Reaktionen aus der Musikbranche
"Vorwürfe gegen Rammstein müssen ernstgenommen werden" – Stellungnahmen von Claudia Roth und dem BDKV
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Rammstein Till Lindemann (2020). © Peter H. Bauer
In den vergangenen Wochen haben mehrere Frauen Vorwürfe gegen Till Lindemann erhoben. Sie schildern grundsätzlich ähnliche Situationen: Während des Besuchs eines Rammstein-Konzerts seien sie von Alena Makeeva, einer Mitarbeiterin der Band, angesprochen und gefragt worden, ob sie zur Aftershow-Party von Till Lindemann kommen möchten.
Auf der Party soll es zu sexuellen Handlungen zwischen den jungen Frauen und dem 60-jährigen Sänger gekommen sein. Die alkoholischen Getränke, die den Frauen angeboten wurden, hätten nach dieser Darstellung K.o.-Tropfen enthalten, auch vom Konsum anderer Drogen ist die Rede.
Reaktion der Kulturstaatsministerin
Claudia Roth plädiert dafür, die Vorwürfe ernst zu nehmen und ist gleichzeitig empört über die hämischen Reaktionen, die den Äußerungen der jungen Frauen in den sozialen Medien entgegengebracht wurden.
Ein wichtiger Schritt sei – so die Kulturstaatsministerin – bei den Rammstein-Konzerten keine Aftershow-Partys mehr stattfinden zu lassen und die Row Zero, die Fan-Reihe vor der Absperrung an der Bühne, abzuschaffen.
Die Grünen-Politikerin schlägt vor, bei den Shows Awareness-Teams einzusetzen, bei denen sich Fans melden können, wenn sie sich während des Konzerts in irgendeiner Hinsicht unsicher oder belästigt fühlen. Diese Maßnahmen sollen bereits bei den kommenden vier Konzerten in München umgesetzt werden. Gegenüber der dpa erklärt Claudia Roth:
"Patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe haben in der Musikbranche, wie überhaupt in Kunst und Kultur und auch überall sonst, nichts mehr zu suchen."
Mit dem Ziel, einen Verhaltenskodex für die gesamte Kulturbranche zu erarbeiten, hat Roth einen Aktionsplan zur Förderung eines Kulturwandels gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in den Kultur- und Medienbranchen vorgelegt. Sie sieht die Musikindustrie – mit Labels, Verlagen, Festivals und Veranstalter/innen – in der Pflicht, für eine stärkere Sensibilisierung für Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe zu sorgen.
Reaktion der Band
Rammstein haben inzwischen auch Konsequenzen gezogen. Die Band erklärte zunächst, sehr viel Wert darauf zu legen, dass sich die Fans bei ihren Shows wohlfühlten.
Sie bittet darum, sich nicht an Vorverurteilungen gegenüber denjenigen zu beteiligen, die Anschuldigungen erhoben haben, bitten aber auch darum, selbst nicht vorverurteilt zu werden. Mit diesen Worten bestreitet die Band die Vorwürfe nicht eindeutig, gesteht aber auch kein Fehlverhalten ein.
Weitere Konsequenzen
Nach dem Bericht zahlreicher Medien wie dem Spiegel haben sich Rammstein von "Casting Direktorin" Alena Makeeva getrennt. Das Management der Band hat laut Süddeutscher außerdem eine Anwaltskanzlei beauftragt, die Vorwürfe zu untersuchen.
Zudem haben Rammstein die Umsetzung des von Claudia Roth und anderen geforderten Awareness-Konzepts angekündigt. Mitarbeiter der Band sollen bei den vier anstehenden Konzerten in München nach Auffälligkeiten Ausschau halten.
Ob sie am richtigen Ort suchen, ist aber unklar, denn die Vorwürfe beziehen sich ja nicht auf Geschehnisse während des Konzerts oder gar im Publikum, sondern um Vorfälle hinter der Bühne.
Die "Row Zero", ein besonderer Bereich direkt vor der Bühne, aus dem die jungen Frauen für die Aftershowparties rekrutiert wurden, soll es außerdem bei den Konzerten in München ebenso wenig geben wie Aftershow-Parties, wobei sich die Berichte teilweise etwas widersprechen bzw. unklar sind.
Reaktion des BDKV
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach Konsequenzen für das gesamte Veranstaltungs-Business. Der BDKV (Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft) stellt klar, dass er jegliche Form der Belästigung und des Missbrauchs vor oder hinter der Bühne bzw. am Arbeitsplatz klar ablehnt.
Der Verband befürwortet die Vorschläge von Bundesministerin Lisa Paus zu einem "Bündnis gegen Sexismus". Um das Vorhaben voranzutreiben, will der BDKV mit Paus' Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Gespräch kommen und dabei seine bisherigen Erfahrungen und Maßnahmen in das gemeinsame Projekt einbringen.
Sonia Simmenauer, Präsidentin des BDKV erklärt dazu:
"Abgesehen davon glauben wir, dass diverse Teams für solche missbräuchlichen Verhältnisse und Verhaltensweisen weniger anfällig sind und setzen daher auf Diversität auf und hinter der Bühne. Dafür sind wir Anfang des Jahres der internationalen Initiative Keychange beigetreten, die unsere Unternehmen bei mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit unterstützt."
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