im neuen Konzept sehen wir gute Ansätze, die Messe als Marketingplattform zu stärken. Wir präsentierten hier unser neues Produktsegment im Bereich Akustikgitarren und sind sowohl zufrieden mit den Händlerkontakten, die wir auf der Messe haben, als auch mit dem Interesse auf Endkundenseite".
Gleichzeitig verweist er mit seiner Einlassung aber auch auf eine der zentralen Schwierigkeiten, mit der die Messeorganisation zu kämpfen hat. Man will allen etwas bieten können, will ein Anziehungspunkt für Fachbesucher und das musikinteressierte Publikum gleichermaßen sein. Die Interessen sind jedoch unterschiedlich, was in der neuen Konzeption ja berücksichtigt werden sollte.
Früher versuchte man die Trennung durch die Aufteilung auf unterschiedliche Tage, nun bot man einige gesonderte Business-Areale, wobei die Messen bei geänderten Öffnungszeiten – etwas länger in den frühen Abend hinein – grundsätzlich allen Interessierten offen standen.
Während in Halle 11.1 dadurch Fachgespräche und sensible Verhandlungen möglich wurden, wuchs für den Endkunden in den Ebenen darunter der Lärmpegel bei gleichzeitiger Reduzierung des Angebots und wachsendem Gedränge auf der insgesamt kleiner gewordenen Fläche.
Prolight + Sound profitiert
Interessanterweise sorgt dies für eine positive Entwicklung der Prolight + Sound. Früher waren die Bereiche rund um Licht- und Veranstaltungstechnik de facto reines Fachbesucher-Territorium, doch diesmal wirkte insbesondere die neu belegte Halle 3.1 deutlich belebter. Es überrascht also nicht, wenn der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik ein positives Fazit zieht. Helge Leinemann, stellvertretender Vorsitzender des VPLT, lässt ich wie folgt zitieren:
"Aus Sicht des VPLT war die Prolight + Sound 2016 ein voller Erfolg. Die Neuordnung ist der Messe Frankfurt sehr gut gelungen und hat die Entwicklung der Branche gut aufgefangen: Event-Technologie boomt weiterhin".
Doch auch auf der Prolight + Sound gab es Aussteller-Stimmen zu vernehmen, die sich deutlich vorsichtiger äußerten. Manchmal sind die Kritikpunkte erst auf den zweiten Blick verständlich. Nur ein Beispiel: Durch den Umzug in die neue Halle auf einer höheren Ebene wurde für unseren Gesprächspartner eine neue Logistik und Standkonzeption notwendig, was sich direkt in den Kosten des Messeauftritts widerspiegelt. Und der Besucherstrom zog erst am dritten Tag richtig an, nachdem parallel die Musikmesse begonnen hatte.
Live-Areas und Festival boten attraktives Rahmenprogramm
Neben all dem letztlich doch noch ziemlich bunten Treiben in den Hallen zog es mehr als 20.000 Musikfans in die über 50 Konzerte im Rahmen des Musikmesse Festivals, das erstmalig an über 30 Locations in Frankfurt stattfand.
"Wir freuen uns sehr, dass das erste Musikmesse Festival so viele Menschen begeistern konnte. Das Konzept ist aufgegangen, die Musik in die Stadt zu tragen", sagt Wolfgang Weyand, Leiter des Musikmesse Festivals.
Positiv die Eindrücke auch so mancher Show auf dem Messegelände, wo es diesmal zwar keine Agora-Stage mehr gab, aber eine Center Stage, die durchaus ein interessantes Programm bot. So wetteiferten zum Beispiel beim SchoolJam die jungen Talente um den Titel "Deutschlands beste Schülerband" – gewonnen hat übrigens Aber Hallo! aus Regensburg. Mehrfach trat die All-Star-Band The Dead Daisies auf und wusste zu begeistern.
Vor Halle 11 lockte die Beck's Open Stage aufs Freigelände, wo täglich auch eine Band auftrat, die sich über Backstage PRO den Gig sichern konnte. "Wir hatten einen super Nachmittag auf der Musikmesse", schreibt uns beispielsweise Kris von The Secluded. Dass allerdings eine zweite fette Anlage unterbrechunglos diverse DJ-Sets quer über den Platz jagte und damit natürlich auch den Sound der durch die Biermarke gesponserten Bühne beeinflusste, muss einer Fehlplanung bei der Belegung der Außengelände geschuldet sein. Es sind vermeindliche Schluderein bei solchen Details, die musikkundige Besucher stutzig werden lassen.
⇒ regioactive.de liefert euch mehrere Fotogalerien zu den Shows.
2017 ohne festes Datum angekündigt
"Licht aus, Spot an" möchte man sagen beim Blick auf die diesjährige Musikmesse und Prolight + Sound, denn ja, wer wollte, der konnte einige gut ausgeleuchtete Highlights entdecken – als Fachbesucher ebenso wie als Teil des allgemeinen Publikums. Gleichzeitig bleibt vieles im Dunkeln und wird sich weiter wandeln müssen, um die Messen – ganz besonders die Musikmesse – langfristig attraktiv zu halten.
Dabei haben sich einige Kritikpunkte unter der neuem Konzept wiederholt, die man bereits früher vernehmen konnte: der Termin im Frühjahr liegt für heutige Verhältnisse eventuell zu nah an der Jahresauftaktmesse NAMM in den USA. Die Lautstärke in manchen Hallen ist schon immer ein wiederkehrendes Problem, so auch dieses Jahr. Die Preise für Eintritt und Verpflegung sowie bei mehrtägigen Besuchen auch für Unterkünfte in der City sind hoch. Für die Standmieten scheint dies ebenso zu gelten. Viele große Marken blieben wiederholt fern.
Manches davon können die Organisatoren direkt beeinflussen, anderes nicht. Es bleibt daher spannend zu beobachten, wie sich die Messen fürs nächste Mal ausrichten werden. Wird man das jetzige Konzept nochmal neu justierten? Man darf durchaus davon ausgehen. Die nächsten Musik- und Prolight + Sound-Messen sollen Anfang April 2017 stattfinden – das genaue Datum wurde also noch nicht bekannt gegeben.
Fotostrecke
Unsere Fotos nehmen euch mit auf einen kleinen Rundgang durch die diesjährigen Hallen.
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