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Ordo ab Chao

Live-Tontechniker vs. unerfahrene Band: Mit Geduld und Verständnis zum gelungenen Konzert

Tipps für Musiker und Bands von Marco Sulek
veröffentlicht am 05.04.2019

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Live-Tontechniker vs. unerfahrene Band: Mit Geduld und Verständnis zum gelungenen Konzert

Tontechniker. © Roman Rvachov / 123RF

Als Tontechnik-Experte und FOH-Soundmann oder -frau hinterm Pult weißt du: Aller Anfang ist schwer. Das galt für dich während deinen Anfängen als Live-Engineer und gilt jetzt für die jungen Musiker auf der Bühne. Wir haben einige Tipps zusammengestellt, die dir den Umgang mit unerfahrenen Bands erleichten.

Unbestreitbar muss jeder irgendwann einmal anfangen. Das ändert allerdings nichts daran, dass gerade aufgrund von Unkenntnis die Stimmung live sehr schnell kippen kann.

Nicht wenige auf und vor der Bühne denken, Tontechniker würden auf Konzerten lediglich Fader schubsen, Potis drehen sowie auf bunten Touch-Displays herumtippen.

Doch laut und leise ist nur eine von etlichen Aufgaben. Insbesondere in kleineren Locations muss der Klangkutscher gleich mehreren Rollen gerecht werden. Unter anderem ist er oftmals alleiniger Ansprechpartner rund um die Themen Technik, Bühnenaufbau und Musikerkoordination. Wir haben für die Musiker unter euch an anderer Stelle 10 goldene Regeln für den Umgang mit Tontechnikern aufgeschrieben.

Unter Strom

Ein Konzert kann sehr viel Stress für den Live-Engineer bedeuten. Das ist selbst dann so, wenn alles "läuft" und jeder weiß, wann genau was zu tun ist. Der Zeitplan ist ja bekanntlich extrem straff. Hinzu kommen nicht selten technische Probleme, deren Fehlerquellen schnell entlarvt und dann passende Lösungen gefunden werden müssen.

Tritt nun zusätzlich eine Band auf, die ihre ersten Bühnenerfahrungen sammelt, droht der Stresspegel des Tonverantwortlichen heftig zu clippen. Vor Ort ist schlichtweg keine Zeit, den Debütanten ausführlich zu erklären, was ihre Aufgaben sind und auf was sie für einen möglichst reibungslosen Ablauf achten sollten.

Unerfahrene und somit eher unbekanntere Musiker werden in der Regel als Opener gebucht. Wenn sich nun Aufbau und/oder Soundcheck aus diversen Gründen ewig in die Länge ziehen, hat das direkte Auswirkungen auf alle Beteiligten – nicht zuletzt auf den Tontechniker, dem Überstunden bis spät in die Nacht drohen.

Desaströs wird es aber vor allem dann, wenn die ersten Konzertgäste die Geduld verlieren und schlimmstenfalls gelangweilt das Weite suchen. Der Veranstalter wird dann nicht nur die (mit-)schuldige Band nicht mehr buchen, sondern womöglich ebenso auf den Techniker verzichten, der das Geschehen nicht im Griff hatte – selbst wenn er nichts dafür kann. Das ist alles schon unzählige Male vorgekommen.

Was hingegen klar sein sollte: der Tontechniker trägt entscheidend zu Gedeih und Verderb des Gigs bei.

Er steht als wichtigster Ansprechpartner in direkter Wechselbeziehung zu den Künstlern. Steigt nun der Genervtheitsgrad des Engineers, fühlen sich die sowieso nervösen Musiker umso verunsicherter.

Umgekehrt verhält es sich so: Wenn der Tonmann selbst im ärgsten Gewirr ausgeglichen bleibt sowie stets verständnisvoll und professionell reagiert, fühlen sich Bühnenneulinge trotz ihrer Anspannung gut aufgehoben und verstanden. Dies gilt freilich genauso für die Zusammenarbeit mit erfahrenen Gruppen.

I. Eine gute Vorbereitung ist der halbe Gig

Unabhängig davon, ob erfahrene oder unerfahrene Musiker gemischt werden sollen: Als Tontechniker hast du dir im Vorfeld den Technical Rider jeder einzelnen Band anzuschauen. Dabei geht es keineswegs darum, das Dokument auswendig zu lernen, sondern eine Idee vom Instrumentarium und etwaigen speziellen Wünschen zu bekommen.

Wenn du beispielsweise auf einem Festival viele Gruppen mischen musst oder du allgemein wenig Zeit hast, solltest du zumindest den Technical Rider überfliegen. Letztendlich kannst du erst so einen sinnvollen Belegungsplan erstellen und die benötigte Backline vorbereiten (lassen).

Als Drummer bin ich selbst schon mal an einem Veranstaltungsort angekommen und habe bemerkt, dass auf der Bühne lediglich zwei Toms platziert waren – obwohl ich vier spiele. Auf meine Frage, ob sich der Tonmensch unseren Technical Rider angesehen habe, meinte er nur: "Nö. Die anderen beiden Schlagzeuger brauchen nur zwei Toms. Wir haben uns also darauf geeinigt, nur zwei aufzustellen."

Dass man sich da als Musiker heftig vor den Kopf gestoßen fühlt und der erste Eindruck vom Engineer nicht unbedingt positiv ausfällt, kann man sich ausmalen. Gut, nach einer kurzen Diskussion hat er zwar noch zwei Toms angeschleppt und abmikrofoniert – dass ihm dies jedoch aufs Übelste missfiel, klang den ganzen Abend spürbar nach. Und das war wirklich völlig unnötig.

Aber zurück zum Thema: Weise den Veranstalter darauf hin, dass du spätestens zwei Wochen vor dem Konzert alle Technical Rider für eine optimale Vorbereitung brauchst. Eine engagierte Band wird spätestens jetzt die benötigten technischen Informationen zusammenstellen.

Solltest du dennoch die Rückmeldung erhalten, eine Band habe kein entsprechendes Dokument, schreib die Band am besten rechtzeitig selbst an. Die Kontaktdaten kriegst du entweder direkt vom Veranstalter oder aus dem Internet. Deine E-Mail an die Band könnte mitunter folgende Standardfragen beinhalten:

  • Wie heißen eure Mitglieder und wer spielt welches Instrument?
  • Gibt es Playback, das abgespielt werden soll (z. B. Intro, Keys und/oder Click)?
  • Welches Equipment bringt ihr selbst mit und was genau braucht ihr an Backline (z. B. Amps, Drums und/oder Mikrofone)?
  • Nutzt ihr In-Ear-Systeme oder konventionelles Monitoring?
  • Nutzt ihr Funksysteme und, wenn ja, welche (Frequenzen)?
  • Habt ihr konkrete Vorstellungen in Bezug auf Bühnenlicht?
  • Wollt ihr auf gewisse Signale spezielle Effekte?
  • Wie viele freie Steckdosen braucht ihr wo auf der Bühne?
  • Habt ihr ein Backdrop und/oder andere Bühnendekoration?
  • Habt ihr schon eine eigene Checkliste mit den Dingen erstellt, die ihr auf keinen Fall vergessen dürft (z. B. Batterien für aktive Instrumente, Fußmaschine und/oder Netzteile für mitgebrachte Geräte)?

Gerade unerprobte Musiker kannst du so dazu ermutigen, dass sie sich zumindest mit den grundlegenden Dingen weit im Vorfeld auseinandersetzen. Außerdem erhalten sie so deinen Kontakt und können dir Fragen stellen, die sie sonst womöglich gar nicht gestellt hätten. Speichere deine Standardfragen du am besten in einer Muster-E-Mail ab – schließlich wirst du sie mehr als nur einmal versenden müssen.

Dass ein Opener aus Zeitgründen für ihren 30-minütigen Auftritt kein eigenes Schlagzeug mitbringt, erscheint logisch. Eventuell ist dies aber der Band nicht klar. Weise den Drummer deshalb darauf hin, dass das Drumset zur Backline gehört und er – je nach Situation – nur Fußmaschine, Snare, Becken und Sticks mitnehmen muss.

II. Richtig reagieren vor Ort

Unerfahrenen Künstlern sieht man oft an, dass sie mit der Live-Materie noch nicht so vertraut sind. Sie wirken etwa zurückhaltend, schüchtern und angespannt. Fass dir also gleich zu Anfang ein Herz und geh aktiv auf sie zu. Stell dich als ihr Tontechniker für diesen Abend vor und sag ihnen, dass sie sich bei Fragen gerne an dich wenden können.

Ein derartiges Entgegenkommen ist nachhaltig. Du wirst merken, um wie viel wohler sich einige Musiker fühlen, wenn sie wissen, dass sie bei dir gut aufgehoben sind. Begegne ihnen vor allem bei Aufbau und Soundcheck mit sehr viel Verständnis und Respekt, wenn sie sich unsicher sind, was sie tun müssen. Gebe ihnen dabei knappe und verständliche, aber immer freundlich formulierte Instruktionen.

Das A und O im Live-Betrieb ist ohnehin, stets professionell zu bleiben. Ein ungeduldiges, gestresstes oder gar überhebliches Auftreten deinerseits hilft keinem etwas. Scheue allerdings nicht davor zurück, deine Schützlinge zu kritisieren, wenn sie zum Beispiel so ausgelassen herumblödeln, dass du deiner Arbeit nicht mehr nachkommen kannst.

Mühselig wird der Umgang insbesondere dann, wenn du eine Chaostruppe betreuen musst – und von diesen gibt es nicht wenige. In einer solchen Formation sticht mindestens ein Musiker heraus, der sich um nichts schert, ewig zu spät aufkreuzt und einfach nicht zu Potte kommen will.

Bleib nichtsdestotrotz immer professionell. Mit zu viel Druck und Zurechtweisungen kann es sein, dass du nämlich genau das Gegenteilige bewirkst: sein Verhalten kann in puren Trotz enden. Bitte ihn deswegen immer höflich um das, was du von ihm brauchst – gerne auch mit einer sanften Bestimmtheit.

An dieser Stelle kann ich jedem nur die sogenannte "Gewaltfreie Kommunikation" (kurz: GFK) empfehlen. Es handelt sich hierbei in erster Linie um eine Technik für eine friedliche Konfliktlösung. Zu diesem Thema wurden bereits tonnenweise Bücher geschrieben. Hol dir also eines und lies es – die GFK kann dir in den unterschiedlichsten Lebenslagen nützlich sein.

III. Der Auftritt

Wo während des Soundchecks noch problemlos mitten im Song unterbrochen werden kann, sollte das live tunlichst vermieden werden – selbst dann, wenn plötzlich ein Amp nicht mehr funktioniert. Sag das den Musikern. Teile ihnen ebenfalls mit, dass du ihnen spätestens nach einem Lied zur Hilfe eilst, sobald etwas nicht mehr funktionieren sollte.

Versichere dich, dass du wirklich alle noch einmal gefragt hast, ob sie mit ihren Monitormix zufrieden sind. Wo sich versierte Bandmitglieder nichts denken und sich von selbst zu Wort melden, kann es sein, dass Unkundige aus Verlegenheit nichts sagen wollen – obwohl sie sich selbst überhaupt nicht hören können.

Betrachte während der Show immer aufmerksam die Bühne. Im Verhalten der Musiker kannst du meist schon ungefähr erahnen, was nicht passt – sei es nun ein zu leiser Monitorsound oder ein gravierendes technisches Problem. Gehe (nach einem Song) auch am besten zur Bühne, um dich zu erkundigen, ob du ihnen irgendwie behilflich sein kannst.

Sollte es nun wirklich technische Schwierigkeiten geben, vermittle den Musikern keinesfalls das Gefühl, als seien sie dafür verantwortlich. Informiere sie lieber darüber, wo der Fehler liegen könnte und was du gerade machst. Kaum etwas ist entmutigender als unwissend herumzustehen und keine Ahnung davon zu haben, was los ist.

IV. Nach dem Konzert

Auch wenn es du mit der Musik nichts anfangen kannst, schenke vor allem einer unerfahrenen Band ein paar nette Worte. Das bestärkt sie und sie gehen womöglich nicht mit einem schlechten Gefühl nach Hause. Du könntest beispielsweise kurz und knapp "super gespielt", "danke für die gute Zusammenarbeit" oder "hat mir Spaß gemacht, euch zu mischen" sagen.

Was du auf keinen Fall versäumen solltest, ist es, etwas anzusprechen, was überhaupt nicht geklappt oder gepasst hat. Sag gegebenenfalls, dass du dir allgemein mehr Interesse wünschen würdest, der Gitarrist live in Sachen Effektpedale zum Wohle aller etwas abspecken sollte oder der Alkoholexzess auf der Bühne alles andere als cool sei. Gehe dabei wie gehabt professionell vor.

Denke daran, dass du möglicherweise in Zukunft wieder mit den Musikern zusammenarbeiten wirst. Daher ist es wichtig, einen kompetenten und positiven Eindruck zu hinterlassen. Es wird auch kaum in deinem Sinne sein, dass die Band sich bei eurem nächsten Zusammentreffen "nicht schon wieder der Depp" denkt.

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