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"dann gibt es krieg"

Podiumsdiskussion über die neuen GEMA-Gebühren bringt überraschende Erkenntnisse

News von Daniel Nagel
veröffentlicht am 19.10.2012

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Podiumsdiskussion über die neuen GEMA-Gebühren bringt überraschende Erkenntnisse

Die Gründungsmitglieder der Clubvereinigung EventKultur Rhein-Neckar. © 2012

Nur noch wenige Monate, dann sollen die neuen GEMA-Gebühren für Diskotheken in Kraft treten. Was passiert dann? Eine Podiumsdiskussion in der Mannheimer Popakademie versuchte Antworten zu finden - und verriet Erstaunliches über die Motivation der GEMA.

Titelbild: Gründungsmitglieder "EventKultur Rhein-Neckar"

Die neugegründete Clubvereinigung EventKultur Rhein-Neckar lud am vergangenen Dienstag zu einer Podiumsdiskussion über die Neugestaltung der GEMA-Tarife für Veranstaltungen ein, die zum 1. April 2012 in Kraft treten soll. Anwesend waren zwei Vorstände von EventKultur, Felix Grädler und Robert Ebinger, die gleichzeitig die Diskussion leiteten. Dazu kamen jeweils zwei Vertreter des DEHOGA, des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands und der GEMA.

Wie bereits berichtet sorgt die geplante Gebührenerhöhung der GEMA-Gebühren bei Diskothekenbetreibern für große Sorgen, denn sie müssen mit einer Steigerung um ein Vielfaches rechnen. Anwesende Betreiber sprechen von jährlichen Mehrkosten von mehreren zehntausend Euro. Es nimmt daher nicht Wunder, dass zahlreiche Betroffene anwesend waren, um sich zu informieren und zu diskutieren. 

"Weil es bisher zu günstig war!" – Ein erhellender Schlagabtausch

Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Diskussion wirklich Erhellendes erbringt: Ausgangspunkt ist ein Schlagabtausch zwischen den beiden dominierenden Persönlichkeiten des Abends: Hans-Christoph Bruß, Geschäftsfürher der DEHOGA Baden-Württemberg und Beteiligter an den Verhandlungen mit der GEMA und Barbara Gröger, Bezirksdirektorin der GEMA Stuttgart. Bruß erklärt, für eine "siebenfache Erhöhung" der Tarife gäbe es keine rechtliche Grundlage. Daraufhin erwidert Frau Gröger spontan: "Doch, weil es bisher zu günstig war."

Diese Aussage ist – gelinde gesagt – bemerkenswert. Die GEMA erhöht Gebühren um ein Vielfaches, weil sie diese für zu niedrig hält! Wenn die Gebührenerhöhung sich im Rahmen einiger Prozent bewegte, wäre das nicht zu beanstanden, aber hier geht es um eine Erhöhung um ein Vielfaches! Es stellt sich daher die Frage, ob die GEMA möglicherweise neue Tarife in Kraft setzt, obwohl ihr deren Rechtswidrigkeit bekannt ist. Tariferhöhungen müssen sich nämlich am Grundsatz der Verhätnismäßigkeit messen.

Die Motivation der GEMA

Eine weitere Brisanz dieser Äußerung ergibt sich aus dem Eingeständnis, dass die auf Diskotheken zukommende Erhöhung tatsächlich enorm ist. Die neuen Tarife sind nämlich das Ergebnis einer einseitigen Festlegung von Seiten der GEMA, nachdem jahrelange Verhandlungen mit dem DEHOGA zu keinem Ergebnis geführt hatten. Der DEHOGA wehrte sich offensichtlich so lange gegen Versuche der GEMA, die Tarife grundlegend zu verändern, bis die Verantwortlichen der GEMA beschlossen, sie einfach in Kraft zu setzen, um damit den Druck auf den DEHOGA zu erhöhen.

Ein weiterer Antrieb ergibt sich aus dem wachsenden Druck auf die GEMA von Seiten ihrer eigenen Mitglieder. Diese möchten sinkende Einnahmen aus dem Tonträgergeschäft kompensieren und die Verteilung der Einnahmen (850 Millionen Euro im Jahr) unter den Mitgliedern gerechter regeln. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Druck aus dem europäischen Ausland, die deutschen Tarife an das höhere Niveau in Nachbarländern anzupassen. All das und die Aufforderung der "Politik", die Gebühren für kleine Veranstaltungen zu senken, setzten die GEMA unter Handlungsdruck. Sie sah sich offensichtlich genötigt, neue Geldquellen zu erschließen.

Überforderte Aufsichtsbehörde

Bei der Festlegung der neuen Tarife kam der GEMA zu Gute, dass sie nach geltendem Recht berechtigt ist, so zu verfahren. Der DEHOGA bleibt die Anrufung der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt, das einen Einigungsvorschlag unterbreiten wird, den beide Seiten annehmen müssen, damit er Gültigkeit erhält. Gelingt keine Einigung steht beiden Parteien der Rechtsweg offen.

Das Deutsche Patent- und Markenamt ist jedoch mit dieser eigentlich sachfremden Materie regelmäßig überfordert. Wirklicher Gegenwind für die GEMA ist jedenfalls nicht zu erwarten. Die daran anschließende rechtliche Auseinandersetzung zwischen GEMA und DEHOGA wird langwierig und teuer, was der finanzstarken GEMA zu Gute kommt. In der Zwischenzeit müssen die Diskothekenbetreiber, Gastronomen und sonstige Veranstalter die Tarife bezahlen, sonst droht ihnen die Schließung. Die GEMA sitzt also am längeren Hebel.

Eine "erzieherische Maßnahme"?

Dennoch wirft die Situation die Frage auf, ob die GEMA mit ihrem Versuch, der DEHOGA ihren Willen aufzuzwingen, ihre Karten möglicherweise überreizt hat. Falls die neuen Tarife als "erzieherische Maßnahme" gedacht waren, um die DEHOGA zu Verhandlungen zu zwingen, so ist das nicht gelungen. Die DEHOGA lehnt Verhandlungen auf dieser Grundlage weiterhin ab.

Kurzfristig mag sich die GEMA mit dieser Maßnahme durchsetzen, aber die Diskothekenbetreiber besitzen die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. denn sie sind es ja, die mit der GEMA abrechnen müssen. Da die GEMA nicht jede Veranstaltung kontrollieren kann, muss sie sich auf die Angaben der Betreiber verlassen. Diese könnten die neuen Tarife beispielsweise dadurch ausheblen, indem sie massenhaft "Angemessenheitsanträge" stellen.

Diese früher als "Härtefallnachlassregelung" bezeichneten Anträge sind eigentlich dafür gedacht, den finanziellen Schaden für die Betreiber bei gefloppten Veranstaltungen in Grenzen zu halten. Die massenhafte Einreichung solcher Anträge könnte die bürokratische Kapazität der GEMA schnell überfordern. Auch andere denkbare Gegenmaßnahmen könnten dazu führen, das bisherige Vertrauensverhältnis zwischen GEMA und Veranstaltern zu untergraben.

Ist ein Krieg in Sicht?

Der daraus resultierende Schaden für die GEMA könnte weitaus größer sein als eventuelle Gewinne aus den neuen Tarifen. Ein zerstörtes Vertrauensverhältnis lässt sich nicht einfach so reparieren. Mit der einseitigen Festlegung der Tarife hat die GEMA einen so gewaltigen internen und externen Druck aufgebaut, der es ihr nur schwerlich erlaubt, jetzt einzuknicken. Auf der anderen Seite hat die DEHOGA sicherlich schon eine Ahnung davon, was passieren könnte, wenn die Tarife wirklich in Kraft treten. "Dann gibt es Krieg", so Hans-Christoph Bruß.

Der Besucher wird von dem Krieg wenig mitbekommen, die Folgen aber deutlich spüren. Das massenhafte Sterben von Diskotheken ist eher nicht zu erwarten, obwohl keineswegs ausgeschlossen ist, dass manche Betreiber auf gewisse Veranstaltungen verzichten. Wahrscheinlicher ist allerdings die Erhöhung der Eintritts- oder Getränkepreise, d.h. die Umlage der Gebührenerhöhungen auf die Kunden. Der eigentliche "Krieg" wird aber, sofern er denn kommt, hinter den Kulissen stattfinden. Noch ist es Zeit, ihn zu verhindern.

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