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Vom Punkrock-Booking zur Social Media Agentur

Interview mit Felix Willikonsky, der Marken und Unternehmen mit Artists verbindet

Interview von Doktor Nic
veröffentlicht am 18.01.2022

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Interview mit Felix Willikonsky, der Marken und Unternehmen mit Artists verbindet

Felix Wilikonsky. © (privat)

Doktor Nic spricht mit dem Wahl-Berliner Felix Willikonsky (ehemals DAZN), der gerade seine eigene Agentur geründet hat, über Markenkooperationen im Musikbereich und darüber, wie sich Social Media im Jahr 2022 entwickeln wird.

Felix Willikonsky hat die harte Schule des D.I.Y. durchlaufen, nationale und internationale Kontakte geknüpft und vor allem eines gelernt: Die Connection von Künstler/innen und Marken, das Verbinden von Menschen unterschiedlicher Talente, ist überaus wichtig. Ende 2021 gründete er Friends & Foxes und konzentriert sich jetzt auf Brand Cooperations mit Business-Kunden aus den Bereichen Sport, Mode und Musik.

Backstage PRO: Moin Felix, wir haben ja ähnliche Lebensläufe: Ein bisschen Tourbooking hier, etwas PR da, eine Prise Management dort und nebenbei noch Platten rausbringen – an jeder Klinke wird geputzt!

Felix: Ja, das stimmt. Ich habe mich anfangs mit Herzblut und Vollgas ausprobiert und nach dem "Trial und Error"-Prinzip herausgefunden, welche Tätigkeit mir Spaß macht. Ich musste in den ersten Jahren viel Arbeit investieren, damit ich etwas auf die Beine stellen konnte.

Backstage PRO: Welchen Arbeitsethos, welchen Spirit hat dir das DIY-Dasein seinerzeit vermittelt?

Felix: In erster Linie habe ich Selbstvertrauen in mich und meine Fähigkeiten gewonnen und habe mir mein Rüstzeug für die Freiberuflichkeit erarbeitet. Des Weiteren habe ich den Austausch mit den Fans der Musik gesucht und mich aktiv involviert, um Bands zu promoten. Das hilft mir heute Fan-Gruppierungen zu verstehen und mit ihnen zu kommunizieren. Diese Anpacker-Mentalität ist für jemanden außerhalb der DIY-Szene unter Umständen nicht zu verstehen, aber ich bin überzeugt, dass diese Erfahrungen meine heutige Arbeit besser machen.

"Partnerschaften ergeben für beide Seiten Sinn"

Backstage PRO: Welche Bedeutung hat Brand Identity für dich – bezogen auf Unternehmen, aber auch auf Bands?

Felix: Das ist aus meiner Sicht wichtig: Wofür steht eine Marke oder eine Musikgruppe? Was ist die Vision und wohin soll die Reise gehen? Das ist entscheidend, um Identifikation zu stiften und bei den Betrachterinnen auf dem Radar zu sein. Es gibt Künstler, die das perfekt beherrschen. Die Band Bilderbuch, NOFX, Marteria oder der Rapper Moneyboy zum Beispiel, die Social Media im Kern verstehen und es schaffen, relevant zu bleiben.

Ich wünschte mir, dass Marken dem Thema noch mehr Wichtigkeit beimessen würden. Dass das oftmals nicht so ist, liegt an der schwierigen Messbarkeit und der komplexen Investition, die Markenbildung bedeutet. "Brand" wird vielmals als Unterkategorie im Performance Marketing verstanden, was ich strukturell problematisch finde.

Ich persönlich arbeite primär im Kommunikations- und Social Media Bereich, wo einzelne Maßnahmen und Taktiken direkte Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Künstlern oder Marken haben. Ich versuche dort eine gute Arbeit zu machen und hoffe dann darauf, dass mein Gegenüber die Arbeit zu schätzen weiß. In den USA verändern sich langsam die Strukturen großer Firmen und die Themen Kommunikation und Markenaufbau werden dort teilweise inzwischen ganzheitlicher verstanden.

Backstage PRO: Markenkoorperationen sind nichts neues, erfreuen sich aber einiger Beliebtheit im Musik-Marketing der Gegenwart: TikToker, die mittels Musik für Brands werben, Rockbands mit eigener Getränkemarke, auch viele politische oder karitative Aktionen kommen mir unter. Welche Chancen solcher Connections siehst du noch in der durch die Coronapandemie geprägten Zukunft?

Felix: Ich hoffe sehr, dass Künstler und Künstlerinnen sich in naher Zukunft vor allem wieder auf das Musikmachen auf der Bühne konzentrieren können. Aber zum Thema Partnerschaften: das ergibt für beide Seiten Sinn. Wichtig sind hier zwei Dinge:

1. die Konzeption: was für eine Idee habe ich, die auf die Ziele des jeweils anderen einzahlt? Warum lohnt sich die Kooperation für beide Seiten?

2. die Kontakte: wer hält das Budget und wen muss ich überzeugen, also: wer zahlt für das Ganze?

Es hilft sehr, Unternehmensstrukturen zu verstehen, um den richtigen Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin ausfindig zu machen. Wenn man eine gute Idee an die richtige Person heranträgt, dann lässt sich bestimmt etwas tolles auf die Beine stellen. Mit oder ohne Pandemie.

"Wie Influencer-Marketing – nur in gut"

Backstage PRO: Was würdest du Artists raten, wie sie Beziehungen zu branchenfremden Marken aufbauen sollten? Sagen wir, ich möchte gern eine Skateboard-Kollektion für meine Punkband aufbauen?

Felix: Ich würde dazu raten, auf LinkedIn mit Mitarbeiterinnen von Skateboard-Marken zu sprechen. Es hilft, wenn man dort ein Netzwerk aufbaut, den Menschen Fragen stellt, einen Vorschlag in Präsentationsform entwirft und dann der richtigen Person in einem Telefonat oder – noch besser – persönlich vorstellt.

Backstage PRO: Welche Vorteile haben Marken, sich mit Musik-Acts zu vernetzen? Braucht es eine bestimmte Reichweite oder Größe?

Felix: Das kann schon ab einer sehr kleinen Größe Sinn machen. Die einen Unternehmen müssen bekannter werden, die anderen brauchen positive Presse-Narrative, die nächsten wiederum Reichweite in einer bestimmten Zielgruppe. Als Musikgruppe ist das ähnlich: für einige Bands ist der monetäre Aspekt wichtig, andere wollen bekannter werden, die nächsten brauchen gute Videoinhalte, um die Kredibilität zu vergrößern. Letztlich müssen diese Ziele miteinander übereinkommen. Der Vorteil für die Marken ist, dass Künstler und Musikerinnen als trojanische Pferde fungieren können, die Botschaften mit großer Glaubwürdigkeit in die Zielgruppen aussteuern können. Im besten Fall funktioniert das wie klassisches Influencer-Marketing – nur in gut.

Backstage PRO: Erzähl uns über die Pläne mit deiner Agenturgründung. Was ist euer Angebot und an wen richtet es sich?

Felix: Wir bieten Inhalte für die Betreuung von Social Media Kanälen oder Aktivierungen auf Marketing- und Kommunikationskanälen an. Das können Fotos, Videos, Texte oder Influencer-Aktionen sein. Das machen wir für Kunden im Sport und Musikbereich. Zu den Auftraggebern zählen DAZN, die Deutsche Sporthilfe und die Kleidungsmarke distorted people. Aber wir haben auch mit Bands wie Culcha Candela oder Love Equals Death zusammengearbeitet, indem wir Fotoshootings organisiert haben oder die Videoproduktion übernommen haben.

Wir sind derzeit schlank aufgestellt: Tim kümmert sich um die Administration und das Finanzielle, Cassie betreut den schriftlichen Content und ich mache die operative Arbeit mit den Kunden. Dazu haben wir eine Fotografin und einen Designer, Eva und Petr, die beide ebenfalls aus dem Punk und Hardcore kommen. Für das Jahr 2022 möchten wir die GbR in eine GmbH umwandeln und uns vielleicht sogar vergrößern. Es macht im Moment sehr viel Spaß und wir wählen die Projekte nicht unter finanziellen Gesichtspunkten aus, sondern nach dem Spaßfaktor.

"Herumprobieren ist ein super Schritt"

Backstage PRO: Was sind so deine Social Media Prognosen für 2022?

Felix: Die Entwicklung ist rasant und ich bin leider kein Prophet. Fakt ist: Facebook und Instagram werden sich stark verändern und TikTok wird nicht weggehen. Dazu ist die gezielte Aussteuerung von Inhalten noch komplexer geworden, was Implikationen für kleinere Seiten und Kanälen haben wird, da das Reichweiten-Wachstum stagniert.

Backstage PRO: Hast du ein paar Tipps und Tricks, was die Erstellung von Videocontent angeht – zum Beispiel für TikTok? Kann man hier derzeit überhaupt schon erfolgversprechende Konzepte vorstellen oder wird noch viel herumprobiert?

Felix: Es gibt ganz tolle Video-Konzepte für TikTok. Noch wichtiger ist es, dass man die aktuellen Trends im Auge hat, sich ernsthaft mit der Plattform auseinandersetzt und Lust hat, dort selbst aktiv zu werden. Auf TikTok wird die persönliche Adaption von viralen Inhalten mit Reichweite belohnt. Mein Tipp daher: guckt, was auf der Plattform trendet und macht das im eigenen Stil nach. Die Videos dann am besten direkt mobil innerhalb der App selbst modifizieren.

Herumprobieren ist schon Mal ein super Schritt. Denn: wenn man keine Freunde an der Produktion von Inhalten für die sozialen Netzwerke entwickelt – dann lässt man es besser bleiben.

Backstage PRO: Nutzt du bestimmte Tools, um Brandpartner mit Musik zu versorgen und zu verbinden? Hat deine Arbeit auch mit Sync zu tun?

Felix: Dazu bekommen wir im Moment kaum Anfragen. Für das Herrenzimmer von Hornbach durfte ich mal die Musik von Punkbands wie The Scandals, MXPX und Walk The Plank bereitstellen. Die Lieder von Andrew Paley waren öfter Mal bei DAZN zu hören. Ich kann mir vorstellen, dass sich Produktionsfirmen primär an die großen Plattenlabels und Verlage wenden.

"Mit Punkrockbands auf Tour zu gehen lag näher als in eine Therapie zu gehen"

Backstage PRO: Mitten in Pandemiezeiten verlässt du den Agenturschoß und stürzt dich erneut in die Selbstständigkeit – dabei scheinst du ja schon einige Kunden aus deinem Netzwerk mitzunehmen. Wie baut man sich so eine Marke wie die des Felix Willikonsky auf?

Felix: Das läuft wie im Punkrock auch – vor allem über freundschaftliche Verbindungen und über ein stabiles Netzwerk. Ich mag es, mich mit Menschen zu verbinden und mit tollen Leuten Dinge umzusetzen, auf die ich stolz sein kann. Dann fühlt sich die Arbeit auch nicht nach Arbeit an.

Backstage PRO: Erzähl unseren Lesern von deinen Anfängen mit Punkrock. Wie kamst du zu Jobs? Du hast ja für durchaus sehr namhafte Rockbands gearbeitet.

Felix: Ich bin Schulversager und habe mich durch die Schule gequält. Danach hatte ich das Gefühl, dass ich etwas für mich tun muss, um klar zu kommen. Mit Punkrockbands auf Tour zu gehen lag für mich näher, als in eine Therapie zu gehen. Ich habe angefangen über DIY Platten und CDs zu veröffentlichen, habe Touren gebucht, Rezensionen für Magazine geschrieben, die Pressearbeit für Bands übernommen, Merchandise gedruckt, Touren als Mercher und Fahrer begleitet und selbst Shows veranstaltet. Das war mein Weg, um Anschluss zu finden und mich mit anderen Menschen zu verbinden, die mich inspirieren.

Dann habe ich ein Praktikum bei Side One Dummy Records in Münster gemacht und bin anschließend, dank Christoph Riebenbauer, für eineinhalb Jahre in die Red Bull Welt in Wien eingetaucht, wo sich Musik und Marke miteinander verbunden haben. Dort durfte ich dann auch mit Künstlern wie Awolnation arbeiten. Das war ein großer Wendepunkt für mich. Danach habe ich viel in Agenturen in Berlin gearbeitet und beim Sportstreaminganbieter DAZN, nebenbei aber immer den DIY-Kosmos und die Arbeit für Bands nicht aus den Augen verloren. Ich habe mir bei jedem Job gesagt: 'Wenn das nicht klappt, dann buche ich wieder Touren und verbringe meine Zeit im Tourbus'. Das hat mir Sicherheit gegeben.

Backstage PRO: Danke für deine Zeit – ein Schlusssatz an alle DIY-Menschen da draußen?

Felix: Danke, Nick. Es hat mich auch sehr gefreut. Ich finde es toll, dass es da draußen so viele Menschen gibt, die spannende Dinge auf die Beine stellen. Dort wo kreative Ideen entstehen, bilden sich zumeist auch Synergien oder Kollaborationsmöglichkeiten. Ich freue mich über jeden Kommentar!

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