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Blase geplatzt?

Was bedeutet der "Krypto-Winter" für Musikschaffende und die Artist Economy?

Spezial/Schwerpunkt von Florian Endres
veröffentlicht am 20.09.2022

nfts musikereinkommen

Was bedeutet der "Krypto-Winter" für Musikschaffende und die Artist Economy?

© PiggyBank via Unsplash

Das Handelsvolumen des populären NFT-Marktplatzes OpenSea ist seit seinem Höchststand im Mai 2022 drastisch eingebrochen; Krypto-Währungen befinden sich auf dem Sinkflug. Ist der NFT-Hype bald vorbei – und was würde dies für Musiker/innen und die sog. Artist Economy bedeuten?

Die 2017 gegründete Plattform OpenSea gilt als eine der ersten und derzeit eine der führenden Marktplätze für Non-Fungible Tokens – sogenannte NFTs. User können auf OpenSea kostenlos NFTs erzeugen ("minten") und zum Direktkauf oder zur Auktion anbieten, oder aber gleich eigene NFTs erwerben. Bei der Währung von OpenSea handelt es sich um die Kryptowährung Ether

Hier findet ihr alle Grundlagen zum Thema NFT!

Langfristiger Einbruch

Doch ein Blick auf das Handelsvolumen von OpenSea zeigt, dass der Marktplatz aktuell mit deutlichen Problemen zu kämpfen hat: Konnte die Plattform am 1. Mai 2022 mit Transaktionen im Wert von 405,75 Millionen Dollar noch einen absoluten Höchststand vorweisen, so ist der Wert der Transaktionen seitdem ständig gefallen und beträgt derzeit nur noch 1,57 Millionen Dollar – Tendenz sinkend. 

© DappRadar

Auch die Zahl der OpenSea-Benutzer ist gesunken: Anfang September 2022 nutzten nur noch knapp über 22.000 Menschen die Plattform; im Januar dagegen waren es nur noch knapp 60.000, wie die Daten von DappRadar zeigen.

OpenSea gibt sich unbesorgt

OpenSea erklärte gegenüber dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin Fortune, dass es unfair sei, die aktuelle Performance des Marktplatzes an dem Rekordwert des Jahres 2022 zu messen. Doch auch über die derzeit eher weiter nach unten zeigenden Kurse sei man nicht weiter besorgt: 

"Wir spielen auf lange Sicht, weil wir sehen, was möglich ist, daher sind wir nicht so besorgt über kurzfristige Schwankungen. Wir haben immer mit Aufschwung, Hype und Deflation gerechnet, wenn sich die Community und die Anwendungsbereiche weiterentwickeln, die Technologie ausgefeilter wird und die Macher herausfinden, wie sie mehr Nutzen in ihre Projekte einbauen können."

Dabei ist OpenSea nicht die einzige NFT-Plattform, die aktuell mit starken Schwankungen zu kämpfen hat: Wie Digital Music News berichtet, sinken auch die Preise von populären NFT-Projekten wie CryptoPunks und dem Bored Ape Yacht Club, der gemeinsam mit Universal die virtuelle Band "KINGSHIP" gegründet hat

Angst vor dem Krypto-Winter?

In der Tat handelt es sich bei den massiven Kurseinbrüchen derzeit nicht lediglich um Einzelfälle, sondern einen Trend in der gesamten Krypto-Szene: Bereits seit Monaten warnen Finanzmagazine wie etwa Forbes vor dem Krypto-Winter, also eine Phase der Unruhe auf dem Markt, die von starken Um- und Einbrüchen geprägt ist. 

Neben den bereits aufgeführten Beispielen befinden sich beispielsweise auch die Krypto-Währungen Ethereum und Bitcoin derzeit auf Sinkflug: Der Wert für einen Ether bzw. einen Bitcoin hat sich seit März 2022 jeweils gut halbiert. 

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig; fest steht jedoch, dass – so Forbes – die "aktuellen makroökonomischen und geopolitischen Turbulenzen" eine wichtige Rolle spielen, darunter insbesondere der Russland-Ukraine-Konflikt, dessen Auswirkungen auf den Markt bereits seit längerem auch im Alltag zu spüren sind. 

Die Angst kehrt zurück

Durch den Russland-Ukraine-Konflikt stieg die Inflation weltweit, insbesondere aber auch in den USA, dem größten Akteur im Krypto-Bereich. Die steigende Inflation bedingt wiederum einen Wechsel der Anlagestrategie, weg von risikoorientierten Investments – und damit auch weg von Krypto- und NFT. 

Diese Entwicklungen führten auch dazu, dass zahlreiche Krypto-Unternehmen bereits Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen mussten: OpenSea trennte sich bereits von 20 Prozent seines Personals; der Krypto-Kreditgeber Hodlnaut gab im August gar bekannt, 80 Prozent seiner Mitarbeiter entlassen zu haben. OpenSea-CEO Devin Finzer äußerte sich dazu Mitte Juli auf Twitter jedoch verhalten hoffnungsvoll: 

"Die Änderungen, die wir heute vornehmen geben uns die Möglichkeit, bei verschiedenen Krypto-Winter-Szenarien mehrere Jahre lang unseren Kurs aufrechtzuerhalten (5 Jahre bei dem derzeitigen Volumen), und geben uns ein hohes Vertrauen, dass wir diesen Prozess auch nur einmal durchlaufen müssen"

Um ganze 60 Prozent ist der Kryptomarkt seit November 2021 eingebrochen – von 3 Billionen Dollar Gesamtwert auf weniger als 1 Billion Dollar. Einige Analysten prognostizieren deshalb gar ein Platzen der NFT-Blase.

Hype am Kunst- und Musikmarkt

Während es durchaus möglich ist, dass sich Kryptowährungen gerade vom Bullen- zum Bärenmarkt verwandeln – eine Entwicklung, die durchaus reversibel ist, wie der große Krypto-Crash von 2018 zeigt –, stellt sich die Frage, inwiefern dies für den NFT-Markt zutrifft. 

Gerade für Musikschaffende ist diese Frage relevant, da gerade im Rahmen des NFT-Hypes 2021 Fans der Blockchain-Technologie immer wieder auch deren neue Möglichkeiten für den Kunst- und Musikmarkt anpriesen: In der Musikindustrie sind etliche Künstler/innen auf den NFT-Zug aufgesprungen; Grund dafür ist unter anderem die Pandemie, die seit 2020 die Live-Musikindustrie erschüttert und dazu führte, dass Musikerinnen nach anderen Einnahmequellen suchten – und diese in Form von NFTs scheinbar fanden.

Zu den Nutzern gehören unter anderem die kanadische Sängerin Grimes, Linkin Park-Mitglied Mike Shinoda und die Kings of Leon.

Sind NFTs wirklich eine verlässliche Einkommensquelle?

Doch wie weit ist es noch mit der Behauptung, NFTs seien die Zukunft der Musikindustrie und anderer Kunstformen her, wo auf dem Markt derzeit doch alle Zeichen auf Abstieg stehen?

Es zeigt sich zumindest bereits jetzt, dass ein rein spekulativer Markt wie der mit NFTs in jedem Fall keine wirkliche Hilfe für Musikschaffende darstellen kann, die nach den Verlusten und Einschränkungen der Corona-Pandemie in erster Linie verlässliche Einkommensquellen benötigen.

Im Krypto-Winter?

In der aktuell unsicheren Zeit investieren Anleger lieber vorsichtig, und nicht in Hochrisiko-Assets wie eben NFTs. Diese Tokens erhalten ihren Gegenwert jedoch nur durch die Spekulation am Markt, besitzen selbst jedoch keinen inhärenten Wert.

Käme der Handel mit NFTs nicht nur auf OpenSea, sondern auch auf anderen derartigen Plattformen (annähernd) vollständig zum Erliegen, so könnte es sein, dass sich der NFT-Markt von diesem Schlag auch dann nicht mehr erholt, wenn es die Wirtschaft tut, und die nächste Hausse der Krypto-Branche folgt.

Damit blieben große Mengen von Investor/innen auf ihren teuer erkauften NFTs sitzen – und auch Features wie die sogenannten Smart Contracts, die es ermöglichen, dass die Ersteller eines NFTs auch beim neuerlihcen Weiterverkauf ihrer Produkte am Gewinn beteiligt werden, wären dann nutzlos. 

Hoffnung und Geduld

Wie aus eine Blogpost vom 13. September 2022 hervorgeht, glaubt OpenSea-CEO Finzer wenig überraschend weiterhin an das Potenzial von NFTs und seiner Plattform – und nicht an ein vorzeitiges Ende des Hypes.

“Wir wissen, dass noch viel, viel mehr kommen wird – und wir nutzen die heutigen Anwendungsfälle, um eine grundlegende Infrastruktur für die künftige Internetwirtschaft aufzubauen. Diese grundlegenden Wetten werden einen positiven Kreislauf zwischen Projekten, Käufern und Verkäufern schaffen. Sie sind die Bausteine, die schnelle Innovation, Kreativität und Experimente ermöglichen, wenn wir in die nächste Phase der NFT-Entwicklung eintreten.”

(Un)gebremster Optimismus

Der Krypto-Winter stellt für ihn eine "Explosion der Innovation und des Nutzens von NFTs" dar: Mit den "harten (aber wichtigen) Veränderungen, die wir vorgenommen haben, sind wir in einer noch besseren Position, um das zu erobern, was bald der größte Markt der Welt sein wird." 

Ob die Kreativschaffenden, aber auch die Einzelpersonen, die in NFTs investiert haben und sich aktuell damit konfrontiert sehen, keine Abnehmer/innen für die gekauften Assets zu finden, diese optimistische Einschätzungen teilen, ist fraglich. 

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