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Die unendlichste Geschichte

BGH legt Streitfall zwischen Kraftwerk und Moses Pelham dem EuGH vor

News von Daniel Nagel
veröffentlicht am 14.09.2023

urheberrecht sampling musikbusiness

BGH legt Streitfall zwischen Kraftwerk und Moses Pelham dem EuGH vor

Kraftwerk bei einem Konzert im Jahr 2023. © Rudi Brand

Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt der Streit um ein von Moses Pelham verwendetes Kraftwerk-Sample die Gerichte. Jetzt wird sich erneut der Europäische Gerichtshof (EuGh) mit der Materie beschäftigen - und vermutlich ein Urteil mit Auswirkungen auf das gesamte Musikbusiness fällen.

Deutsche und europäische Gerichte beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der Frage, ob Moses Pelham das Sample von "Metall auf Metall" in dem Song  "Nur mir" von Sabrina Setlur ohne Erlaubnis von Kraftwerk rechtmäßig verwenden durfte. Die Tatsache, dass das Urheberrecht sich seit Beginn des Rechtstreits grundsätzlich geändert hat, macht die Lage nicht einfacher.

Im letzten Akt des Dramas entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im Jahr 2022, dass das reformierte Urheberrecht die Verwendung des Samples erlaubt, da es sich um ein sog. Pastiche handele. Der Begriff des Pastiches wurde durch die letzte Reform des EU-Urheberrechts in das deutsche Recht eingeführt, besitzt dort aber keine klare Definition.

OLG sieht Pastiche

Das OLG Hamburg definierte das Pastiche als "kommunikativen Akt der stilistischen Nachahmung, der eine bewertende Referenz auf ein Original voraussetzt, wobei auch die Übernahme fremder Werke oder Werkteile erlaubt ist."

In Abgrenzung zum "unzulässigen Plagiat" müsse das Original allerdings so benutzt werden, dass es in einer veränderten Form erscheint. Dazu reiche es aus, dem Werk "andere Elemente hinzuzufügen oder das Werk in eine neue Gestaltung zu integrieren". Das sei bei dem Sample von "Metall auf Metall" der Fall. 

BGH hat Fragen 

Gegen die Entscheidung des OLG Hamburg legten Kraftwerk Revision beim BGH ein. Dieser setzte mit Beschluss vom 14. September 2023 das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof EuGH Fragen zur Auslegung des EU-Urheberrechts in Hinblick auf die Definition des Begriffs Pastiche vor. Das ist die übliche Vorgehensweise, wenn die Auslegung von EU-Recht unklar ist, denn nur der EuGH darf diese allgemeingültig festlegen.

Konkret fragt der BGH, ob der Rechtsbegriff des Pastiches ein "Auffangtatbestand für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk einschließlich des Sampling ist und ob für den Begriff des Pastiches einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten."

Notwendig für die Kunstfreiheit?

Der BGH erklärt, eine solche "Schranken-Funktion" des Pastiches, d.h. eine Beschränkung der Urheberrechte (in diesem Fall von Kraftwerk) durch die Möglichkeit, fremde Werke auch ohne explizite Erlaubnis des Urhebers zu verwenden, sei möglicherweise notwendig, um der Kunstfreiheit gerecht zu werden.

Das sei der Fall, weil der Kunstfreiheit (in diesem Fall von Moses Pelham) ansonsten "allein durch die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann."

Anders gesagt fragt der BGH den EuGH: Dient der Begriff des Pastiches als Auffangkorb für alle möglichen Verwendungen von urheberrechtlich geschütztem Material, das eine künstlerische Beschäftigung mit dem Ausgangsmaterial zeigt? Oder gelten für die Zulässigkeit als Pastiche strengere Regeln, nach denen spezifische Elemente wie "Humor, Stilnachahmung oder Hommage" erkenntlich sein müssen? 

Große Auswirkungen

Die Entscheidung des EuGH zu dieser Frage wird gewichtige Auswirkungen auf die Definition des Begriffs des Pastiches haben. Wenn der EuGH entscheidet, dass alle möglichen künstlerischen Beschäftigungen mit urheberrechtlich geschütztem Material unter den Begriff Pastiche fallen, könnten Künstler/innen unter Berufung auf die Kunstfreiheit wesentlich freier mit fremdem Material arbeiten als bisher.

Entscheidet er jedoch, dass der Begriff des Pastiches nur für bestimmte Verwendungsformen anwendbar ist, dann stellt sich die Frage, welche das sind und wie sie sich näher definieren bzw. von einander und anderen erlaubten Verwendungsformen abgrenzen lassen.

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