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KI und Urheberrecht: Das ist die aktuelle Lage in Deutschland

Spezial/Schwerpunkt von Ralf Kitzberger
veröffentlicht am 28.04.2023

künstliche intelligenz urheberrecht

KI und Urheberrecht: Das ist die aktuelle Lage in Deutschland

© ThisIsEngineering via pexels.com

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde – auch im Musikbusiness. Dabei stellen sich aber komplizierte rechtliche Fragen. So ist beispielsweise völlig unklar, wer das Urheberrecht an KI-erzeugter Musik besitzt und ob es überhaupt möglich ist, ein solches Urheberrecht zu erwerben. Im ersten von zwei Artikel beschäftigen wir uns mit der rechtlichen Situation in Deutschland.

Urheberrechtlicher Schutz setzt nach § 2 Abs. 2 UrhG eine persönliche geistige Schöpfung voraus. Eine persönliche Schöpfung erfordert eine "menschlich-gestalterische Tätigkeit" des Urhebers. Tierische oder rein maschinelle Erzeugnisse sind nach herrschender Meinung nicht schutzfähig (Dreier/Schulze UrhG, § 2 Rz. 8). 

Ferner setzt § 7 UrhG eine natürliche Person als Schöpfer voraus. Ähnlich wie der US-Supreme Court verlangt der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber hinaus ein Mindestmaß menschlicher Kreativität. In der "Infopaq"-Entscheidung wurde das Erfordernis einer "eigenen geistigen Schöpfung" auf alle Werkarten ausgedehnt (EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 37 – Infopaq International; Dornis, GRUR 2019, S. 1252, 1256).

Technische Hilfsmittel als Werkzeug

Wenn technische Hilfsmittel lediglich als Werkzeug eingesetzt werden, um von dem Schöpfer entwickelte Gestaltungsentscheidungen umzusetzen, steht dies einem urheberrechtlichen Schutz nicht entgegen (Schricker/Loewenheim, § 2 UrhG  Rz. 40). Das Hilfsmittel wie z.B. ein Computerprogramm ist dann ein Werkzeug, vergleichbar mit dem Pinsel (Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, S. 247 m.w.N.).

Werden dagegen alle wesentlichen Gestaltungsentscheidungen allein durch technische Hilfsmittel, zum Beispiel durch Künstliche Intelligenz geprägt, ist strittig, ob die Gestaltung einem urheberrechtlichen Schutz zugänglich ist (verneinend Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, S. 247). Andere vertreten die Auffassung, dass auch in diesem Fall ein Urheberrecht entstehen kann, weil ein Mensch aus mehreren autonom generierten Erzeugnissen eines als endgültiges Werk auswählt (Dreier/Schulze § 2 UrhG Rz. 8).

Ist der Schöpfer ein Mensch?

Bei allen denkbaren Fallkonstellationen wird es immer darauf ankommen, ob der menschliche Anteil an der endgültigen Formgestaltung aufgrund einer wertenden Gesamtwürdigung noch ausreichend ist, um diese dem Menschen als Schöpfer zuzuordnen. Dies muss dann durch die Rechtsprechung im jeweiligen Einzelfall bewertet werden (Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, S. 247 m.w.N.).

Gleiches gilt auch bei der Frage, ob dem Entwickler einer Software ein Urheberrecht an den mittels dieser Software generierten Erzeugnissen z.B. Musikstücke zustehen kann. Es wird maßgeblich darauf ankommen, welche Auswirkungen die Gestaltungsentscheidungen des Programmierers auf das Musikstück hat. 

Ein Urheberrecht des Programmierers kommt nicht in Betracht, wenn entweder ein Dritter als Nutzer der Software eigenständige Gestaltungsentscheidungen getroffen hat, die die Gestaltungsentscheidungen des Programmierers vollständig überlagern, oder wenn die wesentlichen Gestaltungsentscheidungen automatisiert, z.B. durch KI, getroffen wurden (Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, S. 248).

Wachsende Bedeutung des Leistungsschutzrechts

Da mittels KI geschaffenen Werken wie dargestellt ein urheberrechtlicher Schutz nicht in jedem Fall zugute kommt, werden in der Praxis den Leistungsschutzrechten zunehmende Bedeutung zukommen (Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, S. 248). 

Im Bereich der Musik wird dabei dem Datenbankherstellerrecht (§§ 87 a ff. UrhG) große Bedeutung zukommen. Dabei wird zu prüfen sein, ob der Anwendungsbereich des Datenbankherstellerrechts – über klassische Datenkompilationen hinaus – auch traditionelle Werkarten erfassen kann. 

Voraussetzung wäre, dass die einzelnen Elemente gem. § 87a I 1 UrhG voneinander unabhängig sind, wenn sich die einzelnen Elemente voneinander trennen lassen, ohne dass dadurch der Wert ihres informativen, literarischen, künstlerischen, musikalischen oder sonstigen Inhalts beeinträchtigt wird (Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, S. 248; EuGH, GRUR 2015, 1187 Rn. 17)

Rechte am Input

Die Antwort auf die Frage, ob und wie der Output von KI-Programmen weiterverwendet werden darf, hängt unter anderem von der urheberrechtlichen Einordnung des erzeugten Outputs und des dabei verwendeten Inputs ab.

Fordert man das KI Programm beispielsweise auf, einen Songtext wiederzugeben und erhält dann einen noch nicht gemeinfreien Songtext, so bestehen an diesem die Rechte der Original-Urheber, d. h. Texter) fort. Nicht anders ist die Situation, wenn man einen urheberrechtlich geschützten Text in eine andere Sprache übersetzen lässt. Auch hier bleiben die Rechte des Urhebers des Originaltextes bestehen (§ 23 UrhG). Der Text kann also nicht frei verwertet werden. 

Fordert man die KI auf, einen Song umzuschreiben, so können auch dabei Rechte der Originalurheber (Komponist/Texter) bestehen. In diesen Fällen muss dann der Betreiber der Plattform entweder über entsprechende Regelungen mit Urhebern der Originalwerke die Rechte zur Nutzung einholen, es sei denn es greift eine Schrankenbestimmung des Urheberrechts wie z.B. das Zitatrecht oder zeitliche Schranken. 

Weitere Informationen zur Bearbeitung von Musikstücken gibt es hier.

Die KI Verordnung der EU

Es ist offensichtlich, dass aufgrund der geschilderten Situation Handlungsbedarf besteht – aktuelle Ereignisse wie etwa der Streit um ein KI-generiertes Feature von Drake und The Weeknd unterstreichen die Dringlichkeit. Der KI-Verordnungsentwurf der EU-Kommission vom 21.4.2021 (COM/2021/206 final) äußert sich allerdings nicht zum Urheberrecht. 

Die EU-Kommission hatte einen Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über künstliche Intelligenz; KI-VO-E) veröffentlicht. Art. 3 Nr. 1 KI-VO-E definiert unter anderem den Begriff "System der künstlichen Intelligenz", aber nicht die urheberrechtlichen Hintergründe.

Ergebnis: Nur Schöpfungen von Menschen genießen Schutz

Nach dem Urheberrechtsgesetz genießt der Urheber eines Werkes Schutz (§ 1 UrhG). Urheber ist nach § 7 UrhG der Schöpfer des Werkes. Ein Werk ist eine persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG). 

Daraus folgt, dass der Urheber zwingend eine Person sein muss. Maschinen und Apparate können keine Werkschöpfung erbringen, auch wenn sich das Ergebnis im Einzelfall nicht vom menschlichen Schaffen unterscheiden lässt.

Nach der bisherigen Rechtslage sind mittels KI geschaffene Werke, die einem menschlichen Schöpfer nicht zugerechnet werden können, in Deutschland also nicht urheberrechtlich schutzfähig. 

Daran ändert auch nichts, dass eine KI im Gegensatz zur herkömmlichen Software ein bestimmtes Ziel durch autonome Entscheidungen in komplexen Situationen erreichen will und dabei für zukünftige Anwendungsfälle hinzulernt.

Menschlicher Einfluss entscheidet

Ein urheberrechtlicher Schutz kommt nur in Betracht, wenn der Einfluss eines Menschen so bestimmend ist, dass ihm das Ergebnis des Gestaltungsprozesses noch zugerechnet werden kann. Das ist ausgeschlossen, wenn ein Werk vollständig von einer KI geschaffen wurde.

Wenn allerdings ein Mensch nachweislich an der Schöpfung des KI-Werkes mitwirkt, indem er oder sie beispielsweise die Grundmuster eines Werkes schafft und es dann von einer KI bearbeiten lässt, könnte er u. U. urheberrechtlichen Schutz beanspruchen.

Ebenso ist es möglich, Urheberrecht an einem KI-Werk zu beanspruchen, wenn es anschließend von einem Menschen substantiell bearbeitet wurde. Das bedeutet, dass jeder Einzelfall gesondert bewertet werden muss.

Hohe Dynamik

In wenigen Bereichen ändert sich die rechtliche Lage so schnell wie im Hinblick auf KI. Die hohe Dynamik des Prozesses führt dazu, dass sich urheberrechtliche Fragen in Hinblick auf KI schnell ändern können.

Die rechtliche Beurteilung wird dadurch erschwert, dass in Deutschland noch keine Rechtsprechung zu diesen Fragen existiert. Rechtsprechung und Gesetzgeber sind daher gefragt, klare Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI zu schaffen. Das Ziel sollte darin bestehen, rechtliche Klarheit zu schaffen und vor allem Urheber zu schützen.

Kreative KI beim Future Music Camp 2023

Die Frage nach den Auswirkungen kreativer Künstlicher Intelligenz auf das Musikbusiness steht 2023 im Vordergrund des Future Music Camps der Popakademie Baden-Württemberg.

Die rechtliche Komponente kreativer KI wird ebenfalls diskutiert, u.a. in der Keynote "Künstliche Intelligenz und Urheberrecht" von Prof. Dr. Hanno Fierdag. Außerdem bieten Prof. Ralf Kitzberger und Daniel Nagel am Donnerstag, 25. Mai 2023 um 15 Uhr eine Session zum Thema "KI und Urheberrecht im Vergleich: USA und Europa" an.

Hier findet ihr das gesamte Keynote-Programm des Future Music Camps, alle Sessions gibt es hierHier geht es zur kostenlosen Anmeldung!

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