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Der letzte Schrei

Was sind eigentlich NFTs - und was bedeuten sie für Musikerinnen und Musiker?

Spezial/Schwerpunkt von Florian Endres
veröffentlicht am 01.12.2021

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Was sind eigentlich NFTs - und was bedeuten sie für Musikerinnen und Musiker?

Kings Of Leon waren die erste Band, die ein Album als NFT-Bundle verkauften. © Matthew Followill

Ob Grimes, Deadmau5 oder Kings of Leon – der Handel mit sogenannten NFTs hat 2021 auch das Musikbusiness erreicht. Doch was sind NFTs eigentlich, was verbirgt sich hinter dem Trend, und wieso sollten Musikerinnen und Musiker sich dafür interessieren?

Die Abkürzung NFT steht für non-fungible token, was so viel bedeutet wie "nicht ersetzbares Objekt". Die Idee hinter NFTs ist es, ein eigentlich reproduzierbares Objekt einzigartig zu machen. 

Um diese Einzigartigkeit zu erreichen, werden etwa digitale Bild-, Musik- oder Videodateien mit einem Zertifikat (dem NFT) versehen, das jeweils deren Echtheit (non-fungibility) bezeugt. NFTs sind jedoch nicht auf digitale Dateien begrenzt; auch "reale" Objekte können mithilfe eines NFTs einzigartig gemacht werden.

Welches Original?

Was gemeinhin als NFT bezeichnet wird, ist also genauer gesagt eine Kombination aus einem beliebig reproduzierbaren Objekt und dem damit verbundenen, einzigartigen Zertifikat – dem eigentlichen NFT.

Mithilfe eines NFTs wird also aus einem reproduzierbaren Werk ein Unikat, obwohl die Vervielfältigung des digitalen Ursprungsproduktes nach wie vor möglich ist – allerdings nicht mehr im ideellen Sinne, und noch weniger im juristischen: Das Original kann nachweislich nur eine Person besitzen, alles andere sind quasi beliebige und somit wertlose Kopien.  

Inwiefern diese "digitalen Originale" die teilweise enormen Geldsummen rechtfertigt, die für NFTs aufgerufen werden, bleibt letztlich eine individuelle Entscheidung – genauso, wie es jede/r selbst mit sich ausmachen muss, wie er oder sie zu der verheerenden Klimabilanz von NFTs steht. 

Die Blockchain, Hypes – und Katzen

NFTs funktionieren mithilfe der Blockchain – jener Technologie, mit deren Hilfe auch Kryptowährungen wie z.B. Bitcoin realisiert werden. Auf der Blockchain kann der NFT fälschungssicher gespeichert werden, und so die Einzigartigkeit einer Datei langfristig nachweisen.

Dabei ist es wichtig, zu beachten, dass wirklich nur NFTs, also sozusagen die “Echtheitszertifikate”, auf der Blockchain gespeichert werden. Diese beinhalten zwar eine Beschreibung des angehängten Artworks, das Artwork selbst existiert aber unabhängig von der Blockchain – und kann daher auch ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen reproduziert werden.

Die erste Blockchain, die die Erstellung von NFTs ermöglichte, war übrigens Ethereum. Auf Ethereum wiederum basiert auch das Spiel CryptoKitties, das für den ersten NFT-Hype im kleineren Rahmen verantwortlich war: 2017 erlangte das Spiel kurzzeitig eine solche Popularität, dass die Ethereum-Blockchain signifikant verlangsamt wurde.

Der Sound der Blockchain

Spätestens seit 2021 ist das Thema NFT in aller Munde. Kaum eine neue Technologie wurde in den vergangenen Jahren dermaßen gehyped. Für diesen Hype sind in nicht geringem Maße auch die Musikerinnen und Musiker verantwortlich, die 2021 mit ihren NFT-Verkäufen Schlagzeilen machten.

So verkaufte die kanadische Synthpop-Musikerin Grimes Anfang 2021 verschiedene Artworks und Kurzvideos, die mit selbst produzierter Musik unterlegt waren, über das NFT-Auktionshaus Nifty Gatewayfür einen Preis von insgesamt gut sechs Millionen Dollar!

Auch der Linkin Park-Mitgründer Mike Shinoda hat Anfang des Jahres bereits Artworks als NFT für einen Preis von immerhin 30.000 Dollar verkauft und plant nun, auch Musik als NFTs zu verkaufen. Kings Of Leon haben mit ihrem letzten Album "When You See Yourself" gar als erste Band überhaupt ein Album als NFT veröffentlicht.

Im Hinblick auf die Auswirkungen, die die noch immer anhaltende Corona-Pandemie auf Musikschaffende hat, ist die Hinwendung zu neuen Märkten wenig verwunderlich. Der NFT-Markt scheint den Musikschaffenden dabei keine Grenzen zu setzen, was sie als NFT verkaufen – und die Nachfrage scheint aktuell zumindest hoch genug zu sein, um mit verhältnismäßig wenig Aufwand hohe Preise zu erzielen.

Caveat Emptor

Trotz des aktuellen Hypes um und des unleugbaren Potentials von NFTs ist zu bedenken, dass die teilweise horrenden Summen, die investiert werden – und die so regelmäßig für Schlagzeilen sorgen –, nicht unbedingt ausschlaggebend für den NFT-Markt sind.

In den meisten Fällen sind es international bekannte Stars wie etwa Grimes, die mit ihren Verkäufen nicht nur enorme Preise erzielen, sondern auch erhöhte mediale Aufmerksamkeit erhalten, die die Auktionen im besten Fall noch einmal befeuern.

Die Grundvoraussetzung(en)

Aufstrebende Künstlerinnen oder Künstler bzw. Bands, die mit dem Gedanken spielen, NFTs zu verkaufen, sollten sich also darüber im Klaren sein, ob ihre Fanbase sich überhaupt für diese Art von  "Collectibles" interessiert, da sie ohne den entsprechenden Namen wohl kaum Aufmerksamkeit über ihre Fankreise hinaus erhalten. 

Das potentielle Interesse für NFTs in einer Fanbase hängt in empfindlichem Maße mit deren Alter zusammen: Neue Technologien wie Blockchain werden tendenziell eher von einem jüngeren, technikaffinen Publikum rezipiert und genutzt. Alternde Rocker oder blutjunge Punks hingegen könnten einer solchen Idee eher ablehnend gegenüber stehen – ob sie nun von der Lieblingsband stammt oder nicht.

So ist es wenig verwunderlich, dass neben Grimes, die sich bereits häufiger durch ihr Interesse an neuen Technologien hervorgetan hat, auch gerade Musiker/innen aus den elektronischen Genres oder einem starken Bezug zur Internet- bzw. Digitalkultur den NFT-Markt für sich entdeckt haben – so etwa der für seine Gaming-Streams bekannte Deadmau5 oder der Producer 3LAU.

Gleichsam muss auch in Betracht gezogen werden, dass die wirklich populären NFT-Auktionen bisher in alle in den USA stattgefunden haben. In Deutschland hingegen ist die Akzeptanz von neuen Technologien nicht eben ausgeprägt ist; eine "Early Adopter"-Mentalität ist hierzulande seltener anzutreffen als etwa in den Vereinigten Staaten.

Means of Production

Auch die Frage nach den Objekten, die schlussendlich als NFT verkauft werden, ist gleichsam an die eigene Fanbase, aber auch an die eigene Popularität gekoppelt.

Ohne Claire Bouchers/Grimes’ künstlerisches Talent herabwürdigen zu wollen lässt sich wohl behaupten, dass ihre Sammlung mit Computergrafiken ohne ihre Popularität wohl für deutlich unter sechs Millionen Dollar verkauft worden wäre – gleiches gilt auch für die computergenerierten Bilder von Mike Shinoda.

Wie bereits erwähnt gleicht der NFT-Markt durchaus dem Kunstmarkt. Das bedeutet wiederum, dass Bilder nicht ausschließlich entsprechend ihrer Qualität bewertet werden, sondern dass die Bekanntheit des Malers – und damit auch der potentielle Wiederverkaufswert – eine besondere Rolle spielen.

Für Acts, die noch nicht die Popularität einer Grimes erreicht haben, bedeutet das wiederum, dass die angebotenen NFTs in sich selbst überzeugend sein sollten. Im besten Fall handelt es sich dabei um Objekte mit einem realen Gebrauchswert, die mehr sind als nur ein "Collectible”.

Breite Auswahl

Letztendlich bedeutet das, dass all jener Content, den Bands auf Plattformen wie z.B. Patreon anbieten, ein potentieller NFT ist: Non-Album-Tracks, Behind the Scenes-Content, Interviews – you name it.

Content als NFT anzubieten, hat den Vorteil, dass Musikschaffende langfristig davon profitieren können – im Gegensatz zu dessen “einfachem” Verkauf über Patreon. Dies erfolgt über sogenannte Smart Contracts, ein Feature, das in vielen Blockchains implementiert ist.

Smart Contracts ermöglichen es u.a., Regeln für den Weiterverkauf von NTFs zu definieren. So können Künstler/innen etwa angeben, dass sie, wenn ein ursprünglich von ihnen angebotener NFT weiterverkauft wird, noch einmal einen Anteil am Wiederverkaufspreis erhalten.

Andere Musikerinnen und Musiker gehen sogar noch einen Schritt weiter, und verkaufen Anteile an ihren Songrechten als NFTs: Über Plattformen wie Opulous können Fans ihre Lieblingsacts durch den Erwerb von Anteilen an deren Songs finanzieren und erhalten dann – wie bei einem "richtigen" Investment – einen Teil der Tantiemen, die der Song einbringt. 

Hoffnungsvoller Trend

Tatsächlich trieb auch Kings Of Leon hinsichtlich der NFT-Bundles ihres neusten Albums die Hoffnung, durch den Einsatz von Blockchain-Technologie nicht nur die Fanbindung zu stärken, sondern auch ein Spotlight auf alternative Möglichkeiten der Finanzierung von Bands zu lenken.

So konnte die Band durch die NFT-Verkäufe über 500.000 Dollar Spenden für den Live Nation-Fonds für von der Pandemie getroffene Bühnenarbeiter/innen einsammeln.  

NFTs besitzen also durchaus auch für aufstrebende Acts Potential. Wichtig ist dabei, wie so oft, vor allem eine gute Kenntnis der eigenen Fanbase und ein gewisses Einfühlungsvermögen. 

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