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Das Internet im ständigen Wandel

Von Followern zu echten Verbindungen: Patreon-CEO Jack Conte über die Zukunft der Fan-Interaktion

Spezial/Schwerpunkt von Antonia Freienstein
veröffentlicht am 26.04.2024

musikbusiness social-media

Von Followern zu echten Verbindungen: Patreon-CEO Jack Conte über die Zukunft der Fan-Interaktion

Jack Conte. © Gage Skidmore

Im Rahmen des SXSW Festivals im März, hat Musiker und Patreon-CEO Jack Conte einen Vortrag gehalten, der sich mit einem Thema beschäftigt, das für alle Kreativschaffenden wichtig ist: Das Internet als verbindendes Element zwischen Künstler*innen und Fans. Dabei warf er nicht nur einen Blick in die Entwicklung des Mediums, sondern gab Kreativschaffenden auch Tipps für den Umgang mit dem Internet und Social Media.

Contes Beitrag trägt den Titel "Death of the Follower & the Future of Creativity on the Web" und beschäftigt sich mit der Entwicklung des Internets als Interaktionsplattform zwischen Kreativen und Konsumierenden von den Anfängen bis heute. 

Vor allem geht Conte der Frage nach, welche Auswirkungen diese Entwicklungen für Kreative haben, für die das World Wide Web und seine Plattformen mittlerweile entscheidende Werkzeuge geworden sind. Conte unterbreitet dabei auch Vorschläge, wie Kreative mit den sich stetig wandelnden Strukturen des Internets umgehen können.

Conte beginnt seinen Vortrag dabei mit einer persönlichen Anekdote: Schon immer habe er gerne musiziert, die Arbeit an seinem ersten eigenen Album "Nightmares and Daydreams" habe er etwa zeitgleich mit seiner Schullaufbahn abgeschlossen. Eine große Herausforderung stand ihm nach dem Erreichen dieser zwei Meilensteine jedoch noch bevor - die Frage, wie er sein Erstlingswerk nun unter die Leute bringen sollte. 

Von Web 1.0 zu Web 2.0

Das Timing erwies sich hierbei jedoch als günstig. "Durch pures Glück, habe ich die Schule genau zu dem Zeitpunkt beendet, als diese aufkommende Technologie, das Internet einen massiven Wandel durchlaufen hat", so Conte, "Es hatte gerade damit begonnen sich von dem, was man Web 1.0 genannt hat, zu Web 2.0 zu entwickeln."

Durch eine Reihe in den frühen 2000er Jahren auf den Plan tretende Unternehmen wie YouTube, Facebook und Twitter bot das Internet mit dem Web 2.0 seinen Nutzer*innen erstmals einfache Möglichkeiten, selbst Inhalte ins Netz zu stellen. Conte dazu:

"Man vergisst so leicht, wie magisch das ist, wie besonders das ist, aber dieser Moment in der Geschichte markierte eine Veränderung für die Menschheit und besonders für Künstler*innen und Kreative, denn zum ersten Mal konnte man im Internet mehr tun als nur konsumieren, man konnte kreieren, man konnte andere Menschen erreichen."

Während es sich für Conte zuvor eher mühsam gestaltet hatte, ein Publikum für seine Musik zu finden, stellte das Web 2.0 einen vielversprechenden Umbruch dar. Anstatt sich kontinuierlich um neue Auftrittsmöglichkeiten zu bemühen und sich von Tour zu Tour zu hangeln, konnten Kreativschaffende mögliche Fans durch YouTube und Co. nun auch von zu Hause aus erreichen. 

Die Geburt des Followers

Für entscheidend hält Conte den Subscribe-Button, der ihm zunächst auf YouTube begegnet ist: "Er veränderte YouTube von einem Werkzeug, um Menschen zu erreichen, zu einer Möglichkeit, sie zu erreichen und dann eine Anhängerschaft, um die eigene Arbeit herum aufzubauen."

Der Subscribe-Button sorgte also für einen Vertriebskanal. Er stellte sicher, dass Fans der Inhalte eines spezifischen Kanals, auch zukünftig veröffentlichte Arbeiten zu sehen bekamen. Somit sorgte das Web 2.0 nicht nur für mehr Reichweite und neue Möglichkeiten der Entdeckung von Kreativen, es initiierte auch "die Geburt des Followers".

"Das Folgen (Follow) war ein Organisationssystem für das gesamte Internet. Es war ein Rahmen für die Verbreitung von Kreativität und Kommunikation, nicht nur Reichweite, sondern ein Schritt darüber hinaus. Kontinuierliche Kommunikation, Verbindung, eine dauerhafte Beziehungsgemeinschaft."

Algorithmen: Ende einer Blütezeit?

Während sich die Entwicklung hin zum Web 2.0 für Kreativschaffende also laut Conte als sehr vorteilhaft erwiesen hat, erfolgte in den 2010er Jahren erneut ein Wandel, der die Internetlandschaft stark veränderte - Facebook führte das "Ranking" von Beiträgen ein.

"Im Wesentlichen nahm es den Feed, den man sich als eine Liste von Beiträgen von Urheber*innen vorstellen kann, denen ich folge und analysierte jeden einzelnen Beitrag daraufhin, wie ansprechend er war und wenn er nicht ansprechend genug war, nahm Facebook diesen Beitrag und schob ihn im Feed nach unten. Sie begannen damit, Beiträge danach zu ordnen, was für ihr Geschäft am besten war."

Diese Änderung der Plattform-Architektur erwies sich als profitabel für Facebook. Die Verweildauer seiner User stieg und Plattformen wie YouTube, Twitter und Instagram übernahmen das Konzept.

Gleichzeitig sorgte das neue Konzept jedoch auch dafür, dass Follower zum ersten Mal seit dem Web 2.0 nicht mehr unbedingt alle Beiträge ihrer abonnierten Kanäle sahen. Diese Entwicklung sieht Conte sehr kritisch:

"Plötzlich musste mein Beitrag besser sein als andere Beiträge und das nach einer Reihe von Kriterien, die ich nicht kenne oder kontrollieren kann oder denen ich sogar vielleicht überhaupt nicht zustimme."

Anstatt sich zu überlegen, was man selbst machen möchte, was man als Künstler*in schaffen möchte, was die eigenen Fans lieben werden, dränge sich nun die Frage "Was wird der Ranking-Algorithmus bevorzugen?" in den Vordergrund. 

Als TikTok sich in den 2020ern schließlich vornahm, den ansprechendsten Feed überhaupt zu erstellen, verlor das Konzept des Abonnements weiter an Bedeutung. Der Algorithmus übernimmt auf der Plattform beinahe vollständig die Auswahl der Inhalte für seine Nutzer*innen. Auch hier zogen andere Plattformen nach - etwa mit auf die User abgestimmten "For You"-Pages.

Zukunftsaussicht: Geht es weiter bergab?

Obwohl Algorithmen die Möglichkeit mit sich bringen, dass Inhalte viral gehen können und somit durchaus eine unterstützende Funktion im Entdeckungsprozess der jeweiligen Erstellenden spielen können, können sie also die kreative Freiheit einschränken. Zudem stellen sie massive Störfaktoren in den zuvor durch Abonnements aufgebauten Vertriebskanälen dar. 

"Ich habe das als Kreativer vor allem in den letzten vier Jahren persönlich zu spüren bekommen. Meine Fans sehen nicht mehr so viel von meinen Sachen. Es ist schwieriger, Tickets für eine Show zu verkaufen. Es ist schwieriger, Leute mit meiner neuen Arbeit zu erreichen. Es ist schwieriger eine Gemeinschaft oder ein Business aufzubauen. Es ist schwieriger, meine Fans zu begeistern", so Conte.

Letztendlich glaube er jedoch nicht daran, dass es tatsächlich so weit komme, dass das Folgen oder Abonnieren komplett an Bedeutung verliere: 

"Ich glaube, dass das Konzept der Follower zu wichtig ist, um zu sterben, ich glaube, dass sie zu wertvoll sind, um sie zu ignorieren, ich glaube, dass sie zu nützlich und zu großartig sind für Kreative, für Verlage, für Medienunternehmen, und ich glaube, dass die nächste Welle von Internet- und Medientechnologieunternehmen sich auf dieses Problem konzentrieren wird um zu versuchen es zu lösen. Es hat eigentlich schon begonnen."

Schon jetzt sähe man eine Reihe neuer Unternehmen wie etwa Kaabi, Moment House, Fourth Wall, Gumroad und Discord, die sich grundlegend von der vorigen sozialen Landschaft unterscheiden. Der Fokus liege wieder auf tieferen statt mehr Verbindungen. Auch Contes eigenes Unternehmen Patreon habe sich Gedanken gemacht und einige Neuerungen vorgenommen. 

Dass insbesondere die Musikbranche in der letzten Zeit das Potenzial tiefer Verbindungen für sich entdeckt hat zeigen zudem sogenannte "Superfan"-Plattformen, wie etwa "We are Giant" oder "Fave", denen es gelungen ist Investitionen in Millionenhöhe zu generieren. Inzwischen soll auch die Warner Music Group an einer eigenen Superfan-App arbeiten und der britische Musiker James Blake machte erst im März Schlagzeilen damit, dass er seine Hoffnung in die Artist-to-Fan-App Vault.fm legt.

Conte betont zwar, dass man als kreative Person wohl auch in Zukunft immer noch auf die etablierten sozialen Plattformen angewiesen sei, um entdeckt zu werden und Reichweite generieren zu können, diese Unternehmen jedoch wahrscheinlich zu einer Komponente vieler Werkzeuge werden würden, auf die Kreative zurückgreifen könnten. 

Das können Kreative tun

In diesem Zusammenhang teilt Conte seine Gedanken dazu, wie Kreative mit den Veränderungen im Internet umgehen und sich selbst und ihre Communities auf die Veränderungen vorbereiten könnten, denn – so Conte – es müsse nicht erst darauf gewartet werden, dass die technischen Plattformen aufholen. 

  1. Investiere in deine wahren Fans

Auch wenn die etablierten Sozialen Medien aktuell andere Ziele zu verfolgen scheinen, betont Conte die Wichtigkeit als Artist weiterhin in tiefe Verbindungen zu investieren. Es gehe nicht immer darum, seine Reichweite zu vergrößern und neue Subscriber zu gewinnen. 

Wichtig sei vor allem die Qualität der Interaktionen zwischen Künstler*innen und Fans. Es gehe darum, seine wahren Fans zu finden und sich zu überlegen, wie man das Verhältnis zu diesen noch tiefer gestalten kann – etwa durch einen neuen Vertriebskanal, der auf Basis von E-Mails oder über Plattformen wie Discord oder Patreon läuft.

  1. Kreiere schöne Dinge

Conte empfiehlt zudem, sich beim Erstellen der eigenen Inhalte nicht zu sehr durch die vom Algorithmus gestellten Anforderungen beeinflussen zu lassen – hier heißt es erneut tiefe Verbindungen vor Reichweite. 

Auch wenn der Algorithmus viele neue Besucher*innen anschwemmen kann, sorgt individueller Content letztendlich dafür, dass sich diese dafür entscheiden zu bleiben – eben weil sie diese Art des Inhalts nicht mehr so schnell an anderer Stelle wiederfinden können. 

Auf diese Art sichert man sich eine wertschätzende Community, die unabhängig von aktuellen Internettrends und Entwicklungen der Plattformarchitekturen bleibt. 

  1. Sei dir bewusst, was du möchtest

Wichtig sei, sich letztendlich nicht zu sehr von äußeren Faktoren beeinflussen zu lassen und sich bewusst zu sein, was man selbst wirklich möchte. 

“Während wir als Kreative durch diese nächste Phase des Internets navigieren, während wir durch die Höhen und Tiefen des Webs in seinem sich ständig weiterentwickelnden Zustand gehen, darfst du nicht vergessen, was dir als Artist wichtig ist. Vergiss nicht, was dich mit Stolz erfüllt, vergiss nicht, warum du überhaupt etwas machst, vergiss nicht, warum du morgens aufwachst und deine Zeit und Energie diesem Handwerk widmest.”

Conte bleibt zuversichtlich

Trotz der von Conte beschriebenen schwierigen Gegebenheiten, mit der sich Kreative aktuell konfrontiert sehen, zeichnet dieser letztendlich ein doch eher zuversichtliches Bild zukünftiger Entwicklungen. 

Während neu aufkommende Plattformen versprechen die weniger artistfreundlichen Plattformstrukturen der etablierten Sozialen Medien aufzubrechen, indem sie diese ergänzen, wird deutlich, dass auch der Einfluss der Künstler*innen und deren Fans nicht zu unterschätzen ist. 

Wichtig sei es nicht aus den Augen zu verlieren, warum man Kunst kreiere, was für Kunst man kreieren möchte und den Fokus auf tiefe Verbindungen zu Fans eben dieser Inhalte aufzubauen. Schließlich sind es diese Fans, die unabhängig von Trends und Algorithmen bleiben.

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