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"harte arbeit und ausdauer sind die lösung"

Interview mit Vic Firth, weltgrößter Hersteller von Drumsticks

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 15.03.2013

vic firth musikmesse frankfurt

Interview mit Vic Firth, weltgrößter Hersteller von Drumsticks

Die Vic Firth Company ist der weltgrößte Hersteller von Schlagzeugstöcken und Schlägeln. Die Firma wurde vor fünfzig Jahren von Vic Firth, einem Profimusiker und Lehrer, gegründet und beschäftigt heute rund 165 Mitarbeiter in Boston, Massachusetts und Newport/Maine. Wir sprachen mit Vic Firth über seine Geschäftsphilosophie, seine Abneigung gegen Outsourcing und warum seine Schlagzeugstöcke auf Außenrundschleifmaschinen gefertigt werden.

Backstage PRO: Mr. Firth, Sie haben das Unternehmen, das Ihren Namen trägt (Vic Firth Webseite), vor fünfzig Jahren im Grunde deshalb gegründet, weil Sie als erfahrener Musiker mit der Qualität der damals angebotenen Schlagzeugstöcke unzufrieden waren.

Vic Firth: Es war nicht nur die Qualität der Schlagzeugstöcke, es war die fehlende Auswahl. Ich gehörte zu einem sehr anspruchsvollen Kammermusikensemble, das verschiedenste Stücke moderner Komponisten spielte. Das erforderte eine größere Auswahl an Schlagzeugstöcken, als damals normalerweise zur Verfügung stand.

Backstage PRO: Und das wollten Sie ändern. Konnten Sie damals die Komplexität des gesamten Geschäfts überblicken?

"Ich hatte von nichts eine Ahnung"

Vic Firth: Ich hatte von nichts eine Ahnung, was mit Produktion, Drechseln und der richtigen Bezugsquelle für Holz zu tun hatte. Ich begann als Baby in Windeln und arbeitete mich langsam, aber sehr gewissenhaft voran. Es gab für mich keinen Grund zur Eile, ich war als Musiker tätig und nicht von den Stöcken abhängig. Anfangs sollte es gar kein Geschäft werden, doch der Laden wuchs und zog mich in seinen Bann, so dass ich die Sache ernsthafter anging.

Backstage PRO: Könnte man das als einen Lernprozess beschreiben, der ihnen am Anfang gar nicht bewusst waren?

Vic Firth: Ja, das trifft den Nagel auf den Kopf.

Backstage PRO: Wie wirkt sich das noch heute auf Ihre Firma aus?

Vic Firth: Ich bin von den besten Leuten im Musikgeschäft umgeben, und alles was wir machen, ist gegenseitig abgesprochen, egal ob hier in Boston oder im Werk in Newport, Maine. Wir treffen uns täglich am Vormittag und stehen ständig miteinander in Kontakt.

Backstage PRO: In den Videos auf Ihrer Homepage erklären Sie, dass Schlagzeugstöcke nicht nur zwei Holzstäbe sind. Warum eigentlich nicht?

Vic Firth: Ein Schlagzeugstock ist so gestaltet, dass er auf dem Becken oder Schlagzeug eine Resonanz erzeugt. Seine Form beeinflusst die Klangqualität, und selbst minimale Veränderungen im Herstellungsprozess können sich enorm auf das Ergebnis auswirken.  

Backstage PRO: Das richtige Holz zu finden und auszuwählen ist eine Wissenschaft für sich. Dazu gehört der ständige Austausch mit den jeweiligen Fachleuten. Könnten Sie das bitte etwas näher erläutern?   

Vic Firth: Es beginnt mit dem Rohholz. Als einzige Firma kaufen wir frisches Holz. Anders gesagt, wir haben unsere eigenen Etagentrockner, weil es wichtig ist, das Holz nach unserer eigenen Vorgaben zu trocknen. Der US-Bundesstaat Maine ist für seine Holzproduktion bekannt, und an der University of Maine gibt es einige brillante Leute, die alles über Holz wissen. Wir pflegen langjährige Beziehungen mit der Universität und werden mit Ideen und Überlegungen versorgt. Unsere Versuche beeinflussen auch deren Konzepte. Wir arbeiten außerdem mit dem Forstamt der US-Bundesregierung zusammen und erhalten von dort Informationen und Feedback.

"Ich stecke meine Nase überall hinein"

Backstage PRO: Also sammeln Sie ständig Informationen, um Ihre Produkte zu optimieren?

Vic Firth: Genau. Unsere Techniker in Maine sind eine weitere wichtige Informationsquelle. Ihr großartiges Wissen über Holz ist wirklich umwerfend. Wenn ich nach Maine fahre, läuft es immer nach dem gleichen Schema ab. Als erstes spreche ich mit dem Mann, der die Qualität und den Feuchtigkeitsgehalt des eingehenden Holzes kontrolliert. Meine nächste Station ist die Sägemühle. Dann verfolge und prüfe ich den gesamten Herstellungsprozess, bis die Pakete das Werk verlassen. Ich stecke meine Nase überall hinein (lacht).

Backstage PRO: Ist es in der heutigen Welt des Outsourcings nicht sehr ungewöhnlich, dass eine Firma den gesamten Herstellungsprozess vom Einkauf des Holzes bis zum Fertigprodukt abdeckt?

Vic Firth: Ich halte nichts vom Outsourcing, sondern glaube an die amerikanische Arbeitskraft und die amerikanischen Produkte, die in diesem Land hergestellt und verkauft werden. Man bedient sich des Outsourcings, um Kosten zu sparen. Man macht das, weil es billiger ist. Meine Aufgabe lautet, die hohen Kosten unserer Arbeit in den Griff zu bekommen und uns auch ohne Outsourcing wettbewerbsfähig zu machen. Und das funktioniert: Wer gute Ideen hat, hat auch gute Ergebnisse.

"Es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten"

Backstage PRO: Was tun Sie, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Vic Firth: Ich denke, es ist wichtig, immer eng mit dem Team zu arbeiten, um das Herstellungsverfahren zu verbessern. Man darf sich nie mit dem laufenden Verfahren zufrieden geben, es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten. Egal wie hoch ich die Latte gelegt habe, wir haben sie erreicht und schließlich noch höher gehängt. Das ist unseren fabelhaften Technikern zu verdanken, die oft schon seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten bei uns sind.

Backstage PRO: Ich habe aus dem Video erfahren, dass die Feuchtigkeit des Holzes und die Geradlinigkeit der Schlagzeugstöcke zusammen hängen. Könnten Sie uns diesen Zusammenhang bitte erklären?

Vic Firth: Wenn man eine Drechselbank einsetzt, muss man mehr Feuchtigkeit im Holz lassen, sonst entstehen Risse, die den Stock beschädigen. Man muss also die Maschine langsamer laufen lassen, oder mehr Feuchtigkeit im Holz belassen. Mit einer Schleifmaschine kann man den Feuchtigkeitgehalt des Holzes auf das Minimum reduzieren. Je weniger Feuchtigkeit im Holz verbleibt, umso weniger kann es sich verziehen. Als wir vor Jahren die Drechselbank einsetzen, waren einige der sehr dünnen Stöcke zu 60 % verzogen. Heute liegen wir bei den gleichen Stöcken bei 4 bis 8 Prozent. Das zeigt, wie sich das System entwickelt und verbessert hat, weil wir unsere Ziele hartnäckig verfolgen. Jede Menge Stöcke sind dabei in meinem Kamin gelandet (lacht).

Backstage PRO: Das ist eine Möglichkeit, die Kosten zu senken. Je weniger man wegwirft, umso mehr kann man verkaufen.

Vic Firth: So ist es.

Backstage PRO: Ein großer Teil Ihres Erfolgs liegt am Einsatz von Außenrundschleifmaschinen zur Holzgestaltung anstelle von Messern, die es zurecht schneiden. Was ist so besonders am Holzschleifen?

Vic Firth: Die Messerklinge wirkt wie eine Guillotine und übt dort Druck aus, wo sie auf das Holz trifft. Das vergrößert die Möglichkeit des Verziehens aufgrund der Belastung durch die Klinge auf das Holz. Mit einer Außenrundschleifmaschine verteilt sich der Druck während des gesamten Verfahrens gleichmäßig. So können wir die Schlagzeugstöcke genau nach Vorgabe fertigen.

"Niemand in der Branche hatte je davon gehört"

Backstage PRO: Wie lange hat es gedauert, bis Sie darauf gekommen sind?

Vic Firth: Wir sind recht schnell auf diese Lösung gekommen. Einer unserer Techniker hatte die Idee, und es funktionierte. Niemand in der Branche hatte je davon gehört.

Backstage PRO: Wurde die Methode später von anderen übernommen?

Vic Firth: Nein, jahrelang hat das niemand übernommen. Einer unserer Mitbewerber versucht es jetzt und wird feststellen, dass es sehr viel im Hinblick auf die Maschine und das Holz zu beachten gibt.  

Backstage PRO: 2010 haben die Vic Firth Company und die Avedis Zildjian Company fusioniert, doch beide Firmen erklärten, dass sie separate Einheiten bleiben. Könnten Sie den Grund für diese Entscheidung nennen?

Vic Firth: Der Grund ist, dass in meiner näheren Familie kein Nachfolger an der Übernahme der Firma interessiert ist. Damit soll die Arbeit, die meine Leute geleistet haben, bewahrt werden. Es geht nicht darum, dass ich bis zum Ende dabei bleibe. Ich suchte einen Partner, der das Geschäft voran bringen möchte und dieselbe Geschäftsphilosophie hat. Die Zildjian Company passt am besten zu uns, und die Verbindung hat sich wunderbar entwickelt.

"Ich versuche zum Wohlstand des Staates Maine beizutragen"

Backstage PRO: Neuengland unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Teilen der USA. Alles ist etwas kleiner, vielleicht etwas stärker gemeinschaftsorientiert. Wie kommt das Ihrer Meinung nach in Ihrer Firma zum Ausdruck?

Vic Firth: Maine ist ein sehr ländlicher Bundesstaat, und wir haben unseren Sitz in Newport, einer ganz kleinen Stadt. Im weiten Umkreis sind wir der größte Arbeitgeber. Mehrfach wurden wir dafür ausgezeichnet, was wir für Maine getan haben und auch weiterhin tun. Maine ist zurzeit wirtschaftlich angeschlagen, und ich versuche, meinen Teil zum Wohlstand des Staates zu leisten.

Backstage PRO: Wie lange ist die Vic Firth Company schon auf der Musikmesse in Frankfurt?

Vic Firth: Wir stellen dort seit über 35 oder sogar 40 Jahren aus.

Backstage PRO: Offensichtlich haben Sie Gründe, warum Sie jedes Jahr wieder kommen. Welche?

Vic Firth: Die Gründe für die Messeteilnahme ist, dass wir uns dort in Ruhe mit unseren Partnern zusammen setzen können, um die Strategie für das kommende Jahr zu besprechen, unsere Fehler im vergangenen Jahr zu diskutieren und zu überlegen, was wir gemeinsam tun können, um noch erfolgreicher zu werden.

"Ich nehme an jedem einzelnen Meeting teil"

Backstage PRO: Reisen Sie persönlich zur Musikmesse?

Vic Firth: Nicht nur das, ich nehme an jedem einzelnen Meeting teil.

Backstage PRO: Welchen Schwerpunkt hat Ihre diesjährige Präsentation?

Vic Firth: Wir werden acht bis zehn neue Produkte vorstellen.

Backstage PRO: Worüber sind Sie am meisten erstaunt, wenn Sie sich rückblickend Ihre Leistungen anschauen?

Vic Firth: Mich kann man nicht so leicht zum Staunen bringen, aber ich habe gelernt, dass harte Arbeit und Ausdauer die Lösung für alles sind. Die ganze Firma befolgt diesen Grundsatz, und er hat uns gute Dienste geleistet. Wir führen ein strenges Regiment, aber wir sind sehr loyal gegenüber unseren Händlern und Partnern. Und sie schenken uns im Gegenzug ihre Treue.

Backstage PRO: Treue ist ein seltenes Wort in der heutigen Arbeitswelt. Die wirtschaftliche Realität scheint zu verlangen, dass Firmen wegen einiger Cents ihre Lieferanten wechseln.

Vic Firth: Wir haben langjährige Partnerschaften und kennen es nicht, dass jemand von der Vic Firth Company weggeht. Vielmehr kämpft man darum, mit uns ins Geschäft zu kommen und nicht umgekehrt!

Backstage PRO: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft des Unternehmens aus, das Sie vor fünfzig Jahren gegründet haben?

Vic Firth: Die Zukunft wird genauso spannend sein, wie es die Vergangenheit war. Die Leute, die das Unternehmen führen, werden genauso arbeiten, auch wenn ich nicht dabei bin. Ich sehe nichts anderes als wachsenden Erfolg.

Backstage PRO: Vielen Dank für das Interview, Mr. Firth.

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