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"Wer sich durchsetzen will, braucht ein klares Profil"

Interview mit Peter Näder, Popularmusikbeauftragter des Bezirks Unterfranken

Interview von Bernd Wagner
veröffentlicht am 02.03.2015

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Interview mit Peter Näder, Popularmusikbeauftragter des Bezirks Unterfranken

Peter Näder, der unterfränkische Popularmusikbeauftragte, hier "in Aktion" bei einem Songwriting-Workshop mit dem Musiker Mellow Mark (re.). © (privat)

Ausgerechnet im ländlich geprägten Nordwesten Bayerns reifte vor 15 Jahren die Erkenntnis, dass nicht nur Trachtengruppen und Blaskapellen förderwürdige Kultur sind: Als erster Bezirk im Freistaat berief Unterfranken im Jahr 2001 einen Popularmusikbeauftragten. BackstagePRO sprach mit Peter Näder, was das Förderprogramm namens Mainpop bietet, zu welchen Themen Bands Hilfe suchen – und wo viele Bands noch mehr Förderung nötig hätten.

Peter Näder ist seit 2001 Popularmusikbeauftragter des Bezirks Unterfranken. Der Diplom-Musikpädagoge hat sein Wissen nicht nur aus dem Hörsaal, sondern erlebte in über 20 Jahren als Profi-Musiker selbst alle Höhen und Tiefen des Musikbusiness. Von 1985 bis 1996 feierte er als Gitarrist der Band Relax Charterfolge ("Weil i di mog"), spielte in Fernsehshows und auf großen Bühnen.

"Arbeit nah an der Basis"

Backstage PRO: Hallo Peter! „Popularmusikbeauftragter“ – das klingt ein bisschen nach Behördenmief. Wie muss man sich deinen Job vorstellen?

Peter Näder: Mir klingt der Titel auch zu sperrig, aber er bringt etwas Wesentliches rüber:  Dass ich mich insgesamt um die moderne Musik im Bezirk kümmere und nicht um einzelne Genres. Und ein Schreibtischtäter bin ich ganz bestimmt nicht, sondern mache ganz praktische Arbeit nah an der Basis. Dabei sehe ich meine Aufgabe nicht darin, Hobbymusiker ins Profilager zu hieven, sondern versuche, in die Breite zu arbeiten.

Backstage PRO: Und das heißt konkret?

Peter Näder: Zum Beispiel veranstalten wir Workshops zu den verschiedensten musikrelevanten Themen, die allen Musikern offen stehen und auch für jeden bezahlbar sind – vom Bandcoaching über Tontechnik bis zum Veranstalter-Knowhow. Wir stellen nicht nur selbst Kurse auf die Beine, sondern kooperieren dabei mit örtlichen Ausrichtern. Wenn eine Schule oder eine Musikinitiative zu einem bestimmten Thema einen Workshop machen will, organisieren wir den Dozenten, helfen bei der Durchführung und übernehmen die Kosten.

"Durch einige 'Traumfabriken' werden Wunschträume ausgenutzt"

Backstage PRO: Gibt es nicht schon genug private Schulungsanbieter rund ums Musikbusiness?

Peter Näder: Die gibt es, aber leider sind nicht alle seriös. Einige „Traumfabriken“ da draußen verlangen hohe Gebühren und vergeben fragwürdige Abschlüsse mit hochtrabenden Namen. Da werden Wunschträume ausgenutzt und Erwartungen geschürt, die sich in der Realität selten erfüllen. Dagegen stelle ich mich. Das gleiche gilt für diverse Bandwettbewerbe, die alle Bewerber nehmen – Hauptsache sie zahlen und verkaufen genug Tickets. Die Gegenleistung ist dann oft recht dürftig. Das ist in meinen Augen keine Bandförderung. Mein Anspruch ist es, Musikern eine Anlaufstelle zu bieten, von der sie ernst genommen und mit Wertschätzung behandelt werden.

Backstage PRO: Mit welchen Anliegen kommen Musiker und Bands zu dir?

Peter Näder: Häufig geht es um Proberäume. Ich versuche da zu vermitteln, bin aber kein Immobilienmakler und kann auch nicht zaubern. In den Städten sind Proberäume einfach knapp, auf dem Land ist es häufig einfacher. Viele erkundigen sich außerdem nach Auftrittsmöglichkeiten. Da machen wir mit Mainpop verschiedenes, aber eine Veranstaltungsagentur sind wir natürlich auch nicht. Mein Ansatz ist es, den Bands zu helfen, auf eigenen Beinen zu stehen. Zum Beispiel mit unserem nächsten Bandcamp in den Osterferien. Da dreht sich fünf Tage lang alles darum, wie man an Auftritte kommt.

Backstage PRO: Was kann man da lernen, das nicht sowieso schon jeder weiß?

Peter Näder: Ich habe verschiedene Booker eingeladen, zum Beispiel von der Würzburger Posthalle, vom Honky Tonk Festival und vom Umsonst & Draußen Würzburg. Von denen erfahren die Teilnehmer aus erster Hand, was sie tun müssen, um dort an Gigs zu kommen – wie sich also die Veranstalter Bewerbungsunterlagen wünschen, wie sich Musiker im Internet präsentieren sollten, aber auch, was sie auf der Bühne bringen müssen, um gebucht zu werden. Ich habe übrigens nicht den Eindruck, dass Bands zu diesen Themen schon alles wissen – und wenn, dann setzen sie es in der Praxis zu wenig um.

"Vielen Bands fehlt es an Bühnentauglichkeit"

Backstage PRO: Woran hapert es?

Peter Näder: Zum einen oft an kleinen Dingen. Da stehen auf der CD keine Kontaktdaten. Oder die Künstler meinen, fürs Online-Marketing reicht Facebook. Zum anderen fehlt vielen Bands etwas ganz Grundsätzliches: die Bühnentauglichkeit. Gerade junge Musiker meinen, dass sie beim Gig zeigen müssen, was sie handwerklich drauf haben. Deshalb spielen sie am Limit ihrer Fähigkeiten oder darüber hinaus. Dadurch wirken sie dann aber verkrampft und bringen keinen Spaß rüber. Oder nehmen wir Metalbands, die von Tod und Verderben singen und dazwischen stammelt einer schüchtern ins Mikro „Äh hallo, wir sind die Band xy aus z, äh, und als nächstes spielen wir den Song, äh, Fuck your mother.“ So gewinnt man keine Fans. Was auf der Bühne passiert, muss stimmig und glaubwürdig sein.

Backstage PRO: Aber auch viele Bands, die das alles drauf haben, tun sich schwer, an Gigs zu kommen. Fehlt es nicht schlicht und einfach an Auftrittsmöglichkeiten?

Peter Näder: Das glaube ich nicht. Es gibt mehr Ecken, wo man spielen kann, als die meisten Musiker denken. Dazu muss ich aber variabel sein. Ich kann nicht in einer kleinen Kneipe mit einer Monster-PA und einem fetten Drumkit aufkreuzen, sondern muss mich den Gegebenheiten anpassen. Damit haben die meisten Bands Probleme. In Unterfranken zum Beispiel gibt es im Rock- und Popbereich schätzungsweise 3.000 Bands – und trotzdem suchen manche Veranstalter wie das Honky Tonk händeringend nach Künstlern, die ihre Anforderungen erfüllen können.

Backstage PRO: Liegt das nicht eher daran, dass kommerzielle Veranstalter das Risiko durch noch vergleichsweise unbekannte Musiker und Bands mit eigenem Programm scheuen und zum Beispiel lieber Coverbands buchen?

Peter Näder: Diese Mauer, die da manchmal zwischen Coverbands und Bands mit eigenem Material gebaut wird, finde ich total merkwürdig. Für mich ist es auch eine künstlerische Leistung, Stücke von anderen authentisch zu interpretieren und gut rüberzubringen. Und den Veranstaltern kommt es in erster Linie darauf an, dass eine Band in der Lage ist, das Publikum zu unterhalten. Ich rate jeder Band, an dieser Fähigkeit zu arbeiten, statt sich zu beklagen oder andere zu beneiden. Leider sehe ich viele Bands, die austauschbar wirken – und damit langweilig. Wer sich durchsetzen will, braucht ein klares Profil und etwas Eigenständiges, was beim Publikum hängen bleibt. Dazu muss man den Rock´n´Roll gar nicht neu erfinden oder Genregrenzen sprengen. Interessante Sachen entstehen oft schon, wenn man Bekanntes neu zusammensetzt.

"Der Unterhaltungsfaktor wird immer wichtiger"

Backstage PRO: Wird das nicht immer schwieriger? Was ist da dein Eindruck nach über 30 Jahren im Geschäft?

Peter Näder: Die Ansprüche an die Bands sind mit Sicherheit nicht kleiner geworden. Früher musste man ausgehen, um ein Livekonzert zu sehen. Heute kann sich jeder über Youtube die Konzerte der ganz großen Stars jederzeit ins Wohnzimmer holen. Daran werden die Bands gemessen. Deshalb wird der Unterhaltungsfaktor immer wichtiger. Umso mehr muss man im Scheinwerferlicht Entertainer sein.

Backstage PRO: Womit wir wieder beim Thema Bühnentauglichkeit wären…

Peter Näder: Richtig – und bei unserem Angebot. Ein Schwerpunkt beim Bandcamp liegt darauf, wie man Publikum zu Fans macht. Für den Kurs kann sich übrigens jeder anmelden – nicht nur Musiker aus Unterfranken.

Backstage PRO: Danke für deine Zeit, Peter, und weiterhin viel Erfolg mit deinen Fördertätigkeiten!

 

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