So gelingt der Bibelkreis im Swingerclub
Zehn Tipps zur Soundoptimierung in kleinen Locations
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Die Band Spacebolz im kleinen Laboratorio 17 in Mannheim. © MKB Markus Biedermann 2004
1. Lautstärke anpassen
Das Grundproblem – besonders für Rockbands – in Mini-Locations ist die Lautstärke. Ich habe fast noch nie in einer kleinen Kneipe gespielt oder gemischt, ohne dass jemand gemosert hätte: „Ey, geht das nicht leiser?“…
Am lustigsten finde ich, wenn der Beschwerdeführer das Schlagzeug runtergedreht haben will. So bescheuert der Wunsch ist, er trifft die Wurzel des Problems: Das in aller Regel einzige akustische Instrument ist gleichzeitig das lauteste. Und dem müssen sich alle anderen anpassen.
2. Spielweise anpassen
Am naheliegendsten ist es, ganz einfach leiser zu spielen. Aber moderat und gleichzeitig druckvoll, das kriegen nur wenige Drummer hin. Ganz davon abgesehen, dass eine Snare ganz anders klingt, wenn man sie nur streichelt.
Trotzdem empfehle ich, hier den Hebel anzusetzen. Das heißt: Bei den Proben bewusst (und gründlich) auszuprobieren, wie stark der Schlagzeuger die Handbremse anziehen kann, ohne dass es Bremsspuren gibt.
3. Equipment anpassen
Außerdem solltet ihr euer Augenmerk aufs Equipment legen. Wer häufig in beengten Kneipen auftritt, für den lohnt es sich, zusätzlich ein kleineres Drumkit anzuschaffen. Was, das wummst nicht genug? Und ob! Wenn der Raum klein ist, verstärken die Wände den Schall und plötzlich zornt auch ein Mini-Set oft mehr, als einem lieb ist.
Oder gleich E-Drums benutzen – die kann man tatsächlich so laut drehen, wie man sie wirklich braucht. "No way!", höre ich schon die Puristen protestieren. Und sie haben ja Recht. Ich habe noch kein E-Drum-Set gehört, das mich in der Live-Situation restlos überzeugt hat (was oft an der Anlage liegt). Persönlich halte ich das aber in vielen Fällen für das kleinere Übel.
4. Kompromisse eingehen
Was für den Schlagzeuger im Besonderen gilt, trifft im Allgemeinen auch auf den Rest der Band zu: Alle sollten bewusst beim Proben schauen, wo sie sich beim Spielen etwas zurücknehmen können, ohne dass der Sound leidet und beim Equipment das kleine Besteck wählen (gegebenenfalls anschaffen).
Wir hatten zum Beispiel früher einen Röhren-Fan in der Band, dessen Amp erst bei Presslufthammer-Lautstärke richtig gut klang. Super bei jedem Open Air, tödlich auf der Badehandtuch-Bühne. Beim zweiten Kneipengig griff der Mann lieber zu einem aktenkoffergroßen Combo. Das Schöne: Es gibt inzwischen viele kleine Combos, die richtig amtlich klingen.
Auch hier möchte ich wieder eine Bresche für die Digitaltechnik schlagen: Lieber ein Modeling-Amp, der einen Hauch künstlich daherkommt, aber auch schon bei gehobener Zimmerlautstärke den gewünschten Sound liefert, als die sahnigste Vollröhre, die leider das Publikum vor die Türe bläst.
5. Erste Hilfe für die Raumakustik leisten
Der nächste Ansatzpunkt für einen besseren Sound ist die Raumakustik. In "richtigen" Live-Clubs muss man sich darum nicht kümmern, weil sie akustisch für Konzerte konzipiert sind. In Kneipen haben wir es dagegen häufig mit Settings zu tun, die sich für laute Gitarrenmusik so gut eignen wie ein Swingerclub für einen Bibelkreis: Glatte Wände, große Fensterflächen, Fliesenboden, ungünstiger Raumzuschnitt.
Theoretisch lässt sich da viel machen, aber wer kann schon für einen einzigen Abend einen Akustikbauer engagieren? Also muss der "Erste-Hilfe-Kasten" reichen. Bei uns sind das: Dicker Bühnen-Molton, den ich superbillig (und superverdreckt) gebraucht bei einem PA-Verleih ergattert habe. Den bringen wir -– am besten doppellagig – hinter und an den Seiten der Bühne an. Alte, schwere Vorhänge leisten ähnlich gute Dienste. Außerdem decken wir mit einer Ladung Teppiche mindestens den Bühnenboden ab.
Ich habe auch schon Bands gesehen, die Akustik-Absorber auf Stativen an neuralgischen Punkten aufgestellt oder Noppenschaummatten an der Decke über dem Drumkit befestigt haben. Alles eine Frage der Zeit und des Geldbeutels.
6. Monitore weglassen
Eine weitere Stellschraube ist die PA. In Mini-Locations läuft darüber klassischerweise nur der Gesang, Akustikklampfen, eventuell Keyboards und die Bassdrum. Zwei Dinge solltet ihr ausprobieren:
Erstens die Monitore weglassen. Während bei großen Bühnen der Monitorsound Richtung Publikum nicht ins Gewicht fällt, kann er in kleinen Locations schnell genauso laut werden wie die PA – und es gilt ja, unnötige Lautstärke zu vermeiden. Außerdem braucht man sie kaum, weil eine Menge Schall von den Wänden auf die Bühne zurückkommt. Wer definitiv nicht ohne kann, sollte sich mal In-Ear-Systeme anschauen.
7. Weniger durch mehr
Zweiter PA-Tipp: Auch die Gitarren abnehmen – um sie insgesamt leiser zu kriegen. Weil die Speaker in den Gitarrenboxen den Schall nach vorne abstrahlen, neigt man dazu, die Amps lauter zu drehen, damit auch die Zuhörer an der Seite etwas mitkriegen. Dann lieber die Verstärker leiser lassen und die Gitarren dezent mit über die PA schicken.
8. Umdenken
Kneipen sind oft verwinkelt und die Bühne ganz merkwürdig positioniert. Bei solchen Konstellationen habe ich schon erlebt, dass Bands mit der klassischen Aufstellung der PA-Lautsprecher links und rechts von der Bühne nur die Thekenmannschaft geföhnt haben, während das Gros des Publikums hauptsächlich den verwaschenen indirekten Schall abbekam.
Deshalb sollte man sich bei der Ausrichtung der PA nicht davon leiten lassen, wie es normalerweise üblich ist, sondern wie man möglichst viele Zuhörer möglichst ausgewogen beschallt – auch wenn dabei ganz unorthodoxe Boxenpositionen herauskommen.
9. Störsignale wegfiltern
Speziell bei Kneipen-Gigs leisten zwei PA-Effekte gute Dienste. Wo die Schallquellen so eng beisammenstehen, ist die Feedback-Gefahr besonders groß. Über einen Equalizer in der Summe kann man die empfindlichen Frequenzen rausfiltern.
Außerdem empfehle ich eine Compressor-Gate-Einheit. Der Kompressor lässt den Gesang besser durchkommen, ohne ihn brutal laut drehen zu müssen. Das Gate schneidet das Wummern der Kick ab, so dass man sie guten Gewissens auf die PA legen kann, ohne dass sie im Bassbereich alles zudröht.
10. Setliste optimieren
Zuletzt noch ein Tipp, der nichts mit Soundoptimierung zu tun hat und euch trotzdem besser klingen lässt: Wenn ihr eure Setlist zusammenstellt, dann berücksichtigt bei der Songauswahl die Gegebenheiten.
Für Mini-Locations heißt das: Den supergeilen Nackenbrecher mit dem Doublebass-Gewitter weglassen und dafür die schmalzige Akustik-Ballade reinnehmen, auch wenn euch der Sinn eigentlich nach Krawall steht. Es tut zwar weh, gute Stücke zu streichen – aber was nützt es, wenn sie unter erschwerten Umständen nicht funktionieren?
Grunsätzlich habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, bei Kneipengigs zwischendurch ein paar Akustiknummern einzubauen. So können sich die Ohren des Publikums erholen und sind danach auch wieder für laute Nummern empfänglich.
Euer Feedback
Wie lauten eure Erfahrungen? Was haltet ihr von diesen Vorschlägen? Und welche zusätzlichen Tipps habt ihr noch auf Lager?
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