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Repräsentative Befragung des miz

Studie zeigt schwierige wirtschaftliche Lage deutscher Berufsmusiker/innen

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 25.04.2023

musikereinkommen berufswelt miz

Studie zeigt schwierige wirtschaftliche Lage deutscher Berufsmusiker/innen

Das Einkommen von Musikern schwankt stark. © Sam Moghadam Khamseh via unsplash.com

Eine Befragung deutscher Berufsmusiker/innen wirft ein Schlaglicht auf deren finanzielle Situation. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen angestellten und freiberuflichen Musiker/innen: Während Angestellte tendenziell über ein gutes Auskommen verfügen, stehen freiberufliche Musiker im Durchschnitt finanziell schlechter dar.

Grob geschätzt sind in Deutschland zwischen 150.000 und 180.000 Menschen als Berufsmusiker/innen tätig. Über ihre wirtschaftliche Situation ist aber wenig bekannt – und zwar auch deshalb, weil keine amtliche Statistik existiert.

Etwas Licht ins Dunkel soll eine repräsentative Befragung von professionellen Musiker/innen in Deutschland bringen, die das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) beim Institut für Demoskopie Allensbach in Auftrag gegeben hat.

654 Interviews als Grundlage

Das Ziel bestand darin, mehr über die Berufsbiografien von Musiker/innen und ihre aktuelle soziale und finanzielle Lage zu erfahren. Dazu führte das Allensbach-Institut eine möglichst repräsentative Befragung von 654 Berufsmusiker/innen durch.

Von der Befragung ausgeschlossen waren Amateurmusiker/innen, ausschließliche Musiklehrer und Musikpädagogen und Musiker/innen, die sich noch in der Ausbildung befinden.

Nebentätigkeiten sind weit verbreitet

Im Hinblick auf die konkreten Tätigkeiten der Berufsmusiker zeigt sich erwartungsgemäß, dass 70 Prozent aller Berufsmusiker nicht nur musikalisch-künstlerisch tätig sind, sondern auch andere Tätigkeiten ausüben. Anders gesagt sind nur 30 Prozent der Berufsmusiker/innen ausschließlich kreativ tätig – musikpädagogische Tätigkeiten zählen dabei nicht als musikalisch-künstlerische Tätigkeit.

39 Prozent aller Musiker/innen sind neben ihrer musikalisch-künstlerischen Tätigkeit zusätzlich als Musiklehrer bzw. Musikpädagogen tätig, weitere 23 Prozent üben eine Tätigkeit aus, die nichts mit Musik zu tun hat und 8 Prozent machen beides.

Die Ausbildung spielt nur eine geringe Rolle

Die Zahl von 30 Prozent hängt im Übrigen nicht stark von der Ausbildung ab. Zwischen Musiker/innen, die ein Hochschulstudium (27 Prozent) oder eine musikalische Berufsausbildung (31 Prozent) absolviert haben, Privatunterricht erhalten haben (22 Prozent) oder Autodidakt sind (33 Prozent), bestehen nur leichte Unterschiede.

Dass weniger Hochschulabsolventen ausschließlich von der Musik leben als Autodidakten, ist durchaus überraschend.

Unterschiede in der Art des Zweitberufs

Große Unterschiede zwischen diesen Gruppen bestehen darin, welchen Job sie zusätzlich ausüben. Absolventen einer Musikhochschule sind zu 66 Prozent als Musikpädagogen tätig. Außermusikalische Tätigkeiten spielen in dieser Gruppe nur eine geringe Rolle (7 Prozent).

Ähnlich verhält es sich bei Musiker/innen mit einer Berufsausbildung: 54 Prozent sind musikpädagogisch tätig, aber lediglich 14 Prozent üben eine außermusikalische Tätigkeit aus.

Umgekehrt verhält es sich bei privat ausgebildeten Musikern. In dieser Gruppe üben nur 36 Prozent den Beruf des Musikpädagogen aus, aber nicht weniger als 42 Prozent arbeiten in einem Bereich, der nichts mit Musik zu tun hat. Bei den Autodidakten beträgt diese Zahl 40 Prozent, während nur 27 Prozent als Musiklehrer etc. arbeiten.

Alter, Geschlecht und finanzielle Gründe

Die Wahrscheinlichkeit, musikpädagogisch tätig zu sein, steigt mit zunehmendem Alter: Unter 40-jährige arbeiten nur zu 39 Prozent als Musikpädagogen, Musiker/innen ab 60 zu 59 Prozent. Außerdem sind mehr Frauen (52 Prozent) als Musikpädagogen tätig denn Männer (45 Prozent).

Professionelle Musiker/innen, die eine nicht-musikalische Tätigkeit ausüben, tun dies vornehmlich aus finanziellen Gründen. 57 Prozent dieser Gruppe kämen laut eigener Aussage nur mit Musik nicht über die Runden.

Wie viel verdienen Beruf-Musiker/innen?

Das monatliche Nettoeinkommen der Berufsmusiker/innen in Deutschland beträgt im Schnitt 2.660 Euro, allerdings verdient jede/r Fünfte weniger als 1.500 Euro pro Monat.

Durchschnittlich erzielen Berufsmusiker/innen 62 Prozent ihrer Einkünfte aus musikalischen Tätigkeiten. Im Sinne der Studie gehören dazu neben Gehältern und Honoraren auch Einkünfte aus Studioaufnahmen, künstlerischen Projekten, Tonträgerverkäufen, Merchandising oder Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften. 17 Prozent der Einkünfte stammen zusätzlich aus musikpädagogischen Tätigkeiten und 15 Prozent aus beruflichen Tätigkeiten, die nichts mit Musik zu tun haben.

Studierte Musiker/innen und solche mit musikalischer Berufsausbildung erzielen 65 bzw. 62 Prozent ihrer Einkünfte mit musikalisch-kreativen Tätigkeiten und 25 bzw. 20 Prozent mit musikpädagogischen.

Unterschiede resultieren aus der Ausbildung

Nicht-musikalische Aktivitäten spielen bei diesen Gruppen nur eine geringe Rolle, liegen aber deutlich höher bei Autodidakten und durch Privatunterricht ausgebildeten Musikern (jeweils zwischen 30 und 35 Prozent). In diesen beiden Gruppen spielen musikpädagogische Einkünfte erwartungsgemäß eine geringere Rolle (ca. 15 Prozent).

Die Befragung zeigt zudem, dass Unterschiede hinsichtlich der Verteilung der Einkünfte vornehmlich von der Ausbildung abhängen und nicht von der ausgeübten musikalischen Tätigkeit, also der Frage ob Berufsmusizierende als Instrumentalmusiker/in, Sänger/in oder Komponist/in tätig sind.

Auch die Frage, ob es sich um Mitglieder eines Chors, eines Orchesters, eines Ensembles oder Solisten handelt, spielt kaum eine Rolle. Nur Bandmitglieder verdienen deutlich häufiger Geld mit nicht-musikalischen Tätigkeiten (20 Prozent) als andere Berufsgruppen.

Angestellte verdienen mehr

Starke Unterschiede ergeben sich auch aus der Tatsache, ob ein Musiker angestellt oder freiberuflich tätig ist. Bei Angestellten stammen 78 Prozent der Einkünfte aus musikalisch-kreativer Tätigkeit, bei den Freiberuflern hingegen nur 56 Prozent.

Sozialversicherungspflichtig angestellte Musiker/innen verfügen zudem über ein höheres Netto-Einkommen (2.940 Euro) gegenüber Freiberuflern (2.460 Euro). Das ist vermutlich auch ein Grund für die höhere Zufriedenheit von Angestellten gegenüber Freiberuflern, wenn sie zu ihrer Einkommenssituation befragt werden.

80 Prozent der Angestellten beurteilen diese als "gut" oder "sehr gut", aber 42 Prozent der Freiberufler sehen ihr Einkommen ähnlich positiv. 41 Prozent beantworten die Frage hingegen mit "es geht", eine relativ unspezifische Antwort, die viel Interpretationsspielraum lässt. Die entsprechende Zahl beträgt bei Angestellten nur 16 Prozent. Immerhin 15 Prozent der Freiberufler bezeichnen ihre finanzielle Situation direkt als "eher schlecht" oder "schlecht" (Angestellte 3 Prozent).

Überdurchschnittliches Haushaltseinkommen

Zählt man die Einkommen aller Haushaltsmitglieder zusammen, so verfügen die Berufsmusizierenden im Durchschnitt über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von 3.940 Euro.

Im Vergleich mit der Bevölkerung insgesamt (durchschnittlich 3.480 Euro), aber auch mit anderen Berufstätigen (durchschnittlich 3.890 Euro), verfügen Berufsmusizierende somit über ein überdurchschnittliches Haushaltseinkommen. Im Vergleich zum Haushaltseinkommen von Berufstätigen ist der Unterschied aber sehr gering.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Frauen verdienen als Berufsmusikerinnen durchschnittlich 2.210 Euro und damit 24 Prozent (700 Euro) weniger als ihre männlichen Kollegen, die über durchschnittlich 2.890 Euro verfügen. Von den Berufsmusikerinnen geben nur 53 Prozent an, selbst Hauptverdiener des Haushalts zu sein, während dies bei den Männern 82 Prozent sind. Allerdings verringert sich der Unterschied der Einkommensverhältnisse von Männern und Frauen auch dann kaum, wenn man nur die Hauptverdiener betrachtet (2.460 Euro Frauen, 3.080 Euro Männer).

Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man nur solche Berufsmusizierenden vergleicht, die freiberuflich tätig sind. Hier erzielen Frauen mit 2.030 Euro rund 24 Prozent niedrigere Einkünfte als Männer mit monatlich 2.670 Euro. Auch die Unterschiede zwischen angestellten Berufsmusikerinnen und Musikern sind mit rund 14 Prozent immer noch hoch.

Wie sind Musiker/innen sozialversichert?

34 Prozent der Befragten sind über die KSK versichert, 32 Prozent als Berufsmusiker über ihren Arbeitgeber und 22 Prozent über ihren Arbeitgeber bei anderen Tätigkeiten, die nichts mit kreativer-musikalischer Arbeit zu tun haben. Wer über einen Arbeitgeber für "andere Tätigkeiten" sozialversichert ist, erzielt natürlich auch einen weitaus größeren Teil seiner Einkünfte aus dieser Tätigkeit als durchschnittliche Berufsmusiker/innen.

Während die Berufsmusiker ihre Einkommenssituation zu 75 Prozent als "gut" oder "sehr gut" bezeichnen, beträgt der Anteil bei den KSK-Versicherten nur 32 Prozent. Von diesen beantworten 47 Prozent die Frage nach der Zufriedenheit mit ihrem Verdienst mit "es geht". 19 Prozent betrachten sie als "eher schlecht" oder "schlecht".

Corona als Brandbeschleuniger

Die Corona-Krise hat den Kulturbereich hart getroffen, wobei die Folgen noch längst nicht überwunden sind, wie die Studie zeigt. Drei Viertel aller in der Studie befragten Berufsmusizierenden erklären, ihre Einkommenssituation habe sich durch Corona verschlechtert. 45 Prozent sehen sogar eine "deutliche" Verschlechterung.

Die Interpretation der Zahlen wird aber durch eine problematische Studienkonzeption erschwert. Die Antwortmöglichkeiten wirken ziemlich unspezifisch, da sie mit "deutlich verschlechtert" und "etwas verschlechtert" nur sehr vage definiert sind.

Außerdem lautete eine Antwortmöglichkeit in Hinblick auf die Einkommenssituation "kaum verschlechtert", was eigentlich eine Verschlechterung impliziert, aber von den Studienerstellern nicht in diese Kategorie eingeordnet wurde – eine durchaus fragwürdige Interpretation.

Wenn man diejenigen einbezieht, die "kaum verschlechtert" antworteten, erhöht sich die Zahl der Berufsmusiker/innen, die eine Verschlechterung ihrer Einkommenslage beklagen, auf 84 Prozent bei allen Musikern!

Besonders stark betroffen: Freiberufler

Wenig überraschend sind Freiberufler insgesamt sowie in der KSK versicherte Freiberufler/innen besonders betroffen. 84 Prozent der Freiberufler beklagen eine Verschlechterung ihrer Einkommenssituation, bei den KSK-Versicherten sind es sogar 89 Prozent! Durch Einbeziehung der Kategorie "kaum verschlechtert" erhöhen sich diese Zahlen auf 92 Prozent (Freiberufler) und 93 Prozent (KSK-Versicherte).

Die Anteile derjenigen, die eine starke Verschlechterung beklagen, beträgt 57 Prozent bei den Freiberuflern und 68 Prozent bei den KSK-Versicherten.

Sozialversicherung schützt vor Folgen nicht

Aber selbst bei den sozialversichert angestellten Musikern, die theoretisch ja von den Corona-Folgen weniger betroffen sein müssten, beklagen 48 Prozent eine Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse. Die Einbeziehung derjenigen, die mit "kaum verschlechtert" antworteten, erhöht deren Zahl auf 70 Prozent!

Die Zahl der Berufsmusiker/innen, die keine Veränderung ihrer Einkommenssituation beobachten, beträgt über alle Beschäftigungs-Kategorien hinweg gerade einmal elf Prozent. Besonders erschreckend: Nur 1 Prozent der befragten Berufsmusiker/innen konstatierten eine verbesserte Einkommenssituation.

Große Einbrüche bei Sänger/innen

Angesichts dieser katastrophalen Zahlen hat es nur wenig Aussagekraft, diese nach verschiedenen musikalischen Tätigkeitsfeldern herunterzubrechen. Besonders dramatisch scheint die Verschlechterung bei Sängern und Sängerinnen zu sein, da 92 Prozent eine Verschlechterung und 60 Prozent eine deutliche Verschlechterung feststellen.

Bei Instrumentalmusikern und Komponisten ist vor allem die Zahl derjenigen geringer, die eine deutliche Verschlechterung sehen, beträgt aber immer noch knapp 50 Prozent.
Wenn man danach fragt, in welchem beruflichen Kontext die Musiker tätig sind, dann zeigt sich, dass vor allem Bandmitglieder von einer Verschlechterung ihrer Einkommenssituation betroffen sind (93 Prozent Verschlechterung, 61 Prozent deutliche Verschlechterung).

Musiker, die in Orchestern, Ensembles, Chören oder als Solisten tätig sind, stehen marginal besser da, aber auch sie beklagen zu mehr als 85 Prozent eine Verschlechterung ihrer Einkommenssituation, bei einem Drittel sogar eine deutliche. Bei den Solisten beträgt die Zahl derjenigen, die deutliche Einkommensverluste betragen, sogar 50 Prozent.

Wie ist die Einkommenssituation "nach Corona"?

Ein weiterer Nachteil der Studienkonzeption besteht darin, dass die Ersteller der Studie nicht eindeutig zwischen der Zeit während Corona und nach Corona (im Sinne von: nach Ende der Corona-Maßnahmen) unterschieden haben.

Es wäre jedenfalls interessant gewesen zu erfahren, ob und in welchem Ausmaß die Berufsmusiker/innen nach Corona wieder ihre gewohnten Einkünfte erzielen oder ob sich die Krise trotz Ende der Corona-Maßnahmen einfach fortsetzt.

Ebenso bedauerlich: Die Studie fragt zwar danach, ob Musiker/innen Coronahilfen in Anspruch genommen haben, liefert aber keine Daten dazu, ob die staatlichen Hilfen in der Lage waren, die Einkommensverluste ganz oder teilweise auszugleichen.

Mehr Unterstützung für Freiberufler nötig

Insgesamt zeigt die Studie, dass die Einkommenssituation von Musikern stark von der Frage abhängig ist, ob sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder freiberuflich tätig sind.

Gerade letztere Gruppe verfügt über ein geringeres Einkommen als angestellte Musiker und war von den Corona-Maßnahmen finanziell stärker betroffen. Das Ergebnis ist eine geringere Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Lage.

Wer darauf abzielt, die finanzielle Lage von Musiker/innen beispielsweise durch Mindesthonorare zu verbessern, sollte sich auf diese Gruppe konzentrieren.

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